(C) shotshop.com
Je früher man Naturkatastrophen voraussehen kann, desto besser lässt sich darauf reagieren. Überschwemmungen zum Beispiel bauen sich aber so schnell auf, dass sie bisher kaum vorhersagbar sind.
Geophysiker der Universitäten Luxemburg und Bern entwickelten nun ein Verfahren, wie man die Vorwarnzeit für Fluten und Dürren deutlich erhöhen könnte. Ein Projekt, das Menschen weltweit zugutekommen wird.
Den Untergrund aus dem All beobachten
Ob es zu einer Überflutung kommt oder nicht, hängt vom Sättigungsgrad des Bodens ab - das ist die große Unbekannte. Und paradoxerweise lässt sich der Untergrund am besten aus dem All beobachten!
Bei Hochwasser gehen Rettungskräfte zwar unverzüglich an die Arbeit, aber ihnen fehlt bisher aus technischen Gründen im wahrsten Sinne des Wortes der Überblick – also ein detailliertes Lagebild der Situation“, erklärt Dr. Matthias Weigelt, Postdoc in der Geophysik und neben Prof. Tonie van Dam Mitinitiator des Projektes an der Universität Luxemburg.
„Schnellstmöglich werden Fernerkundungssatelliten organisiert, die mit Kamera und Radar Übersichtsbilder und Karten herstellen können – doch ihre Ausrichtung dauert mindestens 48 Stunden.“ Im Prinzip kommen diese Satelliten also immer zu spät, weil speziell Fluten sich innerhalb von wenigen Stunden aufbauen und bisher kaum vorhersehbar sind.
Wasseransammlungen messen mithilfe von Satelliten
Ziel der Forschung ist es, die bildgebenden Satelliten nicht erst beim Auftreten des Hochwassers, sondern schon vorher zu positionieren, indem die Verteilung der Wassermengen beobachtet wird. Dabei genügt es nicht zu wissen, wieviel es geregnet hat.
Mithilfe eines Satellitensystems zur Schwerefeldbestimmung namens GRACE lassen sich Massenveränderungen auf der Erde analysieren. Denn die Verteilung der Massen hat einen direkten Einfluss auf das Schwerefeld der Erde und somit auf die Bahn der Satelliten.
Wenn sich also in einer Region Wasser ansammelt, dort auch die Masse wächst, so verändert sich die Satellitenbahn. Minimal – in der Größenordnung eines Haares – aber messbar.
„So können wir sagen, wann und wo welcher Wasserspeicher vollläuft. Diese neuen Daten wollen wir mit vorhandenen Informationen kombinieren und damit die gezielte Katastrophenabwehr unterstützen“, so Prof. van Dam.
Daten für die Zivilgesellschaft
Die Herausforderung besteht darin, die Daten des Satellitensystems für die Zivilgesellschaft nutzbar zu machen. Momentan dauert ihre Bearbeitung drei bis vier Monate. Sie muss jedoch auf nur ein paar Tage reduziert werden, um als Frühwarnsystem nutzbar zu sein.
Außerdem müssen verschiedene Verfahren vereinheitlicht und die Daten benutzerfreundlich aufbereitet werden. „Damit wird man in Zukunft die Fernerkundungssatelliten schon vor dem Ereignis ausrichten können, so dass Bilder und Karten sofort zur Verfügung stehen. Das wird Rettungskräften weltweit enorm helfen“, fasst Prof. van Dam zusammen.
Bei Dürre Wasserreserven messen
Bei einer Dürre funktioniert dies ähnlich, nur ist hier mehr Zeit, da sich eine Dürre über Wochen ankündigt. In diesem Fall ist es wichtiger zu wissen, wie viele Wasserreserven noch zur Verfügung stehen, um rechtzeitig Wassersparmaßnahmen zu verordnen und Ernteausfälle zu verhindern.
Neben der Beobachtung akuter Naturereignisse werden die aufbereiteten Daten noch weitere Anwendungen ermöglichen, wie etwa im Ressourcenmanagement: so erhoffen sich die Forscher zum Beispiel langfristig, dass Landwirte eines Tages den Wassergehalt von Böden online nachsehen können, um die Bewässerung zu planen und Grundwasser zu schonen. Außerdem werden diese Daten auch für Geophysik, Klima- und Atmosphärenforschung große Bedeutung haben.
Autor: Uni Luxemburg
Photo © shotshop.com
Infobox
56 Forschungsprojekte hatten sich zur Ausschreibung „New ideas for Earth-relevant space applications“ beworben, vier haben das EU-Geld bekommen.
Darunter, mit maximaler Punktzahl, das Vorhaben namens EGSIEM (European Gravity Service for Improved Emergency Management), das auf Mitinitiative der Forscher aus Luxemburg die Vorhersehbarkeit von Dürren und Fluten verbessern wird.
Die Forschungsidee wird als großes EU-Projekt mit acht renommierten Partnern umgesetzt: der Universität Bern (CH), dem Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ (D), der Technischen Universität Graz (A), der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (D), dem Centre National d’Études Spatiales (F), dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (D) und Géode & Cie (F). An der Universität Luxemburg sind Prof. Dr. Tonie Van Dam und Dr. Matthias Weigelt zusammen mit Prof. Dr. Olivier Francis für das Projekt zuständig. Mehr Infos: http://wwwen.uni.lu/research/fstc/geophysics/research.