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Dieser Artikel ist eine leicht angepasste Version eines Artikels, der auf Luxemburgisch in unserer Rubrik Mr Science veröffentlicht wurde. 

Es gibt etliche Gründe, warum unser Gehirn Songtexte einfacher speichert als komplexe wissenschaftliche Formeln. Der Wichtigste dürfte sein, dass Songtexte - im Gegensatz zu thermodynamischen Formeln - mit Musik und rhythmischen Mustern verbunden sind. Das unterstützt das Gedächtnis, weil Rhythmus und Melodie mehrere Gehirnbereiche gleichzeitig aktivieren. Zum Beispiel Areale, die für Bewegungsplanung und Zeitgefühl zuständig sind. Dafür musst du noch nicht einmal selbst Musik machen. Es reicht, wenn du einfach nur zuhörst.

Wenn diese unterschiedlichen Gehirnbereiche beim Musikhören aktiv werden, verbessert sich die Fähigkeit des Gehirns, sich zu verändern und anzupassen - also schlicht und ergreifend zu lernen.

Songtexte haben Wiederholungen

Songtexte wiederholen häufig bestimmte Wörter, Phrasen oder Melodieabschnitte. Und Wiederholung ist eine bewährte Methode, um sich Informationen schnell und dauerhaft zu merken. Zum Beispiel Liedtexte, aber auch Vokabeln. Wissenschaftliche Formeln sind hingegen meist komplex und enthalten keine Wiederholungen. Dementsprechend schwieriger ist es, sie im Kopf zu behalten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Lieder sehr oft unsere Gefühle ansprechen. Das macht der erste Hauptsatz der Thermodynamik nur bei ganz wenigen Menschen. Emotionen spielen aber eine entscheidende Rolle dabei, wie wir Informationen speichern und abrufen. Ein Song, der uns berührt oder an besondere Momente erinnert, bleibt leicht im Gedächtnis haften.

Lieder erzählen meistens eine Geschichte

Unser Gehirn ist besonders gut darin, Geschichten zu speichern. Abstrakte Informationen wie thermodynamische Formeln sind schwerer zu verarbeiten und zu behalten, weil sie - zumindest für die meisten - keine Story erzählen und einen komplizierten Kontext haben.

Musik ist ein multisensorisches Erlebnis

Beim Song Contest siehst du den Sänger, hörst den Gesang und wippst den Takt. Im Physikbuch liest du nur.

Nicht nur zu lesen, hilft beim Lernen sehr. Musik ist ein multisensorisches Erlebnis, spricht also mehrere Sinne an. Diese Kombination aus Hören, Sehen und der Wahrnehmung von Körperbewegungen kann die Gedächtnisleistung stark verbessern. Eine Formel hingegen spricht meist nur den visuellen Sinn an und fordert ein Verständnis der zugrundeliegenden Konzepte, damit sie haften bleibt.

Könnte Lernen durch Lieder eine praktische Methode sein, um sich gezielt Dinge zu merken?

Warum nicht?

Ganz im Ernst: Es gibt kreative Ansätze, in der Bildung mit Musik zu arbeiten; und auch um wissenschaftliche Konzepte durch Musik, Lieder oder Tanz zu vermitteln. Ein Beispiel ist der Wettbewerb 'Dance your PhD'. Hier versuchen Forscher das  Thema ihrer Doktorarbeit mithilfe einer Choreographie zu vermitteln. Kreative Ansätze, in der Bildung mit Musik zu arbeiten, können wirklich helfen, das Lernen zu verbessern. Forschende arbeiten auch daran, solche Bildungskonzepte weiterzuentwickeln. Es bleibt also spannend in der Forschung.

Autor: Hannes Schlender (scienceRELATIONS)
Redaktion: Michèle Weber (FNR)

 

Musik im Matheunterricht?

Musik unterhält und macht Spaß. Musik ist aber auch ein gutes Mittel, um die kognitive Entwicklung von Menschen zu fördern. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass musikalische Aktivitäten das Gehirn strukturell und funktionell positiv beeinflussen. Es gibt Hinweise darauf, dass eine musikalische Ausbildung das musikalische Gedächtnis und zugleich allgemeine kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Sprachverarbeitung oder mathematische Kompetenzen[1] verbessert. [2] Forscher vermuten auch, dass die Einbindung von Musik in Bildungsprogramme für die Lernfähigkeit und die kognitive Flexibilität von Kindern und Erwachsenen vorteilhaft ist. [3] [4] Die Wissenschaftler arbeiten daran herauszufinden, welche Aspekte der musikalischen Bildung am wirksamsten sind und wie diese am besten in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen in den Unterricht integriert werden können. So kann anhand von Musiknoten, Takt und Rhythmus zum Beispieldas Bruchrechnen leichter verständlich werden. Musik kann so das Lernen bereichernund vertiefen.

Infobox

Quellen

Toader, C.; Tataru, C.P.; Florian, I.-A.; Covache-Busuioc, R.-A.; Bratu, B.-G.; Glavan, L.A.; Bordeianu, A.; Dumitrascu, D.-I.; Ciurea, A.V. Cognitive Crescendo: How Music Shapes the Brain’s Structure and Function. Brain Sci. 2023, 13, 1390. https://doi.org/10.3390/brainsci13101390

Plater L, Nyman S, Joubran S, Al-Aidroos N. Repetition enhances the effects of activated long-term memory. Q J Exp Psychol (Hove). 2023 Mar;76(3):621-631. https://doi.org/10.1177/17470218221095755

Tyng CM, Amin HU, Saad MNM and Malik AS (2017) The Influences of Emotion on Learning and Memory. Front. Psychol. 8:1454. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2017.01454

Mar, R.A., Li, J., Nguyen, A.T.P. et al. Memory and comprehension of narrative versus expository texts: A meta-analysis. Psychon Bull Rev 28, 732–749 (2021). https://doi.org/10.3758/s13423-020-01853-1

Okray, Z., Jacob, P.F., Stern, C. et al. Multisensory learning binds neurons into a cross-modal memory engram. Nature 617, 777–784 (2023). https://doi.org/10.1038/s41586-023-06013-8

Uştu, H., Saito, T. & Mentiş Taş, A. Integration of Art into STEM Education at Primary Schools: an Action Research Study with Primary School Teachers. Syst Pract Action Res 35, 253–274 (2022). https://doi.org/10.1007/s11213-021-09570-z

Degé F (2021) Music Lessons and Cognitive Abilities in Children: How Far Transfer Could Be Possible. Front. Psychol. 11:557807. doi: 10.3389/fpsyg.2020.557807

Rauscher, F. H., & Zupan, M. A. (2000). Classroom keyboard instruction improves kindergarten children’s spatial-temporal performance: a field experiment. Early Childhood Res. Q., 15, 215–228. doi: 10.1016/S0885-2006(00)00050-8 .

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