(C) Uwe Hentschel

Pascal Brinks hat untersucht, wo bei der Bewertung der Gesamtenergieeffizienz von Industriegebäuden die Schwachstellen sind, und darauf aufbauend dann ein mathematisches Modell entwickelt

Bei einer Suppe ist das kein Problem: Benötigt man die doppelte Menge an Portionen, so nimmt man dafür einfach die doppelte Menge an Zutaten. Und wenn es  zehnmal so viele Portionen sein müssen, dann nimmt man eben die zehnfache Menge. Dieses Prinzip der Proportionalität lässt sich auf viele Anwendungsbereiche übertragen. Aber eben nicht auf alle. Und Pascal Brinks kennt sich auf einem Gebiet, wo letzteres der Fall ist, besonders gut aus.

Der 35-Jährige hat sich im Rahmen seiner Doktorarbeit mit Nearly-Zero-Energy Industrial Buildings befasst, also mit Industriegebäuden, bei denen der Energieverbrauch möglichst gering ist beziehungsweise sein soll. Würde man bei der Planung dieser Hallen den gleichen Ansatz verfolgen wie in der Großküche, so müsste man man einfach nur den Aufwand zur Energieeinsparung bei Wohnhäusern auf die Größe der Industriehallen hochrechnen. Das jedoch ist laut Brinks der falsche Ansatz.

Dämmung: Manchmal ist weniger mehr

Es fängt schon bei der Bodenplatte an, wie der Bauphysiker erklärt. Bei einem modernen Wohnhaus liegt die Bodenplatte in der Regel auf einer gleichmäßig dicken Dämmung. Diese verhindert, dass Wärme über das Erdreich nach außen transportiert wird. Bei einer großen Bodenplatte jedoch bringe es nicht viel, in der Mitte genauso dick wie am Rand zu dämmen, sagt Brinks, da das Erdreich darunter im Winter deutlich wärmer sei als unter den Randbereichen der Bodenplatte. In der Mitte sei es dann aus energetischer Sicht sogar unter Umständen sinnvoller, auf die Dämmung komplett zu verzichten.

„Ein weiteres Problem ist, dass Industriegebäude völlig anders genutzt werden als Wohngebäude“, erklärt er. Wenn beispielsweise in einer Halle Maschinen stünden, die viel Abwärme produzierten, so müsse das bei der Planung berücksichtigt werden, sagt der Forscher.

Nearly-Zero-Energy Buildings: Mathematisches Modell ermittelt Schwachstellen

Brinks hat untersucht, wo bei der Bewertung der Gesamtenergieeffizienz von Industriegebäuden die Schwachstellen sind, und darauf aufbauend dann ein mathematisches Modell entwickelt. Mit dessen Hilfe lassen sich mögliche Energieverluste im Vorfeld besser ermitteln. Von besonderer Bedeutung sind dabei unter anderem die unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten der Bauteile, die zu so genannten Wärmebrücken und damit auch Energieverlust führen.

„Im Stahlbau gibt es viele Wärmebrücken“, sagt der Bauphysiker, „und das macht es kompliziert.“ Dafür aber seien die Forschungspotenziale auch deutlich größer, fügt er hinzu. Denn bislang habe man sich bei den Nearly-Zero-Energy Buildings fast ausschließlich auf Wohn- oder öffentlich genutzte Gebäude konzentriert. Im Bereich der Energieeffizienz von Industriegebäuden jedoch sei bislang nur wenig geforscht worden, erklärt Brinks. Und genau das habe ihn bei seiner Doktorarbeit gereizt.

Akademischer Forschungsansatz mit viel Praxisbezug

Brinks hätte seine Promotion als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Uni absolvieren können. Doch der Bauingenieur hat einen Weg zwischen Akademie und Industrie gewählt. Betreut wurde seine Doktorarbeit zwar von einem Professor der Technischen Universität Kaiserslautern, die meiste Zeit verbracht hat der Doktorand jedoch bei der luxemburgischen Firma Astron, einem auf Industriehallen spezialisierten Unternehmen der Firmengruppe Lindab. Dort ist er nach wie vor tätig und dort kommen die von ihm gewonnen Forschungsergebnisse auch zum Einsatz.

Für den 35-Jährigen war die private-öffentliche Partnerschaft der beste Weg. „Der Praxisbezug ist ein riesiger Vorteil“, sagt Brinks. „Ich konnte bei Lindab all meine Forschungsergebnisse auf Herz und Nieren prüfen“, erklärt er, was bei einer Promotion ausschließlich an der Uni so nicht funktioniert hätte.

Unterstützt wurde der Doktorand durch ein Stipendium des FNR. „Das war im Vorfeld zunächst viel Arbeit, weil ich ein aufwendiges Exposé erstellen musste“, sagt Brinks. Auf der anderen Seite habe ihn der FNR aber sehr unbürokratisch unterstützt. „Ich hatte ein Budget für Fortbildungen und Konferenzen, das ich mir frei einteilen konnte“, erklärt er. So konnte Brinks seine Erfahrungen und Erkenntnisse also nicht nur in großen Hallen, sondern auch im Ausland sammeln.

Autor: Uwe Hentschel
Foto: Uwe Hentschel

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