Über die gesellschaftliche Bedeutung von Literatur lässt sich streiten. Fest steht: Menschen lesen, Menschen gehen ins Theater – und sehen immer mal wieder gerne etwas Neues. Allein das ist Legitimation genug für literarische Forschung – wie Marc Rettel sie betreibt.
„Ja sicher, Eugène Ionesco gehört im Moment nicht zu den Trendautoren.“ Marc Rettel macht keinen Hehl daraus, dass das Thema seiner Doktorarbeit, die er gerade an der Universität im elsässischen Mulhouse anfertigt, auf den ersten Blick verblüffen mag.
Umso mehr, als er sich mit den unbekannteren Werken des in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts populären französischen Autors rumänischer Herkunft auseinandersetzt. Aber gerade darin – im unbekannten Terrain - sieht der 28jährige Luxemburger den Reiz seiner täglichen Forschungsarbeit.
Ionescos Konzept: Bruch mit den Traditionen
„Was mich an Ionesco reizt, ist sein Erzählkonzept, auch und vor allem auf der Theaterbühne“, so Marc Rettel. Den Wert dieses Konzeptes für das Theater von heute zu benennen, ist eines der Ziele von Marc Rettel. Dabei legt er Wert auf die Abgrenzung Ionescos von Bertold Brecht, der gemeinhin als Theater-Reformer schlechthin gilt.
Brecht, so Marc Rettel, sei stark belehrend und habe bewusst entdramatisiert - episch eben -, Ionesco hingegen erzähle Anekdoten und übertrage Themen seiner Zeit ins Absurde. Dieses anekdotische Element zeige sich bei den Romanen und Novellen ebenso wie bei den Opernlibretti oder den Ballettszenarien.
Hauptaugenmerk von Marc Rettel liegt auf dem Theater
„Auf der Bühne wird Literatur sichtbar und greifbar, wird aus der reinen Textvorlage eine erlebbare Umsetzung, die an die jeweilige Zeit adaptiert wird.“ Das Theater, so der Romanist weiter, verhelfe literarischen Vorlagen zu Aktualität, lasse diese sich weiter entwickeln.
Das gelte für Texte, die für die Bühne geschrieben sind, aber auch zum Beispiel für Romane, die dramatisch umgesetzt werden - wobei letzteres ein aktueller Trend sei. Marc Rettel hierzu: „Eine Frage, die mich beschäftigt, ist die nach der wachsenden Beliebtheit von auf epischen Texten basierenden Theaterstücken.“
Vermittlung von Literatur und Theater als Lebensziel
Antworten hierauf sucht Marc Rettel nicht nur im Rahmen seiner akademischen Arbeit rund um Ionesco, sondern auch in der Praxis. Neben seiner Dissertation widmet er einen Großteil seiner Zeit der Vermittlung von Literatur. So arbeitet er als Regieassistent, Regisseur beziehungsweise Dramaturg an verschiedenen Theatern im Großherzogtum; darüber hinaus ist er kulturjournalistisch tätig.
Bahnt sich hier bereits eine spätere Karriere an? Dagegen einzuwenden hätte Marc Rettel in jedem Falle nichts: „Nach dem Abschluss meiner Doktorarbeit dem Thema Theater oder Literatur verbunden zu bleiben, ist natürlich mein Ziel.“ Schließlich gehe es nicht um „art pour l’art“, sondern darum, Kunst zu vermitteln, Literatur erlebbar zu machen.
Autor: Sven Hauser
Infobox
Literatur geht mit der Zeit, entwickelt sich stetig weiter. Darüber, wie der französische Autor Eugène Ionesco erzählerische Prinzipien – vor allem für die Theaterbühne verändert hat – schreibt der Literaturwissenschaftler Marc Rettel gerade seine Doktorarbeit an der Universität Mulhouse.