(C) Tonie van Dam
Geophysikerin Tonie van Dam der Uni Luxemburg untersucht, wie das Grönland-Eis auf den Klimawandel reagiert.
Grönlands Eisschild ist die zweitgrößte Eisfläche der Welt, nach der Antarktis. Er ist mehr als 100.000 Jahre alt und bedeckt eine Fläche, die über 650 Mal größer ist als Luxemburg.
Zusammen mit der NASA und Forschern aus Amerika und Dänemark hat Professorin Tonie van Dam GPS-Messinstrumente im Osten Grönlands aufgestellt, um die Ausbreitung der Gletscher und Veränderungen im Eisschild zu verfolgen.
Und was sind bisher die Ergebnisse? „Seit Beginn unserer Messungen im Jahr 1996 schmilzt das Grönland-Eis schneller als je zuvor“, sagt Tonie van Dam.
Bewegungen der Erdoberfläche liefern wichtige Informationen
Um ihre Messungen durchzuführen, verlässt sich Tonie van Dam aber nicht nur auf ihre GPS-Daten. Anhand von Messungen der absoluten Schwerkraft (siehe Infobox) untersucht sie auch die Bewegungen der Erdoberfläche. Weshalb?
Je mehr sich die Erdoberfläche hebt, desto mehr ist der Gletscher geschmolzen
Weil diese Bewegungen der Erdoberfläche Rückschlüsse auf die Gletscher geben. Denn wenn der Eisschild schmilzt, verliert er an Gewicht – und drückt weniger fest auf die Erdoberfläche. Dabei hebt sich die Erdoberfläche, denn sie ist elastisch, quasi wie ein Gummiball.
Auf diese Weise konnte van Dam beispielsweise den Rückgang des Helheim-Gletschers messen, der sich etwa 100 km vom Messungsstandort entfernt befindet.
Ähnlicher Effekt muss rausgerechnet werden
Doch ganz so einfach ist es nicht! Denn die Erde hebt sich noch aus einem anderen Grund: Seit den letzten Eiszeiten ist viel Gletschermasse verloren gegangen. Die Erde hebt sich auch deswegen – aber langsamer.
„Wir sind vor allem an den Auswirkungen der aktuellen Abschmelzungen interessiert, also den elastischen Bewegungen der Erde, die schneller sind als die anderen“, sagt van Dam. „Durch die Kombination von GPS-Daten und Messungen der absoluten Schwerkraft können wir die beiden Bewegungen voneinander trennen. Und also auch genauer verstehen, was passiert.“
Mit den somit ermittelten Daten treffen die Forscher dann Vorhersagen über den Anstieg des Meeresspiegels.
Ursachen für schmelzende Gletscher noch besser verstehen
Van Dam würde Gletscher gerne systematischer studieren. „Wenn ich das Geld hätte, würde ich mir einen großen Gletscher in Grönland aussuchen, der noch kein beschleunigtes Abschmelzen vorzeigt und verfolgen, wann und wie der Gletscher anfängt sich zu verändern“, erläutert sie.
„Diese Art von Experiment könnte uns eine Idee geben, wieso Gletscher plötzlich schneller fließen. Sind Veränderungen in der Atmosphäre, im Meer oder beides verantwortlich für die Bewegung der Gletscher?“
Van Dam ist bereits mehrmals nach Grönland gereist und hat gerade einen Projektantrag für Fördermittel eingereicht, der ihr eine erneute Forschungsreise erlauben würde. „Ich liebe es, draußen im Feld zu sein, auch wenn es manchmal schwierig und unangenehm ist – die Moskitos in Grönland sind unerbittlich!“
Autor: Michèle Weber
Photo © Tonie van Dam
Infobox
Die National Aeronautic Space Administration (NASA) ist die zivile Bundesbehörde für Luft- und Raumfahrt in den USA.
Das Global Positioning System (GPS) ist ein globales Satellitennavigationssystem, das Informationen über Ort und Zeit überall auf oder in der Nähe der Erde zur Verfügung stellt. Ein GPS-Empfänger auf der Erde berechnet seine Position anhand von Signalen, die von Satelliten hoch über der Erde gesendet werden. Diese umfassen Längen-und Breitengrad, sowie Höheninformationen.
Gravimetrie ist die Messung der Schwerkraft auf der Erde, in der Regel in Einheiten der Beschleunigung. Das verwendete Gerät ist ein Gravimeter. Schwerkraft nimmt ab mit der Höhe. Aufgrund seiner Präzision und Stabilität kann man mit einem Gravimeter Veränderungen der Schwerkraft messen. Bewegungen in der Erdoberfläche, die z.B. durch schmelzende Gletscher verursacht werden, können zu solchen Veränderungen in der Schwerkraft führen.
Das Gerät, das van Dam in Grönland verwendet, ist ein Absolutgravimeter. Es ist sehr empfindlich und Messungen werden deshalb in einem Zelt gemacht. Im Vergleich zu relativen Gravimetern ist diese Art von Instrument stabiler und wird für Experimente benötigt, die über Jahrzehnte hinweg andauern oder einen Bereich von über 1.000 km abdecken.
Die letzte Periode wiederholter Eiszeiten. Im Laufe der letzten 130.000 Jahre hat sich Eis angesammelt, das dann plötzlich schmolz.
Die gebürtige US-Amerikanerin van Dam lebt seit dreizehn Jahren in Luxemburg und arbeitet eng mit ihrem Mann Olivier Francis zusammen, der ebenfalls Geophysiker an der Uni Luxemburg ist.
Auf die Frage wie sie Wissenschaftlerin wurde, antwortet van Dam: „Als Kind war ich ständig draußen und im Gymnasium hatte ich eine natürliche Begabung für Naturwissenschaften, Physik und Mathematik. Eine Karriere in der Geologie und Geophysik erschien mir eine gute Art und Weise, diese Interessen zu verbinden.“
Einige Wissenschaftler sagen voraus, dass der gesamte Eisschild in den nächsten 2.000 Jahren schmelzen wird. Dies könnte den globalen Meeresspiegel um etwa sieben Meter ansteigen lassen. In dem Fall würden fast alle Küstenstädte der Welt versinken!