(C) Uwe Hentschel
„Die Arnika liegt uns sehr am Herzen“, sagt Guy Colling. Er ist Botaniker am Nationalen Museum für Naturkunde in Luxemburg. Und seltene Pflanzen wie die Heilpflanze Arnika sind sein Spezialgebiet. Nicht zuletzt deshalb hat er sich darüber gefreut, dass das Arnika-Experiment im Jahr 2000 geglückt ist. Damals nämlich wurden in der Nähe von Wilwerdange, wo die Arnika bereits in kleinen Mengen vorkam, 600 weitere Exemplare gepflanzt. Und das mit Erfolg, wie Colling erklärt. „Wir haben dort mittlerweile die größte Arnikapopulation.“
Ein ähnliches Experiment wurde drei Jahre später in Hosingen gestartet. Im Jahr 2003, dem Jahr, das Biologen vor allem aufgrund des heißen Sommers im Gedächtnis bleibt. Von den Arnika hat so gut wie keine einzige überlebt. „Ein einziger Sommer mit drei Wochen Brutaltemperatur reicht aus, um alles zu zerstören“, sagt Colling. „Es sind vor allem die Wetterextreme, die den Pflanzen zu schaffen machen.“
Seltene Pflanzen haben mit Klimawandel besonders zu kämpfen
Dass die Arnika den Sommer 2003 nicht überlebt haben, lag an der anhaltenden Hitze und der Trockenheit. Dass sie mit klimatischen Veränderungen jedoch generell ein Problem haben, liegt daran, dass die Arnika im Grunde alle Eigenschaften vereint, die von Nachteil sind, wenn man auf einen Klimawandel angemessen reagieren möchte. Ihr Lebensraum ist - vor allem in Luxemburg, wo der Bestand vom Aussterben bedroht ist - zu klein, genau wie ihre Population. Weshalb die Heilpflanze nur schwer in der Lage ist, sich genetisch den Klimaveränderungen anzupassen. Zudem wird die Arnika mehrere Jahrzehnte alt. Bis die nachfolgenden Generationen durch genetische Veränderungen reagieren, kann es also längst zu spät sein.
Bei Populationen einjähriger Pflanzen sei das etwas anderes, da diese sich genetisch sehr schnell verändern könnten, sagt Colling. Es gebe also durchaus Pflanzen, die in der Lage seien, auf klimatische Veränderungen zu reagiere. Vor diesem Hintergrund sei eine pauschale Einschätzung der Situation sehr schwierig. Unbestritten sei allerdings, dass seltene Arten besonders gefährdet sind. Für eine Anpassung brauche man eine Vielfalt an genetischem Material, erklärt der Botaniker. „Das Problem ist aber, dass die meisten Arten selten sind und nur in kleinen Populationen in wenigen Gebieten vorkommen.“
Radikale Methoden, um auf den Klimawandel zu reagieren
Eine Möglichkeit, der Natur ein wenig nachzuhelfen: die Pflanzen einfach dorthin umsiedeln, wo sie besser zurechtkommen. „In den USA gibt es einige Wissenschaftler, die radikale Methoden vorschlagen“, sagt Colling. „Dort erwägt man bereits, verschiedene, gefährdete Baumarten um ein paar hundert Kilometer nach Norden zu verschieben.“
Bäume haben es besonders schwer, mit dem Klimawandel Schritt zu halten - was mit den teilweise sehr langen Generationszeiten zu tun hat. Als Extrembeispiel dafür nennt der Botaniker die Kiefern in der Sierra Nevada in Kalifornien, die bis zu 4000 Jahre alt werden. Um einen Temperaturanstieg von einem Grad (Jahresmittelwert) auszugleichen, müsste eine Pflanzenart sich laut Colling 140 Kilometer nach Norden oder aber 170 Meter in die Höhe gehen. Für viele Pflanzenarten ist es jedoch sehr schwierig, größere Distanzen zu überwinden, da ihre Samen nicht weit verbreitet werden.
Die Größe des Samens beeinflusst die Mobilität der Pflanze
Eine Ausnahme bildeten hier Arten mit sehr kleinen Samen wie beispielsweise Orchideen, erklärt Colling. „Deren Staubsamen ist so fein ist, dass er allein durch die Thermik verbreitet werden kann.“ Und deshalb werde sogar vermutet, dass einige Orchideenarten nach der letzten Eiszeit vom Mittelmeerraum in Richtung Norden gewandert sind. Andere Arten, darunter auch die bekannte Heilpflanze Arnika, haben größere Samen und sind weit weniger mobil.
„Für Pflanzen gibt es theoretisch nur drei Möglichkeiten, um auf den Klimawandel zu reagieren“, resümiert Colling: „Entweder sie besiedeln neue Gebiete, die ihren klimatischen Ansprüchen gerecht werden, sie passen sich an die neuen Gegebenheiten an oder sie sterben aus.“ Dass das Verschieben von Bäumen oder Pflanzenarten die Lösung des Problems sei, daran habe er seine Zweifel. „Man kann es pessimistisch sehen und sagen, dass viele Pflanzenarten den Klimawandel nicht überleben werden. Oder man kann als Optimist darauf hoffen, dass die Evolution damit zurecht kommt, falls die nötige genetische Vielfalt erhalten bleibt“, sagt er. „Doch dass hier bei uns irgendwann Palmen wachsen werden, ist eher unwahrscheinlich.“
Autor: Uwe Hentschel
Foto: Uwe Hentschel