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Anm. der Redaktion: Dieser Artikel ist eine leicht angepasste Version eines Artikels, der auf Luxemburgisch in unserer Rubrik Mr Science veröffentlicht wurde.
Ja und nein. Die gute Nachricht ist: Fettzellen sind nicht unsterblich. Wie die allermeisten anderen Zellen gehen sie zugrunde, sobald ihre maximale Lebensdauer erreicht ist. Aber – und das ist die schlechte Nachricht – sie werden durch neue ersetzt. Die einen Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Gesamtzahl der Fettzellen im Körper eines Erwachsenen kaum noch ändert. Andere widersprechen: Wer über längere Zeit zu viel isst, bekommt auch zusätzliche Fettzellen.
Wer hat denn bitte schön die Fettzellen gezählt?
Wirklich alle Fettzellen im Körper zu zählen, ist natürlich kaum möglich. Und auch gar nicht notwendig. Um die ungefähre Anzahl zu ermitteln, entnehmen Forscher kleine Mengen Fettgewebe. Dann bestimmen sie die Größe der Zellen und ermitteln das Gesamtgewicht des Fettes in der Probe. Aus Größe und Gewicht lässt sich dann die Anzahl der Zellen berechnen.
Und woher weiß man, dass sie sich auch tatsächlich erneuern?
Dafür haben Forscher besondere Kohlenstoffatome, das so genannte Isotop C14, in den Fettzellen ihrer älteren Probanden untersucht. C14 ist eine radioaktive Variante des Kohlenstoffs. Sie wurde während der Kernwaffentests in den 50er und 60er Jahren stärker in der Atmosphäre angereichert und über die Nahrung auch im Fettgewebe eingebaut. Die Idee: Wer zu dieser Zeit lebte, müsse auch heute noch eine gewisse Menge C14 im Fett gespeichert haben. Da die Wissenschaftler davon aber viel weniger als erwartet fanden, schlussfolgerten sie: Fettzellen erneuern sich, und zwar im Durchschnitt alle acht Jahre.
Und was passiert nun mit den Fettzellen, wenn ich abnehme?
Sie geben das Fett zur Verwertung frei und leeren sich – nur um bei der nächstbesten Gelegenheit wieder einen großen Tropfen energiereichen Fettes in sich aufzunehmen.
Haben Dicke mehr Fett als Schlanke? Und welche Rolle spielen die Gene beim Thema Übergewicht? Der Energiespeichermechanismus unseres Körpers mit all seinen Regelkreisen ist noch nicht abschließend geklärt und immer noch Gegenstand intensiver Forschung. Hier kommen einige Fragen, mit denen sich die Wissenschaftler rund um den Globus beschäftigt haben.
Das ist Fakt beim Fett
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Auch wenn es vielen Menschen heute unliebsam ist und sie es gern wieder loswerden wollen: Körperfett ist nicht nur eine wichtige Energiereserve, es schützt auch vor Kälte, ist ein Aufprallschutz und hält so manches Körperteil in Position.
Am bedeutendsten ist das weiße Fettgewebe. Jede seiner Zellen - von Wissenschaftlern Adipozyten - genannt, nimmt genau einen Fetttropfen in ihrem Inneren auf. Und dieses Fett hat es in sich. Denn es enthält eine Menge Energie, die den Körper über Hungerszeiten hinweghelfen kann. Die Depots, die bei normalgewichtigen Personen gut ein Viertel der Körpermasse ausmachen, können bis zu 40 Tage reichen. In guten Zeiten tragen wir die oft mehrere Zentimeter dicke Schicht unter der Haut von Bauch und Po mit uns herum. Diese Speckschicht hat noch eine weitere Aufgabe. Sie sorgt dafür, dass wir nicht allzu schnell auskühlen. Denn Fett leitet Wärme nicht besonders gut und lässt sie damit langsamer aus dem Körper hinaus. Und ein gutes Polster ist unser Fett obendrein. Unter den Fußsohlen und um die Kniegelenke federt es Stöße ab. Am Po polstert es und Nieren wie Augäpfeln dient es als sicheres Lager. Last but not least ist das gut durchblutete Fettgewebe auch eine kleine biochemische Fabrik. Es stellt Substanzen her, die für den Energiestoffwechsel unentbehrlich sind.
Neben dem weißen gibt es übrigens auch noch braunes und beiges Fettgewebe. Das braune findet sich vor allem bei Säuglingen und hat eine einzigartige Fähigkeit: die Thermogenese. Anders als sein weißes Pendant beherbergt es viele kleine Fetttröpfchen. Und auch viele Mitochondrien - die Kraftwerke der Zelle. Diese wandeln das Fett bei Bedarf direkt in Wärme um und wirken damit einer Auskühlung entgegen. Erst vor wenigen Jahren haben Forscher eine dritte Form von Fettzellen gefunden - die beigen. Ihre Funktion, so wird vermutet, soll ähnlich ihrer braunen Verwandten sein, sich aber auch bei Erwachsenen aktivieren lassen.
Weißes Fett als Energiespeicher greift mit chemischen Substanzen in die Regelkreise des Körpers ein. Gerät der Speicher aus dem Gleichgewicht, begünstigt das Krankheiten wie Diabetes. Welchen Einfluss braunes und beiges Fett auf dieses Risiko nimmt, haben Forscher untersucht. Das Ergebnis: Zumindest bei Mäusen scheinen die beiden Fettzelltypen sehr effektiv gegen die Erkrankungen zu sein. Die Wissenschaftler glauben, dass sich ihre Erkenntnisse auf den Menschen übertragen lassen.
Nahrung im Überfluss, rund um die Uhr und ohne kräftezehrende Jagd - so ein Schlaraffenland gibt es erst seit einem Wimpernschlag in der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Die Evolution hinkt der Entwicklung hinterher oder traut ihr vielleicht nicht. Deshalb legen wir auch heute noch um Bauch und Po Reserven an - für schlechte Zeiten. Auch wenn viele Menschen in Industrieländern und aufstrebenden Nationen diese wohl kaum durchleben müssen. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen: Nehmen wir mehr Energie auf als unser Körper verbraucht, werden die Depots mit Fett gefüllt. Dabei scheint der Körper kein Stoppsignal zu kennen. Weshalb Fettleibigkeit - in Fachkreisen Adipositas genannt - auch wie eine Epidemie um sich greift.
Und das ist nicht gesund. Viele Untersuchungen deuten darauf hin, dass zu viel Fettgewebe eine ganze Reihe gesundheitlicher Störungen begünstigt. Die werden häufig "Zivilisationskrankheiten" genannt. Herz-Kreislauferkrankungen gehören dazu: Einige Bestandteile des Fettes können Gefäße verkleben und damit den Motor unseres Blutkreislaufs ins Stocken bringen. Bluthochdruck, Arteriosklerose und Herzinfarkt sind nur einige mögliche Folgen. Auch Diabetes vom Typ 2 wird durch zu viel Körperfett begünstigt. Denn die Depots greifen mit ihren chemischen Substanzen tief in den Energiestoffwechsel ein, sodass ein Übermaß von ihnen das austarierte Gleichgewicht der Stoffwechselprozesse zum Kippen bringen kann.
Angesichts solcher Folgen gehen manche Forscher davon aus, dass die bisher stetig steigende Lebenserwartung in einer Industrienation wie den Vereinigten Staaten von Amerika durch Fettleibigkeit erstmals seit Langem wieder sinken könnte.
Autor: scienceRELATIONS/Kai Dürfeld
Redaktion: Michèle Weber/FNR
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