(C) Michel Brumat / Universität Luxemburg

"Es ist wichtig, dass die Patienten lernen, ihre Emotionen wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen", sagt Silke Rost, Psychologe an der Universität Luxemburg.

75 Millionen Europäer leiden unter chronischen Schmerzen. Die damit verbundenen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen erschweren das Leben erheblich.

In einer neuen Studie gingen Psychologen der Universitäten Luxemburg, Gent, Lillehammer und Melbourne der Frage nach, wie sich die Fähigkeit, Emotionen wie Angst, Traurigkeit oder Stress zu regulieren, auf das subjektive Schmerzempfinden auswirkt.  „Wir sind ständig dabei, unsere Emotionen zu regulieren. Die Grundannahme ist, dass alle Menschen über eine bestimmte Kapazität verfügen, wie sie ihren Emotionshaushalt steuern“, erklärt Prof. Claus Vögele, Leiter der Forschungsgruppe „Self-Regulation and Health“ an der Universität Luxembourg.

Für die Studie ließen die Wissenschaftler über zwei Wochen 74 chronische Schmerzpatienten ihre Emotionen und deren Variationen von Tag zu Tag in Tagebüchern dokumentieren. Daneben befragten sie die Patienten auch zu ihrer psychischen Befindlichkeit, dem täglichen Stressempfinden und inwieweit sie sich durch den Schmerz eingeschränkt fühlten.

Erhöhtes Risiko für ausgeprägte Beeinträchtigungen bei Menschen mit Stimmungsschwankungen

„Man kann sehr Unterschiedliches bei Menschen mit chronischen Schmerzen feststellen. Manche können voll ihrem Tagesgeschäft nachgehen, andere überhaupt nicht. Wichtig ist, dass nicht nur erfasst wird, wie stark der Schmerz empfunden wird, sondern auch welche Auswirkungen er auf der Verhaltensebene hat“, erläutert Silke Rost, Psychologin an der Universität Luxemburg und Erstautorin der Studie.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Patienten, die ihre negativen Emotionen wenig im Griff haben und dadurch starke Stimmungsschwankungen im Alltag erleben, ein erhöhtes Risiko für ausgeprägte Beeinträchtigungen im Alltag haben, wie beispielsweise körperliche Einschränkungen oder kognitive Beschwerden. Gemäß der Studie, die in der international renommierten Fachzeitschrift „Pain“ zur Publikation angenommen wurde, sind hingegen die Folgen des Schmerzerlebens bei Schmerzpatienten, die mit ihren Emotionen angemessen umgehen können, weniger schwerwiegend.

Einfluss auf tägliches Schmerzerleben durch richtigen Umgang mit Gefühlen

Zum ersten Mal wurde dieser Zusammenhang in einer wissenschaftlichen Studie untersucht. „Oftmals werden chronische Schmerzen ausschließlich aus medizinischer Sicht betrachtet. Wichtig ist es aber auch, dass Patienten lernen, ihre Gefühle wahrzunehmen und damit umzugehen. Dadurch gewinnen sie Einfluss auf ihr tägliches Schmerzerleben und können Einschränkungen sowohl auf körperlicher als auch auf psychischer Ebene reduzieren“, sagt Silke Rost.

Die Wissenschaftler empfehlen betroffenen Patienten deshalb eine psychologische Beratung, um Strategien und Möglichkeiten zu erlernen, mit ihren Emotionen umzugehen und somit ihr Schmerzerleben und die daraus resultierenden Einschränkungen zu vermindern. Um diese Zusammenhänge noch besser zu verstehen, möchten die Forscher weitere Untersuchungen mit Betroffenen in diesem Bereich durchführen. Langfristig sollen die Erkenntnisse helfen, Behandlungen für Patienten zu verbessern und neue Therapiekonzepte zu entwickeln. 

Mitteilung der Universität Luxemburg
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 © Michel Brumat / Universität Luxemburg

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Publikation

Eine Zusammenfassung der Studie ist auf der Online-Publikationsdatenbank der Uni Luxemburg zu lesen. 

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