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Eine Firma aus Luxemburg hat sich eine ungewöhnliche Werbestrategie für ein gewöhnliches Produkt ausgedacht. Die Brauerei fördert aus einer Tiefe von 317 Metern Wasser aus dem Untergrund und zapft damit ein Reservoir an, in dem dieses vor 34.000 Jahren abgelagert wurde. Fertig ist das „Eiszeit-Mineralwasser“. Wie alt das Wasser genau ist, weiß die Firma dank Laurent Pfister, Hydrologe am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST).
Sein Team hat das Wasser analysiert und kann zudem bestätigen: Da das Wasser seit seiner Ablagerung keinem Einfluss durch den Menschen ausgesetzt war, ist es, im Gegensatz zu manchem Oberflächenwasser, frei von Schadstoffen wie etwa Nitrat. Ansonsten bleibt es wohl eher Marketing, Wasser über sein hohes Alter – also den Zeitpunkt, zu dem es das letzte Mal mit der Atmosphäre im Austausch stand - zu bewerben.
Warum Forscher Wasser datieren
Was die Firma hier als Marketingstrategie nutzt – die Datierung von Wasser – ist für Forscher wie Laurent Pfister, die den Wasserkreislauf untersuchen, aber an anderer Stelle tatsächlich ausgesprochen wichtig, um verschiedenste Fragen zu beantworten. „Wenn etwa Pestizide in den Boden versickern und dann weiter in das Grundwasser vordringen, möchte man wissen, wie lange diese dort verbleiben und wann der Grundwasserspeicher mit neuem Wasser ausgetauscht wurde“.
Auch um Hochwasserereignisse besser zu verstehen, muss man wissen, wie alt das daran beteiligte Wasser ist: „Ein wesentlicher Teil der Hochwasserwellen bei Starkregenereignissen besteht häufig aus altem Wasser. Dieses ist oftmals früher im Boden versickert und trägt zur Welle bei, wenn neues Wasser nachdrängt. Das ist ein Prozess, der bis heute nicht richtig verstanden ist, aber über die Datierung von Wasser erschließbar ist.“
Methoden der Datierung
Um herauszufinden, wie alt Wasser ist, nutzen Hydrologen wie Laurent Pfister zwei Methoden: Zum einen messen sie, wie „schwer“ das Wasser ist. Wasser besteht aus Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O). Aber es gibt verschiedene Arten von H und O, zum Beispiel 16O oder 18O, die man Isotope nennt. Die verschiedenen Isotope haben unterschiedliche Atommassen. Diese können die Forscher messen und so bestimmen ob das Wasser „schwer“ oder „leicht“ ist.
Je nach Jahreszeit, zu der das Wasser in den Untergrund gelangt ist, ist es ein wenig schwerer oder leichter. Das liegt daran, dass im Sommer, bei höheren Temperaturen, mehr leichtes Wasser an der Oberfläche verdunstet und dann isotopisch schweres Wasser zurückbleibt und schließlich versickert. Hieraus können die Forscher kurze Zeiträume und Saisonalität rekonstruieren.
Für längere Zeiträume messen sie radioaktive Zerfallsprodukte im Wasser. Über die 14C-Methode (Radiokohlenstoffdatierung) und das im Wasser als Kohlensäure gelöste CO2 lässt sich etwa das Wasser der Brauerei auf die Eiszeit datieren. Ein anderer „Tracer" für mittellange Zeiträume ist zudem beispielsweise das Tritium (3H, „superschwerer“ Wasserstoff), das bei dem Atomwaffentests der 50er Jahre freigesetzt wurde.
Fenster in die Vergangenheit
Die Arbeit mit Isotopen ermöglicht Forschern auch spannende Blicke in Prozesse der Vergangenheit, wie Pfister berichtet: Vor vielen hunderten Jahren, als noch kein Hydrologe den Abfluss in Flüssen beobachtete, gab es bereits stumme Zeugen: Muscheln im Flussbett bauten, je nach Menge und Beschaffenheit des Wassers, unterschiedliche Isotope in ihre Schalen ein. Pfister und seine Kollegen versuchen mit ihrer Hilfe nun Hochwasserereignisse und Dürren in der Vergangenheit zu rekonstruieren – wie dies früher vonstatten ging wird dabei immer relevanter, je unberechenbarer die Wasserführung der Flüsse im Zuge des Klimawandels mit jedem Jahr wird.
Text: Tim Haarmann
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Infobox
Bei einigen Elementen enthalten die Kerne der Atome gelegentlich unterschiedlich viele Neutronen. Man nennt diese Atome dann Isotope. Beim Wassermolekül, das aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom besteht, kann das Sauerstoffatom zum Beispiel zwei Neutronen mehr enthalten. Hierdurch ist das Wasserstoffmolekül dann insgesamt schwerer.
Auch das Kohlenstoffatom enthält manchmal mehr Neutronen – dies geschieht durch den Einfluss von Strahlung in der Atmosphäre. Ist der Kohlenstoff diesem Einfluss nicht mehr ausgesetzt, zerfällt das Isotop langsam zu Kohlenstoff mit einer „normalen“ Anzahl von Neutronen. Aus dem Anteil des schweren Atoms zu dem leichten Atom können Forscher berechnen, wann eine kohlenstoffhaltige Substanz zuletzt mit der Atmosphäre in Kontakt war und wie „alt“ sie also ist.