In wenigen Wochen über 300.000 Views auf Youtube: François Conrad trifft mit seiner Forschung über die Aussprache des Deutschen den Nerv der Zeit. Was sich auch an den zahlreichen Science Slams zeigt, die er gewonnen hat. Heute abend, am 10. Oktober, tritt er bei der norddeutschen Meisterschaft an.
François Conrad ist gebürtiger Luxemburger, hat in Bamberg und Prag studiert und kehrte dann 2010 in seine Heimat zurück, um dort in Luxemburgisch zu promovieren. Inzwischen forscht Sprachwissenschaftler François Conrad wieder in Deutschland, in Hannover, wo er sich als nächstes mit einem Mythos befassen wird. Nämlich dem, dass das beste Deutsch in Hannover gesprochen wird. „Luxemburgisch aber ist und bleibt mein Steckenpferd“, sagt der 34-Jährige, der mit seiner Begeisterung für die eigene Muttersprache inzwischen auch zahlreiche Sprachwissenschaftler in Hannover angesteckt hat. Denn dort bietet François Conrad Kurse über das Luxemburgische an.
François, du unterrichtest Luxemburgisch in Hannover?
Ja, es geht dabei um die Struktur des Luxemburgischen und den Unterschied zum Deutschen, und das Interesse ist riesig. Ich mache es zum wiederholten Mal und habe für den nächsten Kurs bereits 60 Anmeldungen. Die Studierenden dort sind daran sehr interessiert. Luxemburgisch hat einfach einen guten Ruf. Ich war vor einem Monat in Melbourne auf einer Konferenz, und auch dort fand es jeder total spannend, als ich davon erzählte. Irgendwie ist Luxemburgisch etwas Besonderes.
Und woran liegt das?
Einerseits hat die Sprache einen gewissen Niedlichkeitsfaktor, sie ist irgendwie neu, bislang wenig erforscht und das Land, in dem sie gesprochen wird, ist sehr klein. Andererseits ist es das Sprachgemisch, also diese Mischung aus Luxemburgisch, Deutsch, Französisch und Englisch, und wie sich alles gegenseitig beeinflusst. Im Luxemburgischen gibt es in allen Bereichen viel zu entdecken, egal ob bei den Lauten, der Morphologie oder dem Satzbau. Diese Mischung der verschiedenen Sprachen finden ganz viele ganz spannend. Es gibt noch viel zu entdecken. Für junge Sprachwissenschaftler ist das eine Goldgrube.
Hannover gilt ja als der Ort in Deutschland, an dem perfektes Hochdeutsch gesprochen wird. Stimmt das wirklich?
Tatsächlich ist es so, dass ich dort ganz, ganz wenig Dialekt höre. Ich bin fast monolingual in Hannover unterwegs, was für mein luxemburgisches Gehirn ziemlich ungewöhnlich ist. Das Deutsche dort ist sehr nah am Standard, aber nicht ganz rein. Wobei das nicht nur für Hannover, sondern auch für die umliegenden Städte gilt. Es gibt durchaus auch ein paar niederdeutsche Einflüsse, aber die lassen sich fast an zwei Händen abzählen. Ein wirklich reines Hochdeutsch wird jedoch wahrscheinlich nirgendwo gesprochen.
Das Deutsche wirkt auf andere ja sehr abgehackt. Gibt es etwas Vergleichbares auch im Luxemburgischen?
Ich weiß aus meiner Erfahrung in Hannover, dass viele, die Luxemburgisch zum ersten Mal hören, der Meinung sind, dass es wie Holländisch klingt. Das hat unter anderem mit den vielen „Sch“-Lauten zu tun. Die Wörter werden außerdem - anders als im Deutschen - gebunden und klingen deswegen weicher. Und der französische Einfluss spielt natürlich eine Rolle. Diese Mischung sorgt dafür, dass die Sprache irgendwie als niedlich und ganz anders als das Deutsche bewertet wird.
Und wo wird das reinste Luxemburgisch gesprochen? Wo also liegt das Hannover Luxemburgs?
Ist gibt auch hier einen Mythos, der allerdings weniger bekannt und auch überhaupt noch nicht näher erforscht ist. In Luxemburg ist es das Uelzechtdall und hier vor allem Mersch. In Mersch soll das reinste Luxemburgisch gesprochen werden – was das genau ist, gilt es jedoch noch zu klären.
Mit den Besonderheiten von Sprache setzt du dich auch als Science Slammer auseinander. Wie kam es dazu?
Ich habe ab 2011 in Luxemburg drei Jahre hintereinander selbst Science Slams an der Uni Luxemburg organisiert, war damals auch in der Gründungsphase von Luxdoc aktiv. Wird wollten Luxcoc bekannter machen und eine Schnittstelle zwischen Kultur und Wissenschaft schaffen. Das war recht erfolgreich und auch gut besucht. Ich wusste damals schon, ich will das irgendwann auch mal aktiv machen, also als Teilnehmer. Das hat dann allerdings noch etwas gedauert. Im November letzten Jahres habe ich dann in Hannover beim Tag der offenen Tür an der Uni an einem Science Slam teilgenommen.
Und dort hast du dich dann mit der Frage beschäftigt, warum das Deutsche so schön hart klingt …
Genau. Da ich ja Aussprache unterrichte und viel darüber forsche, kenne ich das ja aus eigener Erfahrung. Das wird ja auch gerne nachgeäfft, dieses „Nazi-Deutsch“. Mich hat interessiert, woran das liegt, und habe das dann als Thema für mich entdeckt. Ich bin im November zum ersten Mal aufgetreten, vor 500 Leuten, und habe diesen Slam dann auch gewonnen. Ich habe gemerkt: Das ist mein Ding. Ich mache in diese Richtung auch ganz viel anderes, mache Musik, habe Theater gespielt, habe also kein Problem, vor Publikum zu sprechen. Bislang war das alles im künstlerischen Bereich, und nun habe ich die Möglichkeit, Kunst und Wissenschaft zu verbinden. Das ist für mich eine Schnittstelle, in der ich all meine Stärken vereinen kann.
Du setzt dich mit etwas auseinander, was ja für jeden von uns Relevanz hat: Sprache. Ist das auch der Grund für deinen Erfolg?
Ich denke, die Mischung macht’s. Ich habe ein interessantes Thema gewählt und eine gute Art, das zu kommunizieren. Ich bin nach Hannover auch noch in Hamburg, Lübeck, Berlin, Osnabrück aufgetreten und ich habe dort überall gewonnen.
Hier das Video zu François Conrads Science Slam:
Und am 10. Oktober bis du erneut in Hamburg und nimmst dort an den norddeutschen Meisterschaften teil. Wie läuft diese Meisterschaft ab?
Es gibt vier regionale Vorentscheide, jeweils einen im Norden, Osten, Süden und Westen. Und an jedem dieser Vorentscheide nehmen acht Personen teil. Die Slam-Organisatoren der einzelnen Städte in diesen Gebieten können also eine Person zu dem Vorentscheid schicken. Ich bin der Vertreter für die Stadt Hannover und trete gegen sieben Mitstreiter an. Und aus jeder der vier Himmelsrichtungen qualifizieren sich dann die jeweils beiden besten für die Bundesmeisterschaft.
Sind da viele Sprachwissenschaftler dabei?
Nein. Der klassische Science Slammer ist weiß und männlich – da gehöre ich noch dazu. Aber meistens sind es MINT-Fächer, also etwa Mathematiker, Physiker oder Ingenieure. Es nehmen auch sehr wenig Frauen daran teil und ganz wenig Geisteswissenschaftler.
Sieht so aus, als hättest du da deinen Platz gefunden …
Absolut. Ich schreibe auch gerade an einem Buch zu diesem Thema, weil ich merke, dass ich damit den Nerv der Zeit getroffen habe. Den Erfolg mit meinem YouTube-Video mit weit über 300000 Clicks in nur wenigen Monaten hätte ich nicht erwartet. Irgendwie scheint das ein Thema zu sein, das gerade zieht. Und ich passe da sehr gut hin.
Und wie lange willst du das machen?
Ich weiß es nicht. Das nutzt sich natürlich schon mit der Zeit ab. Aber ich trete ja nicht nur bei den Slams auf, sondern werde auch gebucht. Man kann damit also durchaus auch Geld verdienen. Das nächste Slam-Thema ist aber schon in meinem Kopf. Ich nehme diese Welle also noch mit und befasse mich im nächsten Slam dann mit der Aussprache im Luxemburgischen. Über diesen Weg werde ich dann das Luxemburgische in die Welt tragen.
UPDATE am 15.10.: François Conrad hat die norddeutsche Meisterschaft gewonnen und tritt nun am 21. November in Leipzig bei der nationalen Meisterschaft an. Wir gratulieren! :)
Autor: Uwe Hentschel
Editor: Jean-Paul Bertemes