(C) Shotshop

Mit fast 2400 neuen Fällen pro Jahr in Luxemburg und einem Viertel der Todesfälle, bleibt Krebs eine der Hauptbelastungen für die Gesundheit der Luxemburger Bevölkerung, sowohl was die Kosten für die Gesundheitskasse als auch das persönliche Leid für Patienten betrifft.

Der menschliche Körper besteht aus geschätzten 10 Billionen individuellen Zellen, von denen jede eine bestimmte Funktion erfüllt. Diese vereinen sich um die verschiedenen Gewebe und Organe zu bilden. Das meiste Gewebe regeneriert sich – alte Zellen sterben ab und neue werden durch den streng regulierten Prozess der Zellteilung geboren. Wenn etwas bei dieser Regulierung in einer einzigen Zelle schief geht, beginnt diese sich unkontrolliert zu vermehren, was zur Bildung eines Tumors führt.

Wie alle anderen Vorgänge in unseren Zellen, wird auch die Zellteilung von unseren Genen (dem Code, der Zellen sagt was zu tun ist) und unseren Proteinen (welche die Befehle der Gene ausführen) kontrolliert. Hochentwickelt wie sie sind, verlassen sich unsere Zellen dabei aber nicht auf ein einziges Gen oder Protein. Vielmehr benutzen sie eine ganze Reihe von Genen und Proteinen, die in einem komplexen Netzwerk zusammenarbeiten. Auch wenn diese Funktionsweise eine gewisse Sicherheit mit sich bringt, ist somit doch eine Großzahl von Molekülen anfällig für Fehlfunktionen, mit verheerenden Folgen.

Es gibt nicht nur den einen Krebs

Durch die Entdeckung von immer mehr Genen und Proteinen, welche eine Rolle bei der Krebsentwicklung spielen, wurde Wissenschaftlern bewusst, dass unterschiedliche Patienten wahrscheinlich auch unterschiedliche Fehlfunktionen in ihren Zellen haben. Früher wurde angenommen, dass es für jedes Organ eine bestimmte Art Krebs gibt. Dann fanden Forscher heraus, dass es wegen der verschiedenen Arten von Zellen in jedem Organ, Untergruppen für jede Krebsart gibt. Heute wissen wir, dass jeder Patient einen leicht unterschiedlichen Krebs hat, da unterschiedliche Gene und Proteine mutiert oder fehlerhaft sein können. So kann z.B. eine bestimmte Genmutation einen Krebs aggressiver werden lassen, während andere Mutationen die Behandlung weniger wirksam machen. Die personalisierte Medizin war geboren. Diese relativ neue Einstellung zur Gesundheitsversorgung nutzt das Gen- und Proteinprofil eines Patienten um die Entscheidungen über Vorbeugung, Diagnose und Behandlung an dessen individuelle Bedürfnisse anzupassen.

Da immer mehr krebsverursachende Gene und Proteine entdeckt werden, eröffnen sich neue Möglichkeiten der gezielten Therapie.

Einige dieser personalisierten Behandlungen sind schon heute für Patienten zugänglich. Herceptin, zum Beispiel, greift gezielt bestimmt Proteine an, welche sich auf den Krebszellen von rund einem Viertel der Brustkrebspatienten befinden. Durch dieses Protein ist der Krebs dieser Patienten allgemein aggressiver und schlägt weniger gut auf traditionelle Hormonchemotherapie an. Obwohl das Medikament nur bei einem bestimmten Anteil der Patienten wirksam ist, bietet es diesen jedoch bessere Behandlungsmöglichkeiten und verbessert meist deren Chancen. Dank der personalierten Medizin können die Ärzte ihren Patienten unwirksame Behandlungen und unnötige Nebenwirkungen ersparen; darüberhinaus kann das Gesundheitsystem Kosten sparen.

Luxemburger Regierung investiert in personalisierte Medizin

Die Luxemburger Regierung hat erkannt wie vielversprechend personalisierte Medizin ist und sich entschlossen in diesem Bereich zu investieren, nicht zuletzt durch die Gründung des Personalised Medicine Consortium (PMC). Diese Initiative vereint Luxemburgs Mediziner, die IBBL (Integrated Biobank of Luxembourg), das CRP-Santé und die Universität Luxemburg, insbesondere das LCSB (Luxembourg Centre for Systems Biomedicine). Mitglieder des PMC arbeiten zurzeit an mehreren Projekten zur Verbesserung der Diagnose, Behandlung und Versorgung von Krebspatienten in Luxemburg.

Forschung an Lungenkrebs, Prostatakrebs, Nebenwirkungen von Chemotherapien...

Das Vorzeigeprojekt des PMC erforscht Lungenkrebs und wird von Dr Guy Berchem, Onkologe am Centre Hospitalier du Luxemburg (CHL) und Leiter der Abteilung für experimentelle Hämato-Onkologie am CRP-Santé geleitet. Bei dieser Studie werden die Überlebenschancen von Patienten bewertet, die eine individualisierte Behandlung erhalten, basierend auf bestimmten Mutationen.

2013 rief IBBL zwei neue Pilotprojekte im Rahmen des PMC ins Leben. Diese konzentrieren sich besonders auf eine direkte Verbesserung der Lebensqualität der Patienten. Für die erste neue Studie wurden, mit der Unterstützung der Luxemburger Urologen, über 100 Patienten mit Verdacht auf Prostatakrebs rekrutiert. Um derzeit Prostatakrebs endgültig zu diagnostizieren müssen sich Patienten einer, manchmal sogar mehrerer, Biopsien unterziehen. Mit dem Ziel dies zu vermeiden, sammelt die Biobank Blut-und Urinproben und führt einen neuen Diagnosetest durch. Dieser beruht auf der Präsenz eines krebsspezifischen Proteins im Urin.

Die zweite neue Studie, unter der Leitung von Dr. Stefan Rauh des Centre Hospitalier Emile Mayrisch (CHEM), wird von der Fondation Cancer und der IBBL kofinanziert. Ziel ist es hierbei die Nebenwirkungen von Chemotherapien besser zu überwachen und zu bewältigen. So benutzt die Hälfte der 120 Studienteilnehmer ein interaktives Bewertungsgerät, das ihnen hilft ihre Symptome zu bewerten, sie über ihre Medikamente und deren Nebenwirkungen aufklärt und sie gegebenenfalls auffordert Kontakt mit ihrem Arzt oder Krankhaus aufzunehmen.

Um für die künftigen Generationen Krebsbehandlung und Pflege wesentlich zu verbessern, müssen Mediziner, Forscher, Politiker und die Öffentlichkeit weiterhin zusammen arbeiten und Initiativen wie die Fondation Cancer, die Biobank und das PMC unterstützen.

Autor: IBBL
Foto © Shotshop.com

 

Infobox

IBBL (Integrated Biobank of Luxembourg)

 

IBBL (Integrated Biobank of Luxembourg) ist eine unabhängige, gemeinnützige Biobank deren Aufgabe es ist die Entwicklung einer fortschrittlichen medizinischen Forschung zu erleichtern und einen Beitrag zur Einführung einer neuen Generation von Gesundheitsversorgung in Luxemburg zu leisten. IBBL sammelt, lagert und analysiert biologische Proben und damit verbundene Daten, um diese Forschungsinstituten zur Verfügung zu stellen, die sich mit neuen Behandlungs- und Diagnostikmethoden beschäftigen. Weitere Informationen auf: www.ibbl.lu

 

Über das ‘Personalised Medicine Consortium’

 

Das ‘Personalised Medicine Consortium’ (PMC) in Luxemburg ist eine ehrgeizige Initiative, deren Ziel es ist, Forschung zu fördern und Luxemburg führend in der Anwendung von personalisierter Medizin im nationalen Gesundheitssystem zu machen. Es handelt sich um eine Zusammenarbeit zwischen IBBL (Integrated BioBank of Luxembourg), dem LCSB (Luxembourg Centre for Systems Biomedicine) an der Université du Luxembourg und dem Centre de Recherche Publique Santé (CRP-Santé). Das PMC konzentriert sich anfänglich auf drei therapeutische Gebiete, in denen Luxemburg in der Lage ist die Wissenschaft voranzutreiben und Potential besteht, Einfluss auf die Morbidität und Mortalität der folgenden Krankheiten auszuüben : Krebs, Diabetes und Parkinson. Das PMC sieht ebenfalls den Start einer nationalen Bevölkerungsstudie vor.

Weitere Informationen.
 

 

Kontakt

 

Arnaud d’Agostini (Marketing & Communication Manager)
Sarah Weiler (Science Communication Officer)

IBBL (Integrated BioBank of Luxembourg)
6 rue Nicolas Ernest Barblé
L-1210 Luxembourg
E-mail: communications@ibbl.lu
Web: www.ibbl.lu

 

Science-Check Sind Antibiotikaresistenzen in Luxemburg unter Kontrolle?

Der übermäßige Gebrauch von Antibiotika hat zu einer besorgniserregenden Zunahme resistenter Bakterien geführt. Haben di...

FNR
Porträt „Eine Errungenschaft für Luxemburg und unsere Forschungsgruppe“

Wissenschaftler des Luxembourg Institute of Health (LIH) wurden mit einem Prix Galien für ihren herausragenden Beitrag z...

LIH
Highly Cited Researchers Immer wieder gerne zitiert: Die multidisziplinäre Arbeit von Stéphane Bordas

Es gibt Wissenschaftler, auf deren Arbeiten in Publikationen besonders häufig Bezug genommen wird. Uni-Professor Stéphan...

Auch in dieser Rubrik

Handy in Schule
Screentime Smartphone-Verbot in Schulen: Was ist der Stand der Wissenschaft?

Sollen Sekundarschulen Handys in Klassenraum und Pausenhof verbieten oder nicht? Das diskutieren Eltern, Lehrer, Schüler und Politik in Luxemburg und weltweit. Ein Blick auf den Stand der Forschung.

Demenzerkrankungen Alzheimer: Wo steht die Wissenschaft?

Sie beginnt schleichend und ist bisher nicht heilbar: die Alzheimer-Krankheit. Prof. Dr. Michael Heneka, Direktor des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine, über Forschungsstand und Therapien.

Nobel Prize in Medicine 2024 Research in Luxembourg on the topic of microRNAs

Dr. Yvan Devaux from LIH works on the theme of the Nobel Prize awarded today to two American researchers for their work on microRNAs. He explains the importance of the discovery and his own research....

LIH
Sportwissenschaft Wie können Spitzensportler ihre Leistung steigern?

Es geht auch ohne verbotene leistungssteigernde Medikamente – z. B. mit Hitze, Kälte und Höhe. Frédéric Margue erklärt, wie ein Team am LIHPS Spitzensportler aus Luxemburg unterstützt.