Trotz ihrer umstrittenen Wirksamkeit im Zusammenhang mit Coronavirus-Infektionen empfiehlt Brasiliens Regierung die Wirkstoffe Hydroxychloroquin und Chloroquin nun offiziell zur Behandlung selbst leichter und mittelschwerer Fälle der Lungenkrankheit Covid-19. Wie aus am Mittwoch veröffentlichten Richtlinien des Gesundheitsministeriums hervorgeht, sollen brasilianische Ärzte die Malaria-Medikamente künftig bereits beim ersten Auftreten von Corona-Symptomen verschreiben. Die Zahl der täglichen Corona-Toten erreichte derweil sowohl in Brasilien als auch in Chile einen neuen Höchststand.
Beide Medikamente dürften bei den ersten Anzeichen von Symptomen mit Zustimmung des Arztes sowie des Patienten eingenommen werden, hieß es in dem Dokument des brasilianischen Gesundheitsministeriums weiter. Die Patienten müssten eine Erklärung unterschreiben, in der sie bestätigen, dass sie über mögliche Nebenwirkungen einschließlich Herz- und Leberproblemen sowie Schäden an der Netzhaut informiert wurden.
Das brasilianische Gesundheitsministerium erklärte, es gebe "keine Garantie für ein positives Behandlungsergebnis" und Chloroquin könne "ernste" Nebenwirkungen verursachen, die zu "schwerwiegendem Organversagen" sowie "Tod" führen könnten. Bislang war eine Behandlung mit den Malaria-Mitten nur für schwer erkrankte Corona-Patienten empfohlen worden.
Dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro wird vorgeworfen, die Corona-Krise in seinem Land herunterzuspielen. Die durch das neuartige Coronavirus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 bezeichnete der ultrarechte Staatschef in der Vergangenheit als "kleine Grippe". Bolsonaro pries - wie sein US-Amtskollege Donald Trump - die Wirkstoffe Chloroquin und Hydroxychloroquin immer wieder als mögliche Wundermittel an. Die Wirkung der beiden Mittel gegen Covid-19 ist aber umstritten.
Hydroxychloroquin und der verwandte Wirkstoff Chloroquin werden seit Langem als Mittel gegen Malaria-Infektionen eingesetzt. Insbesondere Chloroquin hat zahlreiche Nebenwirkungen wie zum Beispiel Übelkeit, Erbrechen, Hautausschläge, aber auch neurologische, kardiologische und Sehstörungen.
Hydroxychloroquin ist besser verträglich und wird auch als Mittel gegen rheumatische Erkrankungen, Hauttuberkulose und die Autoimmunerkrankung Lupus eingesetzt.
Wegen Meinungsverschiedenheiten mit Bolsonaro über den Umgang mit der Pandemie schieden in den vergangenen Wochen bereits zwei Gesundheitsminister aus dem Kabinett aus. Der Arzt Nelson Teich hatte am Freitag nach weniger als einem Monat seinen Rücktritt eingereicht - er soll nicht mit dem Einsatz von Chloroquin bei Corona-Patienten einverstanden gewesen sein.
Brasilien ist das am stärksten von der Pandemie betroffene Land Südamerikas. Bislang wurden dort offiziell mehr als 271.000 Corona-Infektionen bestätigt, fast 18.000 Menschen starben an Covid-19. Bei den Infektionszahlen liegt das Land weltweit inzwischen auf dem dritten Rang hinter den USA und Russland.
Nach Schätzungen von Experten könnten die Infektionszahlen um das 15-fache höher sein als offiziell erfasst, da vergleichsweise wenig getestet wird. Experten erwarten zudem, dass der Höhepunkt der Ausbreitung des neuartigen Virus in Brasilien erst im Juni erreicht wird. Am Dienstag verzeichneten die brasilianischen Behörden mit 1179 Todesfällen erstmals mehr als tausend Tote innerhalb von 24 Stunden.
Auch in Chile wurde am Dienstag die bislang höchste Zahl an Corona-Todesfällen und Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden registriert. 3520 Menschen hätten sich neu angesteckt, 31 Erkrankte seien gestorben, teilte das Gesundheitsministerium mit. Seit den ersten Corona-Fällen in Chile Anfang März gab es damit laut den offiziellen Statistiken fast 50.000 Infektionen und mehr als 500 Todesfälle.
Nach Plünderungen und gewaltsamen Protesten rückte Chiles Armee in ein Armenviertel der Hauptstadt Santiago de Chile ein, um Einsatzkräfte der Polizei zu unterstützen. Soldaten mit Maschinengewehren patrouillierten im Stadtteil El Bosque, wo es bei Protesten gegen die Corona-Ausgangssperre Zusammenstöße von Demonstranten und der Polizei gegeben hatte.
In Santiago gilt seit Freitag eine strikte Ausgangssperre, um die rasante Ausbreitung des neuartigen Coronavirus einzudämmen. In Mittelklasse- und Arbeitervierteln, wo viele Menschen ihre Arbeit verloren haben, gab es am Montag lautstarke Kundgebungen gegen die Maßnahmen.