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Kontext zur Bewertung der Gentechnik: Was ist grüne Gentechnik überhaupt, weshalb wird sie eingesetzt und wie risikoreich ist sie?

Die Gentechnik-Debatte ist emotional stark aufgeladen und, wie kaum eine andere, geprägt von schwarz-weiß-Malerei. Die Wirklichkeit ist jedoch grau. Wer hat denn nun Recht? Die Gentechnik-Kritiker, oder die Befürworter? Machen Sie sich selbst ein Bild.

Science.lu geht auf oft gestellte Fragen und die gängigsten Kritikpunkte für und gegen Gentechnik ein. Wir konzentrieren uns hier auf die grüne Gentechnik, also den Einsatz gentechnischer Verfahren in der Pflanzenzucht. Der Einsatz von Gentechnik bei der Herstellung von Medikamenten (rote Gentechnik) oder bei industriellen Prozessen (weiße Gentechnik) ist weniger umstritten.

Was ist grüne Gentechnik?

Bei der grünen Gentechnik handelt es sich um ein biotechnologisches Verfahren, mit der die Eigenschaften einer Pflanze verändert werden können, indem Änderungen der DNA durch gentechnische Methoden vorgenommen werden.  (Falls Begriffe wie DNA, Gene, Proteine nicht geläufig sind, finden sie Erklärungen unter diesem Link.) Eine detailliertere Definition finden sie in der Infobox.

Weshalb ist es überhaupt erwünscht, die Eigenschaften von Pflanzen zu verändern?

Seit Jahrtausenden pflanzen Menschen Lebensmittel an, hauptsächlich um sich und ihr Vieh zu ernähren. Dabei kämpfen die Menschen jedoch seit jeher auch gegen Ernteausfälle, z.B. wegen Pilzbefall, Schädlingen, Dürren oder Hochwasser, die im schlimmsten Fall zu Hungersnöten führen können. U.a. deshalb versuchen die Menschen seit Jahrtausenden, Pflanzen durch Züchtung so zu verändern, dass sie resistenter gegen Krankheiten und Umwelteinflüsse sind. Aber auch damit sie z.B. größer und nahrhafter werden. Dies ist z.B. beim modernen Mais gelungen, der durch traditionelle Züchtung nur noch wenig mit seinen Vorfahren gemeinsam hat.

Foto: John Doebley (Virginia Gewin: Genetically Modified Corn— Environmental Benefits and Risks. PLoS Biol 1/1/2003: e8. http://dx.doi.org/10.1371/journal.pbio.0000008)

Im Laufe der Zeit wurden die Züchtungsverfahren immer technologischer. Die Gentechnik ist ein noch relativ junges Verfahren der Biotechnologie und im Werkzeugkasten der Pflanzenzüchter das Instrument mit den meisten Möglichkeiten - doch gleichzeitig das umstrittenste.

Die wachsende Weltbevölkerung ernähren – mit Hilfe der Gentechnik?

Momentan muss unsere Erde über 7 Milliarden Menschen ernähren - so viele wie noch nie. Und es werden immer mehr. Prognosen gehen bis zum Jahr 2100 von 9 bis 12 Milliarden Menschen aus. Doch gleichzeitig verschwinden immer mehr Agrarflächen, die zur Nahrungsproduktion gebraucht werden. Und der weltweit steigende Fleischkonsum tut sein übriges. Er ist nicht nur sehr ressourcenaufwendig – es werden auch pflanzliche Nahrungsmittel verbraucht, die dann für die menschliche Ernährung fehlen.

Über die letzten Jahrzehnte wurde versucht, das Problem durch übermäßigen Einsatz von Pestiziden und synthetischem Dünger auszugleichen, um die Erträge zu steigern. Doch die Konsequenzen der konventionellen High-Input-Landwirtschaft sind mancherorts dramatisch und nicht nachhaltig: Flüsse sind überdüngt, Tiere und Landwirte erkranken durch den Einsatz von Pestiziden und toxischen Herbiziden, durch Monokulturen kommt es immer wieder zu Erosion und Zerstörung landwirtschaftlich nutzbarer Flächen – und schließlich ist da noch der enorm hohe Energiebedarf dieser Landwirtschaftsform…

Wenn in Zukunft verstärkt auf Pestizide, synthetische Dünger usw. verzichtet werden soll, wird es schwerer Krankheiten, Pilzbefall und Ernteausfälle zu bekämpfen. Resistentere Pflanzensorten müssen also her. Befürworter der Gentechnik sehen hier in der Gentechnik großes Potential.

Überraschend ist die Meinung eines amerikanischen Biobauers, Raoul Adamchak: Laut ihm kann die Welt nur mit Bio nachhaltig ernährt werden. Da Bio jedoch auf den Einsatz von Pestiziden usw. verzichtet, könnte gerade die ökologische Landwirtschaft von der Gentechnik profitieren.

Kritiker hingegen argumentieren, dass das Problem der Welternährung vor allem mit politischen Verhältnissen, Verteilungsproblemen zwischen verschiedenen Regionen der Welt und mit Konsumverhalten (Fleischkonsum, Wegwerfmentalität) zu tun hat. Es würden also politische und gesellschaftliche Veränderungen gebraucht – und nicht mehr Technologie.

Wie risikoreich ist Gentechnik im Gegensatz zur Züchtung?

Bei der Debatte Pro oder Contra Gentechnik geht es letztlich darum, diese mit den modernen Züchtungsverfahren zu vergleichen. Und von diesen gibt es ein breites Spektrum. Wie etwa die Mutagenese: Hier werden Pflanzen mit aggressiven erbgutverändernden Chemikalien oder mit hochenergetischer radioaktiver Strahlung behandelt. Dabei entstehen auffällig viele Veränderungen der Erbsubstanz: Gene werden umgebaut, zerstört, neue entstehen, ganze Chromosomenteile verschwinden. Und dies ist gewollt, da dadurch auch neue Eigenschaften entstehen. Gewollte – aber auch ungewollte. Die Pflanzen mit den gewollten Eigenschaften werden dann identifiziert und zurück behalten, die anderen nicht.

Ähnlich ist es bei der sogenannten somaklonalen Variation, wo Pflanzenzellen in Petrischalen im Labor herangezüchtet werden. In diesem unnatürlichen Milieu entstehen auch auffällig viele Veränderungen der Erbsubstanz. Viele Pflanzen, die auf solche Weisen genetisch verändert wurden, sind auf dem Markt und werden tagtäglich gegessen.

Die Präzisionszucht wird heute außerdem durch Methoden der Gentechnik beschleunigt, wie etwa durch die markergestützte Selektion. Zu meinen, Züchtung wäre immer komplett natürlich und Gentechnik allein hochartifiziell, ist somit falsch. Schwarz-weiß-Malerei ist also eigentlich nicht angebracht, obwohl dies in der Gentechnik-Debatte oft getan wird.

Im Spektrum der Möglichkeiten auf das Erbgut von Pflanzen einzuwirken, gelten einige Züchtungsverfahren als risikoreicher als andere. Die Gentechnik wird als risikoreich eingestuft. Die Sicherheitsauflagen sind jedoch höher als bei anderen Züchtungsverfahren. Bevor eine gentechnisch veränderte Pflanze (GV-Pflanze) auf den Markt kommt, muss bewiesen werden, dass sie genauso sicher ist wie eine konventionelle.

Weshalb haben viele Menschen Angst vor Genfood?
Weshalb wird Gentechnik anders als Züchtung eingestuft?
Wenn es bisher keinen Nachweis dafür gibt, Gentechnik sei schädlich für den Menschen, weshalb wird sie dann so viel kritisiert?
Welche transgene Pflanzen sind bisher auf dem Markt?
Brauchen wir überhaupt Gentechnik in Europa?

Ist die pauschale Frage „Gentechnik ja oder nein?“ überhaupt relevant? Oder geht es vielmehr um Nachhaltigkeitskriterien?
Gibt es ein Beispiel für den Einsatz von Gentechnik, dem auch einige Kritiker zustimmen?
Welche weiteren Beispiele gibt es, wo Gentechnik für arme Leute eingesetzt werden soll?
Gentechnik, um die Banane zu retten?

Autor: Jean-Paul Bertemes
Foto © Veneratio/Shotshop.com

Infobox

Definition Gentechnik

Die Definition von Gentechnik des deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (Stand 20.05.2015): „Mit dem Begriff "Gentechnik" werden Verfahren bezeichnet, mit denen Erbgut durch besondere Techniken in Organismen eingebracht und dadurch neu kombiniert werden. Die gentechnische Übertragung der Erbinformation erfolgt entweder direkt (Mikroinjektion, Mikroprojektil-Beschuss) oder über Viren und Bakterien, so genannte Vektoren. Die Gentechnik beschäftigt sich dabei konkret mit Methoden zur Isolierung von Genen und zur Herstellung neu kombinierter DNA. Mit der Entdeckung, dass der genetische Code universell für (fast) alle Lebewesen gilt, eröffnete sich zudem die Möglichkeit, DNA auch über biologische Artgrenzen hinweg zu übertragen.“

Ein Beispiel für Züchtung

In einer gewissen Region kommt es immer wieder zu heftigen Ernteausfällen bei der Kartoffelernte aufgrund eines Pilzes. Die nahrhaften Kartoffeln sind machtlos gegen den Befall. Es ist jedoch gewusst, dass eine ungenießbare Kartoffelsorte gegen den Pilz resistent ist. Durch Züchtung werden beide Sorten nun gekreuzt. Bei den so entstehenden Kartoffeln sind nun genießbare, ungenießbare, resistente und nicht resistente in den unterschiedlichsten Variationen dabei. Am interessantesten sind natürlich die, die sowohl genießbar und resistent sind. Sobald einige davon gefunden wurden, werden diese miteinander gekreuzt, und schließlich hat man eine neue Kartoffelsorte: genießbar und resistent.

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