(C) University of Luxembourg

Herr Ferring, als Entwicklungspsychologe untersuchen Sie den Prozess des Älterwerdens. Ab wann ist man alt?

Ein genaues Lebensalter kann man dafür nicht angeben. Es gibt 89jährige Marathonläufer genauso wie demente 55-Jährige. Viele würden sagen: "Wenn der Körper nicht mehr richtig arbeitet." Das ist aber zu einfach. Soziologisch muss man fragen, ab wann wir Menschen als alt definieren.

Früher war dies oft mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben verbunden, aber dieses Bild ändert sich stark. Weitere Dimensionen kommen hinzu: Wie gut funktioniert das Gedächtnis, wie gut bin ich gesellschaftlich und familiär eingebunden? Gerade diese Bindungen sind auch sehr wichtig, um glücklich zu altern.

Enge familiäre Bindungen sind heute schwieriger zu pflegen, als früher - die Gesellschaft wird immer mobiler. Wie lassen sich enge Bindungen über große Distanzen aufrechterhalten?

Moderne Informationstechnologien werden dabei eine wichtige Rolle spielen. Gerade die  Generation, die derzeit in den Ruhestand geht, beherrscht diese Technologien bemerkenswert gut.  Techniken wie Skype werden immer stärker genutzt werden. Schon heute treffen wir bei unseren Studien auf Menschen wie eine 79jährige Dame, die jeden Tag mit ihrem Enkel in New York skypt.  Das ist zwar nicht die Regel, zeigt aber doch die Entwicklung, die das ganze nimmt.

Wichtig ist aber auch: Beziehungen wachsen ein Leben lang und nur wenn sie ein Leben lang eng waren, werden sie das auch im Alter sein.

Dass auch sehr alte Menschen mit modernen Kommunikationstechniken umgehen können, haben Sie in einer Studie im Altersheim gezeigt.

Genau – das war eine Studie, die zusammen mit Ingenieuren des Instituts Gabriel Lippmann (jetzt Luxembourg Institute of Science and Technology, LIST) durchgeführt wurde. Hier hat es mich begeistert zu sehen, wie etwa eine 90jährige Dame mit einem Touchscreen umgegangen ist, um damit Essen zu bestellen. Natürlich mussten wir das Design des Gerätes auf die älteren Menschen abstimmen und haben dieses in einem „Co-Design-Prozess“ zusammen mit den Senioren entwickelt.

Ich würde lieber mit jemandem sprechen, um mein Essen zu bestellen…

Gefährlich wird es natürlich, wenn die Technik soziale Kontakte ersetzt. Aber so weit muss es ja nicht kommen. Den älteren Menschen hat unser Versuch ganz klar Spaß gemacht: Sie konnten Neues lernen, haben gerne mit den Studenten zusammengearbeitet, die ihnen das System näher gebracht haben und darin vor allem eine Herausforderung gesehen. Solange die Entscheidung freiwillig und individuell ist, sehe ich darin kein Problem.

Demnächst also Facebook im Altersheim?

Das sicher noch nicht. Für die Generation, die heute damit groß wird dann in einigen Jahren aber schon. Die Pflege reflektiert immer den jeweiligen Geist der Zeit. Das sehen Sie zum Beispiel an einem anderen, substantiellen Wandel in den Altersheimen: Inzwischen gibt es Einrichtungen für Ehepaare oder sogar homosexuelle Paare; einige Heime haben einen Beirat, in dem die Bewohner mitbestimmen. Bemerkenswerte Ausnahmen gibt es aber auch hier - Ich persönlich bin ein Fan von Peter Oakley: Der ehemalige  Ingenieur hatte mit 79 Jahren angefangen, Videos auf Youtube zu posten und es bis zu seinem Tod Anfang dieses Jahres auf 400 Videos und 30.000 Follower gebracht.

Autor: Tim Haarmann
Photo © University of Luxembourg

Infobox

Zur Person

 

Dr. Dieter Ferring, Jahrgang 1958, ist Professor für Entwicklungspsychologie an der Universität Luxemburg. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die sogenannte  Gerontologie – die Wissenschaft vom Altern des Menschen. Ferring erforscht unter anderem psychologische Entwicklungen im Laufe der Lebensspanne, den individuellen Umgang von Menschen mit Lebenskrisen und den Umgang älterer Menschen mit neuen Technologien. Im Jahr 2002 folgte Ferring einem Ruf an die Universität Luxemburg.

 

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