Die Weltgesundheitsorganisation steckt in schwierigen Zeiten: Während sie noch dabei ist, die Corona-Pandemie zu verarbeiten, zwingt die Einstellung der US-Beitragszahlungen die UN-Sonderorganisation zu radikalen Sparmaßnahmen. Beide Herausforderungen werden ab Montag die Weltgesundheitsversammlung beschäftigen, bei der Vertreter der mehr als 190 WHO-Mitgliedstaaten bis zum 27. Mai in Genf zusammenkommen. Dabei soll auch das seit Jahren verhandelte Pandemie-Abkommen verabschiedet werden.
Tausende Delegierte, darunter Dutzende hochrangige Politiker, kommen für die Versammlung unter dem Motto "Eine Welt für Gesundheit" nach Genf, um Dutzende Resolutionen zu beschließen. Das Treffen erfolge "an einem entscheidenden Punkt für die globale Gesundheit", sagte Catharina Böhme, die in der WHO-Führung für Außenbeziehungen zuständig ist, vorab vor Journalisten. Schließlich sei die internationale Gemeinschaft konfrontiert mit "Bedrohungen und größeren Veränderungen im Umfeld für globale Gesundheit und internationale Entwicklung".
Viel Raum wird bei dem Treffen in Genf das neue Pandemie-Abkommen einnehmen. Die äußerst zähen Verhandlungen hatten mehr als drei Jahre gedauert, am 16. April beschlossen die Verhandler das Abkommen im Konsens. Nach einer Diskussion des Abkommens, die für Dienstag erwartet wird, soll es mehr als fünf Jahre nach Ausbruch der folgenschweren Corona-Pandemie von der Weltgesundheitsversammlung beschlossen werden, damit die Welt besser auf künftige Pandemien vorbereitet ist.
Kern des Abkommens ist der schnelle Austausch über neue Krankheitserreger zwischen Staaten und Pharma-Unternehmen, um die schnelle Entwicklung von Gegenmitteln zu ermöglichen. Für die konkrete technische Umsetzung soll eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe eingesetzt werden, deren erste Sitzung für den 15. Juli geplant ist.
Wenn deren Ergebnisse voraussichtlich bei der nächsten Weltgesundheitsversammlung 2026 ebenfalls abgesegnet werden, kann die Ratifizierung des Pandemie-Abkommens beginnen. Damit es in Kraft treten kann, muss es von 60 Mitgliedstaaten ratifiziert worden sein.
Die USA waren an der Verhandlung der letzten Details des Pandemie-Abkommens nicht mehr beteiligt. Die Vereinbarung sei dennoch "eine Aufbauspritze für den Multilateralismus, auch wenn es ohne die USA ist", urteilt ein europäischer Diplomat, der anonym bleiben will.
US-Präsident Donald Trump hatte direkt nach seinem Amtsantritt am 20. Januar den Austritt seines Landes aus der WHO verfügt. Ihre Beiträge für 2024 und 2025 haben die USA nicht mehr bezahlt, auch die US-Hilfen für andere Gesundheitsprojekte in aller Welt hat Trumps Regierung fast vollständig gestrichen.
Dass der traditionell größte WHO-Beitragszahler USA kein Geld mehr überweist, lässt seine Organisation in die roten Zahlen rutschen, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus Ende April. Die WHO müsse daher ihre Aktivitäten verringern und Personal entlassen. Am Mittwoch kündigte die WHO zunächst eine Verkleinerung ihres Führungsteams von elf auf sechs Mitglieder an.
Die UN-Organisation hofft außerdem, dass der Wegfall der US-Gelder von den anderen Mitgliedstaaten teilweise kompensiert wird. Sie sollen laut Böhme kommende Woche über den Vorschlag abstimmen, ihre Pflichtbeiträge im Haushaltsjahr 2026/2027 um 20 Prozent anzuheben.
Sollte diese Erhöhung gewährt werden, würden immer noch 1,7 Milliarden Dollar im künftigen Budget fehlen - und das obwohl die WHO dieses schon von den ursprünglich geplanten 5,3 Milliarden Dollar um 21 Prozent auf 4,2 Milliarden Dollar (3,75 Milliarden Euro) verringern will.