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Anm. der Redaktion: Dieser Artikel ist eine leicht angepasste Version eines Artikels, der auf Luxemburgisch in unserer Rubrik Mr Science veröffentlicht wurde.

Dafür muss man herausfinden, ob jemand nur lauen Sommerabenden am See nachtrauert oder stärker unter dem Winterblues leidet. Das ist der Fall, wenn man morgens kaum aus dem Bett kommt, tagsüber immer schlapp ist, Heisshunger auf kohlehydratreiche Speisen hat und sich die depressive Phase jedes Jahr zu Winteranfang wieder einstellt. Dann leidet man wahrscheinlich an einer saisonal abhängigen Depression, abgekürzt SAD, wie die Mediziner den Winterblues nennen.

Wie viele Menschen erwischt der Winterblues jedes Jahr?

Um die drei Prozent, also ungefähr einen von 30 Menschen. Davon sind dreiviertel Frauen und die meisten Betroffenen leiden jeden Winter darunter.

Was kann man gegen Winterblues unternehmen?

In der Regel bekommt man eine Lichttherapie verschrieben. Dafür setzt man sich jeden Tag 30 bis 45 Minuten vor eine sehr helle Speziallampe. Meistens empfehlen die Ärzte, das morgens zu machen. Nach 1 bis 2 Wochen bessert sich dann bei den meisten Patienten die Stimmung wieder.

Könnte man so auch dem Winterblues vorbeugen? Also schon im Herbst eine Lichttherapie machen und nicht erst warten, bis einen die Winterdepression erwischt hat?

Das haben sich Forscher auch gefragt und Lichttherapie als vorbeugende Maßnahme getestet. Zur Zeit ist die Studienlage aber unklar. Das heißt, man kann es versuchen, aber es gibt keinen Beweis, dass die Lichttherapie auch wirklich vorbeugend wirkt.

Was ist denn die Ursache für die Winterdepression?

Das wird seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts erforscht. Man vermutet einen Zusammenhang mit der biologischen Uhr, die durch den Lichtmangel im Winter aus dem Takt gerät. So ist man auf die Idee mit der Lichttherapie gekommen. Aber der Zusammenhang von Licht und Stimmung ist schwer zu beweisen.

Wenn man zum Beispiel ein Medikament testet, bekommt eine Gruppe der Patienten das Medikament und eine andere eine Pille, die keinen Wirkstoff enthält, also ein Placebo. Aber die Lichttherapie kann man so nicht testen, denn was wäre ein „Placebo-Licht“? So etwas gibt es nicht. Die Forscher versuchen deshalb zum Beispiel Hormonschwankungen im Blut zu finden, die die Winterdepression erklären könnten. Aber noch haben sie das Rätsel der Winterdepression nicht geknackt. Deshalb bleibt Forschung immer spannend!

Da sich die depressive Stimmung bei den Betroffenen jedes Jahr wieder zu Winterbeginn einstellt, versuchen Mediziner herauszufinden, wie man ihr vorbeugen könnte. Sie haben dafür die Wirksamkeit von Lichttherapie, Psychotherapie und Medikamenten getestet. Bisher konnten sie aber nicht eindeutig nachweisen, dass eine der Therapie-Optionen wirklich wirkt. Allerdings gibt es auch keine klaren Beweise gegen eine dieser Therapien. Es wird deshalb empfohlen, vorbeugende Therapien unter Abwägung möglicher Nebenwirkungen und Berücksichtigung der persönlichen Vorlieben gemeinsam mit dem behandelnden Arzt auszuprobieren.

Anders als bei der saisonal wiederkehrenden Depression, ist die Wirksamkeit von Lichttherapie zur Behandlung „normaler“ depressiver Störungen mittlerweile klar erwiesen. Sie ist nach aktuellen Studien genauso wirksam wie Medikamente. Die beste Wirkung wird bei einer Kombination von Lichttherapie mit Antidepressiva erreicht. Anders als bei der Winterdepression scheint bei der Behandlung „normaler“ Depressionen die Jahreszeit, in der die Lichttherapie durchgeführt wird, keine Rolle zu spielen.

Autor: Ingo Knopf/scienceRELATIONS
Redaktion: Michèle Weber/FNR

Infobox

Quellen

Seasonal affective disorder, winter type: current insights and treatment options, Meesters et al., Psychological Research and Behavior Management, 2016. http://dx.doi.org/10.2147/PRBM.S114906

 

Light therapy for preventing seasonal affective disorder. Nussbaumer-Streit et al., Cochrane Database of Systematic Reviews, 2019. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30883670

 

Efficacy of light therapy versus antidepressant drugs, and of the combination versus monotherapy, in major depressive episodes: A systematic review and meta-analysis. Geoffroy et al., Sleep medecine reviews, 2019. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S108707921930173X

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