(C) Barbara Glaser
Dieser Artikel wurde im Rahmen des science.lu-Journalismus-Wettbewerbs 2017 verfasst. Barbara Glaser erhielt für ihren Beitrag den 1. Preis.
Luxemburger Forscher machen mit Wärmebildkameras Überflutungsvorgänge sichtbar - und helfen damit Flächen auszumachen, die besonders anfällig für Überflutungen sind
Sind sie beim sonntäglichen Waldspaziergang schon einmal plötzlich einer Kamera gegenüber gestanden? Einer fest installierten Kamera, nicht der Kamera Ihrer Freunde oder Verwandten? Im Westen Luxemburgs kann einem dies seit ein paar Monaten passieren. Es handelt sich dabei keineswegs - wie man vielleicht erwarten würde - um Wildkameras, sondern um Wärmebildkameras, die auf einen kleinen Bach gerichtet sind. Alle 15 Minuten wird automatisch ein Bild von Bach und Uferzone aufgenommen. Diese Bilder zeigen, wann, wie schnell und wo sich Wasser an der Oberfläche ansammelt, wenn es regnet.
Das liefert detaillierte Kenntnisse darüber, welche lokalen Stellen besonders anfällig für Überflutungen sind, und welche trocken bleiben. Eine Berücksichtigung solch lokaler Gegebenheiten lässt bei Hochwasservorhersagen und -schutzmaßnahmen oft zu wünschen übrig, meist aus Unkenntnis. Dabei ist es auch lokal sinnvoll, besonders gefährdete Gebiete unter besonderen Schutz zu stellen. Zum Beispiel sollten gefährdetere Flächen weniger intensiv gedüngt werden, um bei einem Hochwasser Beeinträchtigungen der Wasserqualität zu vermeiden.
Zudem helfen detaillierte Informationen über Überflutungsflächen, ihre Entstehung besser zu verstehen, und damit Vorhersagemodelle zu verbessern. Momentan werden Vorhersagemodelle meist aus beobachteten Beziehungen zwischen Regenmengen und Pegelständen einzelner Messstellen hergeleitet. Das vernachlässigt aber lokale Unterschiede und Veränderungen der Bebauung, Bewirtschaftung und des Klimas. Versteht man die Entstehungsprozesse von Überflutungsgebieten, kann man diese in den Vorhersagemodellen berücksichtigen und muss sich damit nicht rein auf historische Daten weniger Messstellen verlassen.
Warum werden Wärmebilder verwendet?
Man mag sich fragen, warum gerade Wärmebilder benutzt werden, um die Überflutungsvorgänge zu untersuchen. Man könnte doch einfach normale Videos aufnehmen. Oder man könnte Leute mit Ortskenntnis zu ihrer Erfahrung befragen - Anwohner, Landwirte, Förster. In der Tat beschäftigen sich Wissenschaftler seit Jahrzenten mit der Suche nach der besten Methode für die Kartierung von Überschwemmungsgebieten. Häufig verwendete Methoden reichen von einfachen Begehungen über Untersuchungen des Pflanzenbewuchs bis hin zur Berechnung von Indizes aus Satellitendaten.
Laut den Forschern vom Luxembourg Institute of Science and Technology, die hinter den Kameras im Wald stecken, haben die Wärmebilder aber klare Vorteile gegenüber den anderen Methoden. Sie können für sämtliche räumliche Ausdehnungen - von wenigen Zentimetern bis zu mehreren Kilometern - und für alle,insbesondere kurze, Zeitabstände verwendet werden. Die Überschwemmungsgebiete sind auf den Bildern ohne eine weitere Aufbereitung sehr leicht für jeden zu erkennen. Und die Bilder können gleichzeitig auch noch Aufschluss darüber geben, woher das Wasser der überschwemmten Flächen stammt, insbesondere ob es aus dem Boden oder dem Fließgewässer kommt.
Wie funktioniert die Auswertung der Wärmebilder genau?
Dazu muss man das Prinzip verstehen, das der Verwendung der Wärmebilder zu Grunde liegt. Wasser hat in der Regel eine andere Temperatur als seine Umgebung. Dies liegt daran, dass die Fähigkeit des Wassers Wärme aufzunehmen und zu speichern anders ist, als etwa die des Bodens, der Steine oder Pflanzen. Zudem kann Wasser unterschiedlichen Ursprungs unterschiedliche Temperaturen haben, zum Beispiel ist austretendes Grundwasser im Sommer deutlich kälter als ein Fließgewässer. Diese verschiedenen Temperaturen sind auf den Wärmebildern durch unterschiedliche Farben dargestellt.
Im Prinzip muss man dann nur wissen, welchen Farben Wasser entspricht (im gezeigten Bild sind dies Weiß, Gelb und Orange), und die Überschwemmungsgebiete können auf den Bildern manuell identifiziert und analysiert werden. In der Wissenschaft ist man aber stets bestrebt, objektive und vergleichbare Daten zu erhalten. Das wäre in diesem Fall ein Bild, das nur noch die Überschemmungsgebiete zeigt - ohne deren Umgebung, und das über eine objektive, für jeden reproduzierbare Methode erzeugt wurde. Die Luxemburger Wissenschaftler arbeiten momentan noch daran, eine solche Methode für die Bildbearbeitung zu entwickeln.
Die bisher getesteten Bildbearbeitungsverfahren haben noch keine zufriedenstellenden Ergebnisse geliefert. Die Forscher sind aber überzeugt davon, dass sich ein gutes Verfahren entwickeln lassen wird. Und selbst ohne ein objektives Bearbeitungsverfahren sind die Wärmebilder in der Wissenschaftsgemeinde bereits mit viel Interesse aufgenommen worden. Falls auch Sie die Bilder spannend finden, dann machen Sie sich beim nächsten Waldspaziergang auf die Suche nach einer der Wärmebildkameras und stellen Sie sich 15 Minuten davor, vielleicht freuen sich die Forscher über diese Interessensbekundung.
Über Barbara Glaser
Barbara Glaser lebt seit zweit Jahren in Luxemburg und arbeitet am Luxembourg Institute of Science and Technology in der Wasserabteilung an ihrer Doktorarbeit. Sie ist an der Universität Bayreuth, an der sie zuvor im Bachelor und Master Geoökologie studiert hat, als Promotionsstudentin eingeschrieben. Der Artikel beschäftigt sich mit einem Teilaspekt aus ihrem Promotionsprojekt und basiert auf Arbeiten die sie und Kollegen innerhalb der letzten Jahre durchgeführt haben und momentan durchführen.
Autor : Barbara Glaser
Foto : So bunt kann ein Überschwemmungsgebiet aussehen wenn es mit einer Wärmebildkamera fotografiert wird. Oben sieht man ein normales Foto von einer überschemmten Fläche, unten das entsprechende Wärmebild. Das Wasser (weiß-gelb-orange) ist in diesem Fall wärmer als die Umgebung (rot-violett-schwarz) und durch die Temperatur- bzw. Farbunterschiede sind überflutete Stellen leicht zu erkennen. (C) Barbara Glaser
science.lu-Journalism-Contest
science.lu organisierte einen Wissenschaftsjournalismus-Wettbewerb für Forscher, um Wissenschaftskommunikation innerhalb der Forschergemeinschaft zu fördern. Hier sind die Gewinner von 2017:
1. Preis: Martha Elwenspoek für ihren Artikel "Stress & Health: How a stressful childhood can cause disease" und Barbara Glaser
2. Preis: Alessandro Decarli für seinen Artikel "Attachment between parents and children: From the cradle to ... parenthood"
3. Preis: Christophe Theiß für seinen Artikel "McGyver-Wëssenschaft: Eng Kaffiskan als Detektor fir Weltraum-Deelercher"