(C) Jean-Paul Bertemes (science.lu)
Diese Erkenntnis ist allgemein gültig und unabhängig vom sozialwirtschaftlichen Status. Kinder mit Lernschwierigkeiten könnten demnach von Unterrichtsmethoden profitieren, die eine Überbeanspruchung des Arbeitsgedächtnisses verhindern. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Luxemburg und brasilianischer Partneruniversitäten*, die kürzlich in dem wissenschaftlichen Journal „Frontiers in Psychology“ veröffentlicht wurde.
Ähnliche Ergebnisse in Brasilien und englischsprachigem Raum
Die Studie wurde in Brasilien bei 106 Kindern im Alter von sechs bis acht Jahren aus unterschiedlichen sozialen Schichten durchgeführt. Die Hälfte von ihnen lebte unter der offiziellen Armutsgrenze. Ähnliche Studien wurden auch im englischsprachigen Raum gemacht und so war es spannend zu sehen, dass sich die Ergebnisse in der portugiesischsprachigen Gesellschaft Brasiliens mit ihren sozialen Ungleichheiten ähnelten.
Mit der Studie sollten die kognitiven Fähigkeiten, die für schulische Erfolge nötig sind, erforscht werden
Neben dem Intelligenzquotient der Kinder wurden auch sogenannte „exekutive Funktionen“ getestet, das heiβt kognitive Prozesse, mit denen wir unsere Gedanken und Handlungen zielgerecht steuern: etwa die Art und Weise, wie wir uns an Informationen erinnern, unsere Gefühle lenken, einer Sache Aufmerksamkeit schenken und zwischen Gedanken hin- und herwechseln.
Fertigkeiten eines Kindes hinsichtlich des Arbeitsgedächtnisses sagen Lernerfolge voraus - unabhangig vom IQ
Diese Ergebnisse wurden mit Lese-, Rechtschreib-, Mathematik-, Sprach- und naturwissenschaftlichen Kenntnissen verglichen. Sie zeigten, dass die Fertigkeiten eines Kindes hinsichtlich des Arbeitsgedächtnisses – also seine Fähigkeit, Informationen im Gedächtnis zu speichern und diese zu benutzen - Erfolge in allen Lernbereichen unabhängig vom IQ voraussagten. Zudem haben die meisten Kinder, die von ihren Lehrern als „schlechte Leser“ bezeichnet werden, Probleme mit ihrem Arbeitsgedächtnis.
Frühe Leistungskontrollen und Interventionen wichtig, um frühzeitig Kinder mit Problemen zu diagnostizieren
„Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, wie wichtig frühe Leistungskontrollen und Intervention sind, vor allem bei Kindern aus ärmlichen Verhältnissen. Zurzeit erkennen Lehrer Kinder mit begrenzter Kapazität des Arbeitsgedächtnisses nur sehr selten“, sagt Dr. Pascale Engel de Abreu, Projektleiterin und Professorin an der Universität Luxemburg.
„Geringe Lese- und Schreibkenntnisse, schlechte Schulnoten und ein Leben in Armut verstärken diesen Teufelskreis. Eine frühzeitige Identifizierung von Kindern mit Arbeitsgedächtnisproblemen kann diesen jedoch durchbrechen, und die Kinder können so die mentalen Mittel erwerben, die für schulische Erfolge nötig sind“, so Dr. Pascale Engel de Abreu weiter.
* Universidade Federal da Bahia (UFBA), Universidade Federal de São Paulo (UNIFESP), Universidade de São Paulo (USP)
Du willst mehr über die Forschung von Pascale Engel wissen? Klicke hier: http://langcog.uni.lu/
Foto © Jean-Paul Bertemes (science.lu)
Infobox
Der wissenschaftliche Artikel „Executive functioning and reading achievement in school: a study of Brazilian children assessed by their teachers as poor readers“ wurde in „Frontiers in Psychology“ veröffentlicht und ist hier abrufbar: http://orbilu.uni.lu/handle/10993/16964