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Dieser Artikel ist eine leicht angepasste Version eines Artikels, der auf Luxemburgisch in unserer Rubrik Mr Science veröffentlicht wurde. 

Musik berührt uns tief – manchmal sogar bis in den ganzen Körper hinein. Das liegt daran, dass Musik im Gehirn mehrere Bereiche gleichzeitig aktiviert: zum Beispiel den auditiven Kortex, der Töne verarbeitet, aber auch das limbische System, das für Emotionen zuständig ist, und sogar motorische Zentren, die unsere Bewegung steuern. Diese Aktivierung hat messbare Auswirkungen: Musik kann unseren Herzschlag beschleunigen oder beruhigen, den Blutdruck verändern, die Atmung beeinflussen – und bestimmte Hormone freisetzen.

Was passiert im Körper genau?

Schnelle Rhythmen regen uns an, setzen Dopamin frei und bringen uns in Bewegung. Langsame, tiefe Klänge dagegen beruhigen, reduzieren Stresshormone wie Cortisol und fördern Entspannung. Deshalb nutzen Musiktherapeuten gezielt Musik, um Angst zu lindern oder depressive Verstimmungen zu verbessern.

Hat Musik einen biologischen Zweck?

Wahrscheinlich ja. Musik ist eng mit Sprache verwandt und begleitet die Menschheit seit der Steinzeit. Schon damals wurde gemeinsam gesungen, getanzt und auf Instrumenten gespielt – Musik war also nie nur Unterhaltung, sondern immer auch Gemeinschaftserlebnis. Wer zusammen musiziert, fühlt sich einander näher und erlebt mehr positive Emotionen. Beim gemeinsamen Singen bleibt beispielsweise der Spiegel des oft als Bindungshormon bezeichneten Oxytocins stabiler als bei anderen sozialen Aktivitäten wie Spielen oder Reden. Das kann erklären, warum wir uns nach dem Musizieren besonders verbunden und wohl fühlen. Gleichzeitig sinkt das Stresshormon Cortisol, und das emotionale Wohlbefinden steigt deutlich. Das alles spricht dafür, dass Musik ein soziales Bindemittel ist – und zwar mit messbarer Wirkung auf Körper und Psyche. Besonders Kinder profitieren davon: Wenn sie gemeinsam musizieren, kann das ihre sozialen Fähigkeiten und emotionale Ausdruckskraft fördern.

Verstehen wir Musik aus anderen Kulturen?

In gewissem Maß – ja. Studien zeigen, dass bestimmte musikalische Muster universell ähnlich interpretiert werden: Schnelle, helle Musik wirkt oft fröhlich, langsame, tiefe Töne eher traurig. Aber es gibt kulturelle Unterschiede. Was in der einen Kultur als beruhigend gilt, kann in einer anderen ganz anders wahrgenommen werden. Entscheidend ist also auch, was wir gewohnt sind – und welche Erfahrungen wir mit bestimmten Melodien oder Stilen verbinden.

Kann Musik uns glücklicher machen? 


Absolut. Musik stimuliert das Belohnungssystem im Gehirn – ähnlich wie Schokolade, Sport oder Umarmungen. Sie kann uns motivieren, Trost spenden oder einfach Freude machen. Kein Wunder also, dass viele Menschen mit Musik besser lernen, effizienter arbeiten – oder sich einfach wohler fühlen. Neue Studien zeigen sogar: Auch KI-generierte Musik kann gezielt emotionale Reaktionen hervorrufen – vor allem, wenn sie mit konkreten Stimmungsvorgaben wie „ruhig und melancholisch“ oder energetisch und freudig“ erzeugt wird. Die Wirkung auf unsere Gefühle ist messbar – und eröffnet neue Anwendungsfelder, etwa in der Therapie, im Bildungsbereich oder bei virtuellen Erlebnissen. Es bleibt also spannend in der Forschung!

Jymmin – eine spezielle Form der Musiktherapie

Dass Musik heilende Wirkung hat, ist seit Langem bekannt – und wird in der Musiktherapie gezielt genutzt. Eine neue Form hat der Neurowissenschaftler Thomas Fritz vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig entwickelt: Er hat Fitnessgeräte so umgebaut, dass sie beim Training Töne erzeugen – abgestimmt auf die Bewegungen. Die Methode heißt „Jymmin“, eine Wortmischung aus Gym (Fitness) und Jamming (gemeinsames Improvisieren). Fritz´ Idee: Wer im Fitness-Studio trainiert, macht nicht nur Sport, sondern komponiert aktiv Musik – allein oder mit anderen. Das Ergebnis: weniger Schmerz, mehr Ausdauer und eine euphorische Stimmung.

Was im Gehirn passiert, wenn wir Musik hören

Wie Musik unser Gehirn beeinflusst, zeigt der Neurowissenschaftler und Musiker Alan Harvey eindrucksvoll in einem TED-Talk. Sein Kollege trägt dabei eine EEG-Mütze mit Elektroden, während er Musik hört – und wir sehen live, wie sich die Gehirnströme verändern: sanfte Musik erzeugt ruhige Alpha-Wellen, während verstörende oder dissonante Klänge zu unruhigen Ausschlägen führen. So wird sichtbar, wie feinfühlig unser Gehirn auf musikalische Reize reagiert – und wie tief Musik unsere Stimmung beeinflussen kann.

Infobox

Quellen

D.L. Bowling, J. Gahr, P. Graf Ancochea, M. Hoeschele, V. Canoine, L. Fusani, W.T. Fitch,

Endogenous oxytocin, cortisol, and testosterone in response to group singing, Hormones and Behavior, Volume 139 (2022) https://doi.org/10.1016/j.yhbeh.2021.105105.

Gao, X., Chen, D., Gou, Z., Ma, L., Liu, R., Zhao, D., Ham, J.  (2024). AI-Driven Music Generation and Emotion Conversion. In: Shuichi Fukuda (eds) Affective and Pleasurable Design. AHFE (2024) International Conference. AHFE Open Access, vol 123. AHFE International, USA.http://doi.org/10.54941/ahfe1004679

http://jymmin.com/

MaxPlanckForschung 3/15, Seite 27-31.

MDR Wissen (2019): https://www.mdr.de/wissen/mensch-alltag/fit-mit-musik-leipziger-wissenschaftler-entwickeln-jymmin-projekt-weiter-100.html

https://www.mdr.de/einfach-genial/einfach-genial-erfindungen-242.html

Heiner Gembris (2015). Transfer-Effekte und Wirkungen musikalischer Aktivitäten auf aus-

gewählte Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung. Ein Überblick über den aktuellen Stand der Forschung. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung (https://www.bertelsmann-stiftung.de/index.php?id=5308)

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