Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, hat die Vorwürfe mehrerer Parteien, der Klimaschutz sei Schuld an der Wirtschaftskrise, als "fatal" bezeichnet. "Die Erzählung, die Klimapolitik schade der Wettbewerbsfähigkeit und vernichte Arbeitsplätze, ist fatal. Richtig ist: Wenn wir jetzt mitten im Umbau stecken bleiben, verlieren wir die Zukunft", sagte Edenhofer der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ, Samstagsausgabe). Der Klima-Ökonom bezog sich dabei auf Äußerungen im Bundestagswahlkampf von CDU, FDP, AfD und BSW.
Zwar leide die energieintensive Industrie unter Energiestückkosten, die anderswo geringer seien und auch blieben, fügte Edenhofer hinzu. Es müsse daher gelingen, fossilfrei produzierte Vorprodukte wie Ammoniak, Eisen und Methanol zu importieren, um die Standorte in der Chemie- und Stahlindustrie zu erhalten. "Das ist unbestreitbar eine gigantische Herausforderung", sagte er. "Aber wir müssen diesen Wandel in der Wertschöpfung zulassen. Er ist auch eine gewaltige Chance", ergänzte der PIK-Direktor. "Denn die Welt um uns herum steht eben nicht still, sondern verwandelt sich auch in eine Welt der erneuerbaren Energien."
Schon ein Viertel der Emissionen weltweit unterliege inzwischen einer CO2-Bepreisung, erklärte der Wissenschaftler und Politikberater. "Trotzdem wird hierzulande erzählt, die Deutschen reißen sich das Hemd vom Leib für den Klimaschutz, und die anderen schauen lachend zu und klopfen sich auf die Schenkel. Was für ein Quatsch!"
Es sei genau umgekehrt, sagte Edenhofer der NOZ weiter. "Wer meint, durch einen Stopp der Klimaschutzpolitik würden wir wieder wettbewerbsfähiger, der verdreht die Wirklichkeit. Wir werden nicht als Industriemuseum des 19. Jahrhunderts überleben. Zu den Gewinnern gehören wir nur, wenn wir nach vorne gehen."
Schon 30 Prozent der Regionen weltweit hätten es geschafft, ihr Wirtschaftswachstum vom Emissionswachstum zu entkoppeln, darunter die USA. Das große Klimaschutzprogramm Inflation Reduction Act hat dort längst massive Investitionen in Gang gesetzt. Das werde auch der künftige Präsident Donald Trump kaum komplett abwürgen, fügte Edenhofer hinzu.