(C) Paul Foguenne, CHL
Was für die Astronomie das Teleskop ist, ist für die Chirurgie das Arthroskop. Denn beide Geräte ermöglichen dem Anwender eine neue Sichtweise. Der Unterschied ist allerdings der, dass mit Hilfe des Teleskops lediglich die Entfernung zwischen dem Betrachter und den Sternen optisch verkürzt wird, wohingegen das Arthroskop dazu dient, etwas zu sehen, was eigentlich im Verborgenen liegt.
Das Arthroskop ist eine Kombination aus Kamera und Lichtquelle mit einem Durchmesser von nur wenigen Millimetern. Wenn also beispielsweise in eine Verletzung am Kniegelenk vorliegt, so kann der Chirurg durch ein kleines Loch in dieses Gelenk blicken, ohne das Knie komplett aufschneiden zu müssen. Und nicht nur das. „Die Arthroskopie gestattet die Erkennung von neuen Krankheitsbildern und in einigen Fällen sogar Behandlungen, die in der offenen Chirurgie gar nicht möglich wären“, sagt Prof. Romain Seil, Leiter der Abteilung für orthopädische Chirurgie am Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL).
Weniger Schmerzen und kürzere Krankenhausaufenthalte
Weitere Vorteile der Arthroskopie sind laut Seil geringere Schmerzen, weniger Komplikationen, kürzere Krankenhausaufenthalte und kleinere Narben. Denn in der Regel benötigt man nur zwei kleine Löcher: eines für das Arthroskop und ein weiteres für das Werkzeug, um die Behandlung durchzuführen. Weil dadurch die Verletzungen an Haut und Gewebe deutlich geringer sind als bei offenen Operationen, spricht man hierbei von minimalinvasiven Einsätzen.
Allerdings habe die Arthroskopie auch Nachteile, räumt der Chirurg ein. Nicht selten dauere eine Operation länger als bei offenen Eingriffen. Vor allem dann, wenn der Operateur sich noch in der Lernphase befände, erklärt der Mediziner. Denn die aufwendigen, arthroskopischen Eingriffe seien sehr schwer zu erlernen und erforderten eine langjährige Erfahrung.
Seil hat diese Erfahrung. Er ist seit mehr als zehn Jahren am CHL tätig, wo es allein schon in den Abteilungen Orthopädie und Traumatologie jährlich zu rund 3000 chirurgischen Eingriffen kommt. Der Chirurg schätzt, dass davon rund die Hälfte arthroskopisch oder zumindest arthroskopisch assistiert ist. Am häufigsten sind Eingriffe an Knie- und Schultergelenk, in vielen Fällen sind es aber auch Operationen an Hüfte-, Sprung-, Hand- und Ellenbogengelenk.
Luxemburger Fachabteilung genießt weltweites Ansehen
Bevor Romain Seil am CHL angefangen hat, war er bereits Komiteevorsitzender des Arthroskopie-Weltverbands ISAKOS (International Society of Arthroskopy, Knee Surgery and Orthopaedic Sports Medicine) und zudem Sekretär der europäischen Schwestergesellschaft ESSKA (European Society of Sports Traumatology, Knee Surgery and Arthroskopy). Letztere hat ihren Hauptsitz seit einigen Jahren im Großherzogtum - und das nicht ohne Grund.
„Luxemburg hat sich in den vergangenen zehn Jahren einen internationalen Namen auf dem Gebiet der Arthroskopie und minimalinvasiven Chirurgie machen können“, sagt Seil, der gemeinsam mit Kollegen konsequent an der Weiterentwicklung der Techniken gearbeitet hat. So sei seine Abteilung mittlerweile anerkanntes Lehrzentrum der beiden Verbände ISAKOS und ESSKA, was zur Folge habe, dass in Luxemburg Fachärzte aus der ganzen Welt ausgebildet würden. Internationales Ansehen genießt die CHL-Abteilung laut Seil besonders wegen ihrer Kompetenzen auf dem Gebiet der Meniskus- und Kreuzbandoperationen – und das vor allem bei der Behandlung von Kindern.
Größter Medizinkongress des Landes
Was in Luxemburg auf dem Gebiet der Arthroskopie möglich ist, hat Seil jedoch bislang nicht nur auf dem OP-Tisch oder aber in wissenschaftlichen Beiträgen für internationale Fachmagazine unter Beweis gestellt, sondern im Dezember 2014 auch auf dem Kirchberg. Dort nämlich hat der Chirurg in den Luxexpo-Hallen gemeinsam mit dem Luxembourg Institute of Health (ehemals CRP-Santé) den Jahreskongress der Französischen Arthroskopiegesellschaft (SFA) organisiert.
Es war das erste Mal, dass dieser Kongress außerhalb von Frankreich veranstaltet wurde. „Und man ging allgemein davon aus, dass der Kongress von 200 bis 300 Teilnehmern weniger als im vergangenen Jahr in Bordeaux besucht werden würde“, sagt Seil. Am Ende kamen weit mehr als 1500 Teilnehmer auf den Kirchberg. Für die SFA war das ein neuer Rekord. Für Luxemburg übrigens auch. Denn nie zuvor hat es hierzulande einen derart großen Medizinkongress gegeben.
Autor: Uwe Hentschel
Foto © Paul Foguenne, CHL
Infobox
Rund sechs Jahre hat die Organisation des ersten SFA-Jahreskongresses außerhalb Frankreichs gedauert. Drei Jahre hat Romain Seil als Hauptorganisator allein benötigt, um die SFA von Luxemburg als Austragungsort zu überzeugen, drei weitere Jahre, um ein Finanzierungsmodell zu erarbeiten. Unter den 1550 internationalen Teilnehmern der Veranstaltung waren auch 150 luxemburgische Orthopäden, Physiotherapeuten, Forscher und Krankenpfleger. Der Preis für den besten wissenschaftlichen Vortrag ging übrigens auch an eine Luxemburgerin, an Caroline Mouton vom Luxembourg Institute of Health (LIH). Sie präsentierte die Ergebnisse einer Arbeit, die am Centre Hospitalier de Luxembourg und am LIH in Kooperation mit der Uni Luxemburg durchgeführt wurde.