Die Entwicklungsbiologen Davor Solter und Azim Surani erhalten den renommierten Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis 2026. Die beiden Forscher öffneten mit der Entdeckung der genomischen Prägung das Tor zur Epigenetik, wie der Stiftungsrat der Paul-Ehrlich-Stiftung am Dienstag in Frankfurt am Main mitteilte.

Die Gene, welche die menschliche Erbinformation tragen, sind in den Chromosomen des Zellkerns zusammengepackt. Jede Spermien- und Eizelle enthält einen einfachen Satz von 23 Chromosomen. Jede Körperzelle enthält einen doppelten Chromosomensatz. Einer davon stammt aus der Eizelle der Mutter, der andere aus der Spermazelle des Vaters.

Alle Körperzellen enthalten damit zwei Kopien desselben Gens. Sie nutzen beide Kopien als Anleitung zur Produktion von Proteinen oder RNA-Molekülen, die Bausteine des Körpers sind. Wenn eine Kopie mutiert oder beschädigt ist, springt die andere ein und sorgt für Ersatz.

Diese Grundregeln der klassischen Genetik setzten Solter und Surani demnach teilweise außer Kraft, als sie entdeckten, dass Säugetiereltern ihrem Nachwuchs offenbar manche Gene in aktiver Form nur von der Mutter und manche nur vom Vater weitergeben. Die Wissenschaft spricht von sogenannten geprägten Genen.

Die meisten dieser bekannten Gene, die rund ein Prozent des menschlichen Genoms ausmachen, haben demnach mit dem Ausbalancieren von Wachstumsimpulsen und der Entwicklung des Gehirns zu tun. Bei Störungen wie beispielsweise dem Angelmannsyndrom kommt es zu schweren neurologischen Defiziten, weitere Fehlfunktionen begünstigen das Entstehen von Autismus oder Epilepsie.

"Diese Entdeckung war ein Wendepunkt der modernen Genetik", erklärte der Vorsitzende des Stiftungsrats, Thomas Boehm. Sie habe gezeigt, dass das Erscheinungsbild eines Menschen nicht nur von der genetischen Ausstattung, sondern auch von chemischen Veränderungen der DNA geprägt ist, die durch äußere Faktoren wie Ernährung, Stress und Umweltreize beeinflusst werden. "Das hat unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit fundamental verändert", betonte Boehm.

Der US-Bürger Solter leitete bis 2006 die Entwicklungsbiologie des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie in Freiburg. Der Brite Surani forscht an der Universität von Cambridge in England. Der Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis ist der renommierteste Medizinpreis Deutschlands. Er ist mit 120.000 Euro dotiert und wird traditionell an Ehrlichs Geburtstag, dem 14. März, in der Frankfurter Paulskirche verliehen.