Rund zwei Monate nach drei Testkonzerten mit dem Popstar Tim Bendzko in Leipzig haben Wissenschaftler der Universitätsklinik Halle an der Saale die Studienergebnisse zum Corona-Infektionsrisiko bei Großveranstaltungen unter Pandemiebedingungen vorgestellt. Demnach senken bereits moderate Beschränkungen wie eine Reduzierung der Auslastung einer Veranstaltungshalle um 50 Prozent das Infektionsrisiko deutlich, wie die Forscher am Donnerstag mitteilten.
Die Testveranstaltungen in Leipzig waren Teil des Forschungsprojekts "Restart19". Mit dem Experiment wollten die Wissenschaftler herausfinden, unter welchen Bedingungen Großveranstaltungen wieder möglich sein könnten.
Bei den Konzerten wurden drei verschiedene Szenarien durchgespielt, die sich in Teilnehmerzahl und Abständen zwischen den Konzertbesuchern unterschieden. Daneben wurde in einer Computersimulation untersucht, wie sich verschiedene Lüftungskonzepte in den Szenarien auf die Verteilung von Aerosolen in der Luft auswirken und welche Folgen daraus resultierende Ansteckungen auf die Region Leipzig hätten.
Dabei stellte sich heraus, dass die Zahl der engen Langzeitkontakte von über 15 Minuten bei einem Mindestabstand der Konzertgäste von eineinhalb Metern zueinander im Vergleich zu einem Konzert ohne Abstandsregel um bis zu 96 Prozent abnimmt. Dabei müsse jedoch beachtet werden, dass die Anzahl der Kontakte im Allgemeinen geringer seien, weil durch weitere Abstände zwischen den Konzertbesuchern auch insgesamt weniger Menschen in der Halle sind.
Bei einem Konzert mit einem Mindestabstand von eineinhalb Metern zwischen den Gästen und einer guten Lüftung ist das Ansteckungsrisiko laut Forschern 70 Mal geringer als ohne Hygienekonzept und mit schlechter Lüftung. Befindet sich ein Infizierter in einer schlecht belüfteten Halle, breiten sich die Aerosole weiter aus und würden von dutzenden Menschen eingeatmet, während sich die Zahl der Betroffenen bei einer gut belüfteten Halle auf einige wenige reduzieren lasse. "Aerosole können bei einer schlechten Belüftung ein erhebliches Ansteckungsrisiko darstellen", sagte der Leiter der Infektiologie der Uniklinik Halle, Stefan Moritz.
Auch bei einer hohen Inzidenz von 100 Fällen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen kann eine gute Lüftung das Risiko für eine Ansteckung in einer Halle reduzieren. Bei einer schlechten Belüftung, keiner Maskenpflicht und ohne Mindestabstände könnten sich bei einer hohen Inzidenz in Leipzig über 160 Menschen zusätzlich mit dem Coronavirus anstecken.
"Veranstaltungen haben das Potenzial, die Pandemie anzufeuern. Aber wenn Hygienekonzepte eingehalten werden, ist das Risiko sehr gering", sagte Rafael Mikolajczyk, Direktor des Instituts für Medizinische Epidemiologie in Halle.
Die Forscher sprachen am Donnerstag Handlungsempfehlungen aus, unter denen Veranstaltungen trotz Corona-Pandemie stattfinden könnten. Sie schlugen ein Investitionsprogramm von Bund und Ländern vor, um Hallen mit einer adäquaten Belüftungstechnik auszustatten, sowie die Säle nicht voll auszulasten. Bei einer Inzidenz von unter 50 sei eine Auslastung von 50 Prozent denkbar, darüber sollte die Zahl der Zuschauer auf 25 Prozent gesenkt werden. Zudem empfahlen sie eine Maskenpflicht am Platz. Konzerte sollten nur im Sitzen stattfinden.