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Das α-Gal-Syndrom ist eine allergische Reaktion auf einen Kohlenhydratbestandteil von rotem Fleisch, für die es noch keine präzise Definition gibt. In dem Bestreben, Licht in diese bislang schlecht verstandene Krankheit zu bringen, bricht ein Forscherteam unter der Leitung von Dr. Christiane Hilger vom Luxembourg Institute of Health (LIH) mit allen Stereotypen in der Allergologie und legt Beweise für Allergien auslösende Kohlenhydrate vor, die unabhängig davon funktionieren, ob das Allergen auf einem Protein oder einem Lipid vorhanden ist. Ihre Erkenntnisse tragen dazu bei, Allergien gegen Kohlenhydrate besser zu verstehen. Diese sind im Gegensatz zu Allergien gegen Proteine noch nicht sehr gut erforscht.

‚Rotes-Fleisch-Allergie‘: Ursachen, Symptome und (keine) Behandlung

Die so genannte ‚Rotes-Fleisch-Allergie‘, medizinisch als α-Gal-Syndrom bekannt, ist eine potentiell lebensbedrohliche allergische Reaktion, die nach dem Verzehr von rotem Fleisch oder anderen von Säugetieren stammenden Produkten auftritt. Bei Patienten wird das α-Gal-Syndrom häufig nach wiederholten allergischen Episoden diagnostiziert, die meist mehrere Stunden nach einer Mahlzeit auftreten. 

Man geht davon aus, dass das Syndrom auf den Biss einer Zecke zurückgeht, die α-Gal, eine bestimmte Art von Zucker, auch α-Gal-Kohlenhydrat genannt, auf den Patienten überträgt, was zur Entwicklung einer Allergie gegen rotes Fleisch führt, das ebenfalls dieses Kohlenhydrat enthält. Bei der Begegnung mit dem α-Gal-Kohlenhydrat in Fleischprodukten reagieren die Patienten wie auf einen Eindringling, was zu ausgeprägten allergischen Reaktionen führt. Die Symptome können von Nesselsucht bis hin zu Keuchen und Anaphylaxie reichen.

Für das α-Gal-Syndrom gibt es derzeit keine andere Behandlung als den Verzicht auf Fleischprodukte, was durch das Vorhandensein von Tierderivaten in einigen Arzneimitteln wie Krebsmedikamenten oder Impfstoffen noch erschwert wird.

Eine Rolle des Verdauungsprozesses?

Die subkutane oder intravenöse Verabreichung von α-Gal-haltigen Produkten an einen Patienten, der von dem Syndrom betroffen ist, führt zu einer sofortigen allergischen Reaktion. Interessanterweise tritt die allergische Reaktion bei oraler Aufnahme von Fleischprodukten jedoch nicht sofort auf, sondern erst zwei bis acht Stunden nach dem Verzehr des Fleischprodukts. Die Logik legt nahe, dass der Verdauungsprozess bei dieser beobachteten Verzögerung eine wichtige Rolle spielt, wobei der Patient dem Allergen erst dann ausgesetzt ist, wenn das Fleisch aufgespalten und durch die Wände des Verdauungstrakts absorbiert wird.

Mehrere Fleischproteine, die α-Gal tragen, wurden zuvor von dem Team von Dr. Christiane Hilger, Gruppenleiterin Molekulare und Translationale Allergologie am LIH, identifiziert. Die bisher vorherrschenden Theorien brachten die verzögerte allergische Reaktion mit α-Gal in Verbindung, das in Fleischfetten oder -lipiden enthalten ist, da ihre Verdauung am längsten dauert, aber es fehlte bisher noch an experimentellen Beweisen. In einer aktuellen Studie untersuchte Dr. Christiane Hilger, ob auch Lipidkomponenten des Fleisches die für das α-Gal-Syndrom charakteristische verzögerte allergische Reaktion auslösen könnten und welche Komponente, Fleischproteine oder Fleischlipide, in ihrer allergenen Potenz überwiegen würde.

Fleischproteine, die α-Gal tragen, lösen eine stärkere Reaktion aus als Lipide

In einem ersten Schritt verwendete das Team hochgereinigte Proteine und Lipide, die α-Gal tragen. Beide Arten von Molekülen waren in der Lage, sich stark an Antikörper von Patienten mit α-Gal-Syndrom zu binden und menschliche Zellen zu stimulieren, wodurch eine allergische Reaktion imitiert wurde. Diese Ergebnisse bestätigten, dass das Kohlenhydrat α-Gal eine allergische Reaktion auslösen kann, unabhängig vom Trägermolekül (Protein oder Lipide).

In einem zweiten Schritt untersuchte das Team natürliche Nahrungsquellen, indem es Proteine und Lipide aus Schweine- und Rindfleisch extrahierte. Um die allergische Reaktion auf diese Protein- und Lipidextrakte zu messen, verwendete das Team von Dr. Hilger Blut von Patienten, die am α-Gal-Syndrom erkrankt waren. Dieses Blut enthielt die Antikörper, die an α-Gal binden, und die Zellen, die in diesem Fall einen allergischen Schub auslösen würden. Der durch jeden Extrakt ausgelöste allergische Reiz wurde dann mithilfe von Markern, die die allergische Reaktion messen, bewertet. Die mit dem Blut von Allergikern beobachteten Reaktionen zeigten, dass Fleischproteine, die α-Gal tragen, eine stärkere Rolle als Auslöser der allergischen Reaktion spielen als Fleischlipide. Bemerkenswerterweise wurde festgestellt, dass Rind- und Schweinefleischproteine mehr α-Gal enthalten als die fettigen Teile.

Das Team simulierte auch eine Magen- und Darmverdauung von Fleischproteinen und zeigte, dass α-Gal tragende Proteine die Magenverdauung überleben und lange Zeit stabil bleiben. Anders als bisher angenommen, deuten ihre Ergebnisse darauf hin, dass α-Gal-tragende Proteine den Verdauungsprozess lange genug überleben, um bei der Aufnahme im Darm verzögerte Reaktionen hervorzurufen.

Neues Verständnis von Allergien gegen Kohlenhydrate

Diese Ergebnisse erweitern das Verständnis der Allergenität von Kohlenhydraten, die im Gegensatz zu Allergien gegen Proteine noch nicht sehr gut erforscht sind, um eine neue Dimension.

„Unsere Ergebnisse haben die Allergologie einen Schritt weitergebracht, als sie zeigten, dass eine allergische Reaktion durch α-Gal ausgelöst werden kann, unabhängig davon, in welchem Teil des Fleisches es sich befindet. Der wichtigste Faktor ist die Menge und Stabilität des Kohlenhydrats, unabhängig davon, ob es von einem Lipid oder einem Protein getragen wird“, ergänzt Neera Chakrapani, Doktorandin und Erstautorin der Studie.

„Diese Art von Erkenntnissen sind nicht nur entscheidend, um die relevanten Auslösermoleküle beim α-Gal-Syndrom zu identifizieren und geeignete diagnostische Tests zu entwickeln, sondern sie helfen uns auch, eine Art von allergischer Reaktion zu verstehen, über die wir erst noch mehr lernen müssen“, so Dr. Hilger.

Diese Ergebnisse wurden in „The Journal of Allergy and Clinical Immunology“, einer der führenden Fachzeitschriften für Allergie und Immunologie, unter dem Titel ‚α-Gal present on both glycolipids and glycoproteins contributes to the immune response in meat-allergic patients veröffentlicht.

Autorin: Laura Bella (LIH)
Redakteurin: Michèle Weber (FNR)

Infobox

Finanzierung und Kooperationen:

Die Forschung wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen, dem Centre Hospitalier de Luxembourg, dem Luxembourg Institute of Science and Technology, der Süddänischen Universität und der Technischen Universität München durchgeführt. Die Arbeit wurde durch eine bilaterale Finanzierung des luxemburgischen Fonds National de la Recherche (FNR), Projekt C17/BM/11656090, und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Projekte FI2226/2-1, BI696/12-1, SFB1335 P17 und SFB1371 P06, gefördert.

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