Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat vor einer zunehmenden Verrohung der Debatten in Deutschland gewarnt. "Insgesamt stelle ich leider eine gesellschaftliche Verrohung der politischen Debatte fest, der sich auch auf den Antisemitismus ausgewirkt hat", sagte Klein im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Angesichts der Wahlerfolge der in Teilen als rechtsextrem eingestuften AfD bei den Landtagswahlen forderte Klein daher "Allianzen im Kampf gegen Rassismus, der genauso sehr zu führen ist wie der Kampf gegen Antisemitismus".

Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Menschen "im eigenen Interesse und im Interesse der Demokratie gegen Antisemitismus vorgehen". Er sei daher erleichtert, dass es trotz des milliardenschweren Defizits im Bundeshaushalt 2025 gelungen sei, die drohenden Kürzungen bei der politischen Bildung wieder zurückzunehmen. Bestehende Bundesprogramme wie "Demokratie leben" oder "Zusammenhalt durch Teilhabe" würden nun weitergeführt. Dies sei "essenziell wichtig" angesichts einer "zunehmend harten Debattenkultur".

Dringenden Handlungsbedarf sieht Klein hingegen weiterhin bei der Bildung und der Gedenkstättenarbeit. In beiden Bereichen seien finanzielle Einschnitte "folgenschwer".

So müsse es etwa in der Schule ein verpflichtendes Fach zur Medienkompetenz geben. "Das ist ganz wichtig, denn gerade jüngere Leute sind oftmals völlig anfällig", betonte Klein. Dies habe sich zuletzt im Wahlverhalten junger Menschen bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen gezeigt, sagte Klein mit Blick auf die wachsende Zustimmungswerte unter jungen Wählern für die in beiden Ländern als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD.

Auch am Geschichtsunterricht dürfe die Politik "auf keinen Fall weiter die Axt anlegen", mahnte Klein. Politik- und Geschichtsunterricht seien "Schlüssel, was die Bildung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt angeht".

Überdies müssten die Gedenkstätten "weiter mit ausreichenden finanziellen Mitteln" ausgestattet werden. "Das halte ich für ganz essenziell für unsere Demokratie", betonte Klein. "Denn wohin ein ungebremster Antisemitismus in diesem Land geführt hat, sehen wir an den Verbrechen des Nationalsozialismus."

Geplante Einsparungen im Bundeshaushalt hält Klein daher für "äußerst bedenklich". Die Gedenkstätten kämpften mit Problemen, ihr Serviceangebot überhaupt aufrechtzuerhalten - und das in Zeiten steigenden Bedarfs. So sei die Forderung nach verpflichtenden Gedenkstättenbesuchen für Schulklassen "nur dann sinnvoll und gerechtfertigt", wenn die Gedenkstätten die Nachfrage auch adäquat bedienen könnten.

Im Umgang mit Antisemitismus und Rassismus plädiert Klein zudem dafür, neben Themen wie Nahostkonflikt und Holocaust auch "die Vielfalt in unserem Land" verstärkt in den Blick zu nehmen. In gesamtgesellschaftliche "Allianzen gegen alle Diskriminierungsformen" müssten auch bislang weniger engagierte Akteure eingebunden werden, etwa Influencer aus Kultur und Medien, aber auch Unternehmen und Sportvereine.

Klein begrüßte in diesem Zusammenhang jüngste Warnungen von Unternehmern, die den Wirtschaftsstandort Deutschland "durch die Erfolge von Rechtspopulisten" gefährdet sehen. Der Angst potenzieller ausländischer Arbeitskräfte vor rassistischer Aggression "müssen wir wirklich etwas entgegenhalten", forderte Klein. Dazu gehöre auch der Einsatz gegen Antisemitismus. Dieser Kampf lohne sich, weil dadurch "auch unser demokratisches System, unsere Vielfalt, so wie wir leben wollen, verteidigt wird".

Alle demokratischen Parteien hätten "über Parteigrenzen hinweg" den Kampf gegen Antisemitismus "als absolute Priorität für sich erkannt", sagte Klein. Daher bereite ihm die Bundestagswahl im nächsten Jahr keine Sorge - trotz der jüngsten Wahlerfolge der AfD. Er gehe davon aus, "dass an dieser Priorisierung sich nichts ändert, wenn die nächste Bundesregierung von demokratischen Parteien geführt wird".