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Wenn es um Weihnachten geht, möchten wir natürlich Perfektion. Dazu gehört auch der perfekte Baum. Dieser sollte möglichst grün, üppig und gleichmäßig sein, und bestenfalls seine Nadeln nicht zu früh verlieren.
Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts ILRES1 feiern 77% der luxemburgischen Haushalte ihre Weihnachten mit Christbaum. Viele stellen mittlerweile statt einem echten Baum eine Tanne aus Plastik auf, die einige Jahre wiederverwendet werden kann. Doch was ist die umweltfreundlichere Variante? Und gibt es vielleicht noch eine Alternative? Um es genau zu wissen, muss eine Lebenszyklusanalyse, bzw. Ökobilanz für jeden Baum durchgeführt werden, ob natürlich, geschnitten, aus Plastik oder im Topf.
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Eine Umweltbilanz/Ökobilanz, oder Lebenszyklusanalyse, ist eine Analyse des Klimaabdrucks von Produkten2. Sie umfasst den gesamten Werdegang eines Produktes, von seiner Entstehung bis zu seiner Vernichtung.
Im Falle der geschnittenen Tanne müssen sämtliche Transportwege, das Düngen, die Pestizide, der Wasserverbrauch und die Umwandlung der Landflächen mit einberechnet werden, so wie die Art der Entsorgung. Im Falle der Plastiktanne spielen neben den Transportwegen unter anderem die verwendeten Materialien und ihre Umweltkosten eine Rolle, i.e. die Entnahme von Rohöl zur Herstellung von Kunststoff3 sowie das Einbringen von Mikroplastik in die Umwelt, die langen Abbauzeiten des Kunststoffs und die verfügbaren Recycling-Methoden.
Wie nachhaltig ist die geschnittene Tanne?
Aus ökologischer Sicht hat der natürliche Tannenbaum seinen Preis. Wie hoch dieser ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Die Herkunft, denn je kürzer die Transportwege, desto weniger CO2 entsteht.
- Die meisten geschnittenen Tannen werden jedoch importiert, da es in Luxembourg nur wenig Plantagen gibt.
- Der Anbau, der möglichst ökologisch sein sollte.
- Weihnachtsbäume werden meistens in Monokulturen angezüchtet, auf denen oft gedüngt und gespritzt wird. Ein ökologischer Anbau reduziert den Umweltschaden.
- Die Entsorgung: verbrannt ist besser als weggeworfen; am besten ist jedoch wiederverwertet.
- Beim Verbrennen entsteht weniger Treibhausgase als beim Verrotten auf einer Mülldeponie. Am besten ist es jedoch, den Baum möglichst sinnvoll wiederzuverwenden, z.B. in Form von Mulch.
Hier nun die Hintergrundinformationen zu den oben genannten Punkten.
Zur Herkunft: Die meistverkauften Arten sind Nordmann-Tannen, Blaufichten und Nobilis-Tannen. Keine dieser Tannen ist ein natürliches Waldprodukt. Sie wachsen auf Feldern (auch Plantagen genannt) und werden hauptsächlich aus Deutschland, Belgien, Frankreich oder Dänemark importiert. Dadurch entstehen Transportemissionen. In der luxemburgischen Landwirtschaft spielen Weihnachtsbaumplantagen eine untergeordnete Rolle4, auch wenn immer mehr Bauern lokal gewachsene Tannen zum Kauf anbieten.
Zum Anbau: Am umweltfreundlichsten sind Tannen mit Biosiegel. Diese wurden gemäß den Richtlinien der EU-Öko-Verordnung oder des FSC (Forest Stewardship Council) angebaut, also ohne Verwendung von Mineraldünger oder chemisch-synthetischen Pestiziden. Man muss bedenken, dass Weihnachtsbäume 5 bis 10 Jahre intensiv gepflegt, gedüngt, geschnitten und bewässert werden müssen, bevor sie verkaufstauglich sind5. Auf konventionellen6 Plantagen geschieht dies oft unter Einsatz von Pestiziden, Herbiziden und chemischem Dünger18. Die Schadstoffe gelangen jedoch ins Oberflächengewässer und ins Grundwasser; sie töten Bienen und andere Insekten. Monokulturen erfordern zudem große Mengen an Dünger, um die Nährstoffverarmung des Bodens zu kompensieren7.
Zur Entsorgung: Die Agentur Carbon Trust hat berechnet, dass eine zwei Meter große Tanne beim Verrotten 16 kg CO2-Äquivalente (CO2e) freisetzt; beim Verbrennen sind es jedoch nur 3,5 kg8. Durch das Verbrennen wird nur das CO2 wieder freigesetzt, dass der Baum im Laufe seines Lebens gespeichert hat, sodass es keine Nettozunahme gibt. Landet er jedoch auf einer Mülldeponie, so sieht die Sache ganz anders aus. Dort verrottet er nämlich und produziert dabei erhebliche Mengen Methan, welches 25-mal klimaschädlicher ist als CO2. Methan entsteht unter anderem durch den Abbau von organischem Material in sauerstoffarmen Bedingungen, wie es auf Mülldeponien der Fall ist9.
Am besten ist es, wenn der Baum auch nach seinem Tod noch von Nutzen ist. Zum Beispiel kann man daraus Rindenmulch machen (80% Reduzierung der CO2 Bilanz laut Carbon Trust).
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Carbon Trust ist eine internationale Agentur, die Unternehmen dabei hilft, ihre Klimabilanz zu verbessern und effiziente Strategien zur Dekarbonisierung zu finden. Sie wurde 2001 mit Hilfe der britischen Regierung gegründet. Seitdem versteht sie sich als internationaler Ratgeber zum Thema Net Zero (Netto Null) und arbeitet mit Regierungen und Umweltorganisationen aus aller Welt. Neben der Festlegung einer Reihe von Umweltstandards wurde 2006 das weltweit erste Klimalabel entwickelt, welches den konkreten CO2-Fußabdruck eines Produktes angibt (Product Carbon Footprint, PCF). 2008 wurde zudem der Carbon Trust Standard entwickelt; eine Akkreditierung, die das Problem des Greenwashings auf Unternehmensebene versucht anzugehen10.
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In manchen Küstengebieten kommen unverkaufte oder gebrauchte Tannen zum Dünenschutz zum Einsatz11,12,13. Oder – wie es seit längerem in den USA gemacht wird – sie werden in Seen versenkt, wo sie ein neues Habitat für Fische und Plankton bilden14. Allerdings befinden sich in der Rinde sehr viele Tannine, die für die Wasserqualität problematisch sein können.
Wie nachhaltig ist der Plastikbaum?
Das hängt ebenfalls von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen besteht der Plastikbaum aus Kunststoffen wie PVC (Polyvinylchlorid) und PE (Polyethylen), die nur schwer abbaubar sind und fossile Rohstoffe zur Herstellung verbrauchen. Zum anderen kommt dann noch der Transportweg hinzu, der z.B. bei Produkten aus Fernost sehr lang sein kann.
2009 verglich die kanadische Umweltberatungsgruppe Ellipsos die Ökobilanz einer natürlichen Tanne, die in einer 150 km entfernten, konventionellen Plantage gezüchtet wurde, mit der eines aus China stammenden Plastikbaumes15. So müsse der Plastikbaum 20 Winter durchstehen, bevor seine Klimabilanz besser wäre als die der Tanne. Laut derselben Studie behielten die Verbraucher ihre Bäume jedoch nicht länger als 6 Winter (die Daten wurden in Nordamerika erhoben). Der CO2-Abdruck eines künstlichen Baumes wurde von Ellipsos auf etwa 48 kg CO2-Äquivalente (CO2e) geschätzt. Zum Vergleich: 48 kg CO2e entsprechen ungefähr einer Autofahrt von 220 km mit einem PKW16.
Doch auch beim Plastikbaum kann die Ökobilanz verbessert werden: Eine Option wäre, auf recyclebaren Materialien zurückzugreifen, wie manche Firmen es bereits anbieten. Und dann sollte der Baum möglichst lange wiederverwendet werden.
Ist der Weihnachtsbaum im Topf zum Ausleihen eine Alternative?
Bäume im Topf können ausgeliehen, wiederverwendet, und ausgepflanzt werden, wodurch sich der CO2-Fußabdruck theoretisch über mehrere Jahre verteilen würde. Doch wie gut funktioniert dieses Konzept?
Christbäume zum Verleih gibt es auch in Luxemburg. Verschiedene Baumschulen liefern und holen sie auch wieder ab, was Transportwege vermeidet. Ein weiterer Vorteil: Die Tannen sind ungespritzt, zumindest während ihres Aufenthaltes in den Baumschulen19.
Aber auch hier gibt es einige Haken. Nicht alle Tannen überleben den wiederholten Aufenthalt im warmen Wohnzimmer, ebenso wenig wie das Auspflanzen.
„Die Überlebenschancen solch ausgepflanzter Bäume stehen maximal bei 50% nach einem Jahr“, erläutert Frank Wolter, Direktor von der ANF(Administration de la Nature et des Forêts). „Denn beim Einpflanzen in den Topf wird das Wurzelwerk beschädigt, und der Baum geschwächt. Man muss bedenken, dass das Wurzelwerk der Bäume ungefähr so groß ist, wie der Durchmesser der Krone. So viel Platz kann ein Kübel nicht bieten.“
Dieses Konzept ist zudem zeitlich begrenzt: bereits nach zwei bis vier Winter müssen die Tannen wieder ausgepflanzt werden, da große Bäume viel Wasser und Dünger verbrauchen und ihr Transport sehr aufwendig wird19.
Dazu kommen noch die Transportemissionen, denn die Tannen werden oft in ausländischen Plantagen hochgezüchtet, bevor sie an die Baumschulen weiterverkauft werden19. Es gibt jedoch immer mehr regionale Produzenten19. Hier gilt es also, sich bei den Baumschulen über die Herkunft der Tannen zu informieren.
Und schlussendlich sollte auch bei solchen Bäumen auf ein Bio-Siegel geachtet werden.
Fazit: Es hängt davon ab
Ob geschnitten, im Topf oder aus Plastik, jede Alternative hat aus Umweltsicht ihre Vor- und Nachteile. Worauf grundsätzlich geachtet werden sollte:
- Möglichst kurze Transportwege von Plantage/Produktionsstätte zu Verbraucher, egal ob natürlich oder aus Plastik
- Ökologische Anbauarten bei allen natürlichen Bäumen, ob geschnitten oder im Kübel
- Recycelte Materialien bei Plastiktannen. Eventuell gebraucht kaufen und auf jeden Fall möglichst lang behalten.
Autorin: Diane Bertel
Editoren: Jean-Paul Bertemes (FNR), Lucie Zeches (FNR), Michèle Weber (FNR)
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Für diejenigen, die es sich zutrauen, ist das in Deutschland tatsächlich eine Möglichkeit. Die Seite Proplanta.de17 zeigt auf einer Übersichtkarte, wo man Bäume selbst fällen kann, um weite Wege zu vermeiden. Allerdings sind das nicht genug Bäume, um die jährliche Nachfrage zu decken.
Frank Wolter von der ANF (Administration de la Nature et des Forêts) sagt hierzu: „So etwas in Luxemburg umzusetzen wäre sehr schwierig, da im Wald grundsätzlich keine Bäume kommerzialisiert werden dürfen. Zudem müssten die Bäume markiert werden, der Wald ist nicht immer gut zugänglich, und man würde auch nicht so leicht auf brauchbare Weihnachtsbäume stoßen. Luxemburger Wälder sind daher für diese Lösung nicht geeignet.“
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Wenn das Land ausreichend viele Plantagen anbieten würde, könnten Transportwege reduziert und Bio-Siegel gefördert werden. Aber ist solch eine Lösung auch im großen Stil umsetzbar?
„Das wäre möglich, da ausreichend landwirtschaftliche Fläche in Luxemburg vorhanden ist“, sagt Frank Wolter. „Weihnachtsbäume dürfen ja in Luxemburg nicht für kommerzielle Zwecke in den Wäldern gezüchtet werden. Sie müssten auf landwirtschaftlichen Flächen gezüchtet und geerntet werden. 120.000 Weihnachtsbäume kann man auf 50 Hektar Fläche ernten. Geht man davon aus, dass die Bäume 5 bis 10 Jahre wachsen müssen, braucht man also ungefähr 250 bis 500 Hektar insgesamt für eine permanente Produktion.“
Wären diese Bäume dann noch ökologisch angebaut und würden anschließend zu Rindenmulch verarbeitet, so könnte dies ein guter Kompromiss zwischen Umweltschutz und Tradition darstellen.
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1. https://ilres.com/news/questions-du-mois/le-sapin-de-no%C3%ABl-au-luxembourg-une-tradition/
2. https://de.wikipedia.org/wiki/Lebenszyklusanalyse
3. https://ec.europa.eu/docsroom/documents/13049/attachments/1/translations/en/renditions/pdf
5. https://www.agrarheute.com/management/weihnachtsbaum-erzeugung-einsteigen-447439
7. https://www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/darum-schaden-uns-monokulturen/
8. https://www.carbontrust.com/es/node/410
10. https://www.theguardian.com/environment/2008/jun/24/carbonemissions.carbonfootprints
11. https://phys.org/news/2021-01-texas-coast-christmas-trees-rebuild.html
12. https://www.bbc.com/news/uk-england-cornwall-55800023
14. https://www.canr.msu.edu/news/thinking_of_drowning_your_christmas_tree
17. https://www.proplanta.de/Maps/Weihnachtsb%E4ume+selber+schlagen-points1317912462.html
19. Baumschulen aus Luxemburg