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Kritik an der Gentechnik: Weshalb wird sie von Kritikern abgelehnt, welche GV-Pflanzen sind auf dem Markt und: Brauchen wir überhaupt Gentechnik in Europa?
Die Gentechnik-Debatte ist emotional stark aufgeladen und, wie kaum eine andere, geprägt von schwarz-weiß-Malerei. Die Wirklichkeit ist jedoch grau. Wer hat denn nun Recht? Die Gentechnik-Kritiker, oder die Befürworter? Machen Sie sich ein Bild. science.lu geht auf oft gestellte Fragen und die gängigsten Kritikpunkte für und gegen Gentechnik ein. Wir konzentrieren uns hier auf die grüne Gentechnik, also den Einsatz gentechnischer Verfahren in der Pflanzenzucht. Der Einsatz von Gentechnik bei der Herstellung von Medikamenten (rote Gentechnik) oder bei industriellen Prozessen (weiße Gentechnik) ist weniger umstritten.
Weshalb haben viele Menschen Angst vor Genfood?
Gen-Lebensmittel, das klingt nach Gift. Weshalb überhaupt?
Bereits die Terminologie ist verwirrend. Denn wir verspeisen tagtäglich Gene: jedes Mal wenn wir Fleisch, Gemüse oder Obst essen. Übrigens ohne dabei die Eigenschaften eines Schweins oder Apfels anzunehmen. Die verzehrte DNA ist für den Körper eine leicht verdauliche Chemikalie – und transgene DNA unterscheidet sich chemisch nicht von natürlicher.
Das Problem sind die Proteine, die durch die Gene codiert werden: Sie können giftig sein oder allergische Reaktionen hervorrufen. Da sowohl bei der Gentechnik als auch bei der Pflanzenzucht die Erbsubstanz verändert wird, können also neue Proteine entstehen, deren Sicherheit geprüft werden muss.
Die Sicherheitsauflagen sind bei der Gentechnik besonders hoch. Bevor eine GV-Pflanze auf den Markt kommt, muss bewiesen werden, dass sie genauso sicher ist wie eine konventionelle. Seit ungefähr 15 Jahren essen Menschen gentechnisch veränderte Pflanzen – ohne bisherige Vorfälle. Kritiker sind dennoch skeptisch und bemängeln, dass es keine Langzeitstudien gibt.
Allgemein gilt: Es besteht immer ein gewisses Risiko, wenn man sich ein Lebensmittel in den Mund steckt. Jeder vernünftige Wissenschaftler kann daher auch nicht behaupten, dass es bei der Gentechnik ein Risiko gleich Null gibt, weil es das bei keinem Lebensmittel gibt. Das verunsichert.
Auf der einen Seite Panikmache, auf der anderen Seite Heilsversprechen. Weshalb nun ist die Diskussion festgefahren? Schwer zu sagen. Eine These: Anfangs haben Großkonzerne zu viel versprochen, zu viel beschönigt, Systeme etabliert, die abschreckten. Dann kam es schnell zu heftigen und radikalen Gegenreaktionen. Seither dominiert die Schwarz-Weiß-Malerei. Und bei jedem Versuch der Vermittlung besteht die Gefahr für den Vermittler, von Anhängern des einen Lagers bezichtigt zu werden, Propaganda für das andere Lager zu betreiben.
Weshalb wird Gentechnik anders als Züchtung eingestuft?
Bei der Züchtung kreuzt man Pflanzen derselben Art. Man kann nur Gene übertragen, die entweder bereits in irgendeiner Pflanze derselben Art vorkommen, oder solche, die durch Mutation zufällig entstehen. Bei der Gentechnik können jedoch auch artfremde Gene eingesetzt werden, z.B. aus Moosen, Pilzen oder anderen Pflanzen, die die gewünschte Eigenschaft besitzen.
Insofern ist die Gentechnik im Werkzeugkasten der Pflanzenzüchter das Instrument mit den meisten Möglichkeiten. Aber für viele ist das eine Grenze, die nicht überschritten werden sollte, mit dem Argument, dass dies wider die Natur sei. Artfremde Gene zu transferieren lehnen viele ab, u.a. auch Bio-Verbände.
Wenn es bisher keinen Nachweis dafür gibt, Gentechnik sei schädlich für den Menschen, weshalb wird sie dann so viel kritisiert?
Gentechnik ist ein hochtechnologisches Verfahren mit sehr vielen Möglichkeiten. Das macht mitunter Angst oder ruft Unsicherheit hervor. Viele Argumente gegen die Gentechnik richten sich jedoch nicht gegen die Gentechnik an sich, sondern gegen die Machenschaften von Großkonzernen. Kritisiert wird, dass diese mit ihren einseitigen Geschäftsmodellen ein System der Abhängigkeiten schaffen würden. So müssen Landwirte z.B. Lizenzgebühren an die Großkonzerne zahlen, die die GV-Pflanzen hergestellt haben.
Die Firmen haben viel in die Forschung investiert und wollen dafür entschädigt werden. Und zum Teil spielen die Gentechnik-Kritiker den Multikonzernen sogar in die Karten: Je strenger und kostenaufwendiger die Regularien, desto eher können sich nur Großunternehmen die Entwicklung leisten.
Ob aber durch marktorientierte Forschung denen geholfen wird, die es am meisten brauchen, ist fraglich. Der Nutzen der momentan auf dem Markt befindlichen transgenen Pflanzen ist umstritten. Es gibt jedoch auch Beispiele, wo Universitäten an GV-Pflanzen forschen, um Ernährungsprobleme in armen Ländern anzugehen. Einige dieser Projekte finden mehr Zustimmung.
Welche transgene Pflanzen sind bisher auf dem Markt?
Ungefähr ein Drittel der zugelassenen GV-Pflanzen haben eine Insektenresistenz. Wie z.B. Bt-Mais, der u.a. auch in Deutschland angebaut wurde.
Bt-Mais enthält ein Gen vom Bakterium Bacillus thuringiensis. Und produziert daher ein Protein, das gegen Schädlinge wirkt. Ökolandwirte z.B. spritzen das Bt-Toxin direkt auf das Maisfeld, um sich gegen Insektenbefall zu wehren. GV-Pflanzen bieten den Vorteil, dass man sich diesen Arbeitsaufwand sparen kann. Nachteil: Während man beim Spritzen die Dosen an die Anforderungen anpassen kann, lohnt sich Bt-Mais nur bei starkem Schädlingsbefall.
Fast alle restlichen zugelassenen GV-Hauptkulturpflanzen Soja, Mais, Baumwolle und Raps sind resistent gegen Herbizide mit einem bestimmten Wirkstoff, meistens Glyphosat. Spritzt man dieses Herbizid, überleben sie, während das Unkraut stirbt.
Glyphosat ist ein Breitbandherbizid: Man braucht nur eine Chemikalie zu spritzen anstatt mehrerer verschiedener. Und das ist besonders praktisch für den Landwirt. Außerdem haben Herbizide mit Glyphosat ein besseres ökotoxikologisches Profil als viele andere Herbizide.
Skepsis rührt jedoch daher, dass die Unternehmen, die die GV-Pflanzen entwickeln, auch das Glyphosat herstellen. Außerdem geht mit der Vereinfachung des Spritzvorgangs eine Tendenz zu Monokulturen einher.
Ob das Versprechen eingehalten wird, den Herbizideinsatz durch GV-Pflanzen zu senken, ist umstritten. Einige Studien sprechen dafür, andere dagegen. Wie so oft in dieser Thematik scheinbar jeder seine Position mit wissenschaftlichen Studien belegen kann und man am Ende nicht mehr weiß, wem man glauben soll.
Brauchen wir überhaupt Gentechnik in Europa?
In Europa werden viele Lebensmittel weggeschmissen, statt konsumiert. Viele argumentieren daher, dass Gentechnik nicht nötig sei in Europa. Vor allem weil die Bevölkerung sehr skeptisch gegenüber Gentechnik ist. Weshalb etwas produzieren, das die Mehrheit ablehnt? Es gibt auch in vielen europäischen Ländern Anbauverbote. Gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel können jedoch nach Europa eingeführt werden, unter der Bedingung dass sie gekennzeichnet sind. Großkonzerne beklagen hingegen, dass durch die Skepsis und Verbote ein großer Markt nicht genutzt wird.
Tatsächlich spielt Europa auch nur eine Nebenrolle wenn es um GV-Pflanzen geht. GV-Pflanzen werden hauptsächlich in Ländern wie U.S.A., Kanada und Brasilien angebaut. Indien und China schließen auf. Die bisher auf dem Markt befindlichen GV-Pflanzen sind auf diese Märkte ausgerichtet.
In vielen Entwicklungsländern, wo der Welthunger am ehesten gestillt werden muss, gelten jedoch andere Umweltbedingungen, die sich auf den Ertrag auswirken – schlechte Böden und Dürren, wie die in Ostafrika, können humanitäre Katastrophen auslösen – und andere Bedürfnisse: Wie z.B. das Bedürfnis, Wasser einzusparen. Es bleibt ein lohnendes Ziel Pflanzen zu entwickeln, die weniger Wasser benötigen. Oder auf salzigen Böden wachsen können, um bisher ungeeignete Flächen landwirtschaftlich nutzbar zu machen.
Wenn möglich mit konventionellen Züchtungsmethoden. Wenn nötig, mit Gentechnik?
Hier ein paar Beispiele, für den Einsatz von Gentechnik in ärmeren Ländern.
Autor: Jean-Paul Bertemes (FNR)
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