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Gentechnik ja oder nein – vielleicht gar nicht die entscheidende Frage, sondern: Werden Nachhaltigkeitskriterien eingehalten oder nicht. Beispiele?
Die Gentechnik-Debatte ist emotional stark aufgeladen und, wie kaum eine andere, geprägt von schwarz-weiß-Malerei. Die Wirklichkeit ist jedoch grau. Wer hat denn nun Recht? Die Gentechnik-Kritiker, oder die Befürworter? Machen Sie sich ein Bild. science.lu geht auf oft gestellte Fragen und die gängigsten Kritikpunkte für und gegen Gentechnik ein. Wir konzentrieren uns hier auf die grüne Gentechnik, also den Einsatz gentechnischer Verfahren in der Pflanzenzucht. Der Einsatz von Gentechnik bei der Herstellung von Medikamenten (rote Gentechnik) oder bei industriellen Prozessen (weiße Gentechnik) ist weniger umstritten.
Ist die pauschale Frage „Gentechnik ja oder nein?“ überhaupt relevant? Oder geht es vielmehr um Nachhaltigkeitskriterien?
Ein interessanter Vorschlag kommt hier von einem ungewöhnlichen Paar aus Kalifornien. Er, Raoul Adamchak, ist Biobauer. Sie, Pamela Ronald, Gentechnikerin. Ihr Vorschlag: Weg von pauschalen Verteufelungen hin zu Fall-zu-Fall Analysen. Mit Blick auf die Verantwortung die Welt zu ernähren, sollte in jedem Einzelfall geprüft werden, was die sinnvollste Methode ist, Pflanzennahrungsmittel herzustellen. Sie haben hierfür klare Kriterien aufgestellt:
Eine Zucht- oder Anbaumethode ist dann zulässig, wenn sie:
- ausreichend nahrhafte und sichere Nahrung produziert
- dabei die Bodenfruchtbarkeit erhöht, Umweltschäden verringert und den Landwirten gesunde Arbeitsbedingungen bietet
- das Leben der Armen und Hungernden verbessert sowie die ökonomischen Lebensbedingungen der ländlichen Gemeinschaft erhält
- das Genom einheimischer Pflanzen schützt und die genetische Vielfalt von Feldfrüchten erhöht.
Gentechnik oder keine Gentechnik? Das ist demnach also gar nicht die Frage. Sondern: Sind diese Kriterien erfüllt oder nicht. In vielen Fällen wird Gentechnik gar nicht nötig sein, oder nicht die beste Wahl sein. Wenn jedoch in einem konkreten Fall Gentechnik die beste Lösung darstellt, ohne dabei irgendeine der oben genannten Kriterien zu verletzen, warum also nicht?
Gibt es ein Beispiel für den Einsatz von Gentechnik, dem auch einige Kritiker zustimmen?
Ein oft zitiertes Beispiel für Gentechnik, wo quasi alle Kritikpunkte widerlegt werden, ist der Goldene Reis. In armen Regionen wo Reis Grundnahrungsmittel ist, ist Vitamin A-Mangel ein großes Problem. Denn Reis enthält kein Provitamin A. Wenn die Menschen also quasi nur Reis essen, fehlt ihnen dieses Vitamin A. Mit schlimmen Folgen. 250 Millionen Kinder im Vorschulalter sind von Vitamin A-Mangel betroffen. Bis zu 500.000 Kinder erblinden jährlich, etwa die Hälfte von ihnen stirbt daraufhin innerhalb eines Jahres. Die Rede ist von verstecktem Hunger: genug Kalorien, zu wenige Nährstoffe.
Was bisher immer wieder getan wird: NGO’s verteilen Vitamin A-Pillen. Interessanter wäre es jedoch, wenn der Reis selber die Fähigkeit hätte, ß-Carotin (Provitamin A) zu produzieren. Das war jedenfalls die Idee der Erfinder des Goldenen Reis. Weil es jedoch keine Reissorte mit der Fähigkeit gibt, ß-Carotin zu produzieren, mussten Gene aus anderen Organismen her: aus Mais und einem Bakterium. Die Erfinder des Goldenen Reis mussten also auf die Gentechnik zurückgreifen, da die konventionelle Züchtung dies nicht ermöglicht.
Und es scheint, als hätte sie beim Goldenen Reis an alle Gegenargumente der Gentechnik-Kritiker gedacht.
Kritik der Profitgier
Die Erfinder des Goldenen Reis haben die Lizenzen für den Goldenen Reis und die gemeinnützige Intention von den Großkonzernen erhalten und anschließend den Goldenen Reis durch öffentliche Gelder und Institute finanziert bzw. entwickelt. Anschließend haben sie die Technologie an die nationalen Reisinstitute in den jeweiligen Dritte-Welt-Ländern verschenkt.
Kritik, dass die Bauern ihre traditionelle Anbauweise aufgeben müssen und ihnen Sorten aufgedrängt werden, die nicht an die lokalen Begebenheiten angepasst sind
Einige der nationalen Reisinstitute in Dritt-Welt-Ländern kreuzen den Goldenen Reis in lokale Sorten ein. Und zwar so, dass man am Ende deren Eigenschaften wiederhergestellt hat. Mit dem zusätzlichen Plus an ß-Carotin. Alle Bauern, die weniger als 10.000 Dollar im Jahr verdienen, zahlen für den Reis keine Lizenzgebühren. Eine einmalige Verteilung würde ausreichen. Danach können die Kleinbauern den Reis so anbauen, wie sie das seit jeher gewohnt sind. Dazu gehört auch das Recht, Saatgut für die darauffolgende Ernte beiseite zu legen, was die Großkonzerne untersagen.
Das gute Image vom Goldenen Reis macht vielen Gentechnik-Kritikern jedoch Angst. Der Goldene Reis wird als Feigenblatt der Gentechnik-Industrie bewertet. Die Zugeständnisse an die Bauern seien in diesem Fall ehrenhaft, es handele sich dabei jedoch um eine Ausnahme. Die Konzerne würden weiterhin ihr Geld hauptsächlich mit Herbizidresistenz und den damit verbundenen systembedingten Abhängigkeiten verdienen.
Der Goldene Reis könnte also der Gentechnik den Schrecken nehmen.
Aber weshalb braucht es den Schrecken? Braucht es nicht vielmehr die vernünftige Einschätzung der Konsumenten, Landwirte und Wissenschaftler, was sinnvoll und verantwortungsvoll ist und was nicht? Hierfür ist jedoch viel Wissen verlangt. Und dieses ist nicht immer transparent zugänglich.
Gibt es noch andere Beispiele, wo Gentechnik für arme Leute eingesetzt wird?
Die meisten GV-Pflanzen sind für den westlichen Markt bestimmt. In vielen Entwicklungsländern, wo der Welthunger am ehesten gestillt werden muss, gelten jedoch andere Umweltbedingungen, die sich auf den Ertrag auswirken – schlechte Böden und Dürren, wie die in Ostafrika, können humanitäre Katastrophen auslösen – und andere Bedürfnisse: Wie z.B. das Bedürfnis, Wasser einzusparen.
Es bleibt ein lohnendes Ziel Pflanzen zu entwickeln, die weniger Wasser benötigen. Oder auf salzigen Böden wachsen können, um bisher ungeeignete Flächen landwirtschaftlich nutzbar zu machen.
Wenn möglich mit konventionellen Züchtungsmethoden. Wenn nötig, mit Gentechnik?
Entsprechende Projekte laufen bereits. Wie z.B. das WEMA-Projekt: Water efficient maize for Africa – angepasst an die lokalen Bedingungen, finanziert von Stiftungen. Neben konventioneller Pflanzenzucht wird auch Gentechnik eingesetzt. Mit transgenem Mais werden schon Feldversuche gemacht. Die Bauern sollen den GV- Mais anschließend lizenzfrei erhalten.
Vielen afrikanischen Staaten fehlen jedoch noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Bewertung und Zulassung von GVO. Gentechnik-Kritiker befürchten zudem eine Übertragung des westlichen Modells der Abhängigkeit auf die Afrikaner und damit einhergehend die Zerstörung einer traditionellen Landwirtschaftsform.
Ist dieses Projekt sinnvoll oder nicht? Hängt wohl davon ab, ob die oben genannten Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden oder nicht...
Gentechnik, um die Banane zu retten?
Gentechnik könnte bei Pflanzen nützlich werden, die sehr krankheitsanfällig sind und bei denen die Züchtung eingeschränkt ist. Etwa bei Bananen: Da die männlichen Blüten steril sind, vermehren sie sich, indem sie sich klonen. Es gibt also kaum genetische Vielfalt. Mit dem Resultat: Ist eine Banane anfällig für eine Krankheit, sind gleich alle bedroht.
Die ehemals in den Industrieländern beliebte Dessertbanane Gros Michel wurde bereits durch die Panamakrankheit ausgerottet. Nun ist auch die heutzutage verzehrte Cavendish-Sorte bedroht. Nur durch große Mengen an Pestiziden können die Krankheitserreger abgewehrt werden – mit negativen Folgen für Umwelt und Feldarbeiter. Daher das Ziel der Pflanzenzüchter: Resistente Sorten entwickeln.
Aufgrund der mangelnden genetischen Vielfalt ist die Bananenzucht jedoch kompliziert und hat bisher kaum befriedigende Resultate geliefert. In Honduras wurden Wildformen eingekreuzt. Die resistenten Bananen schmeckten danach nach Apfel. Nun laufen Versuche mit transgenen Bananen. Die Rettung der Banane? Oder ein leeres Versprechen der Gentechnik-Befürworter? Oder einfach ein Ansatz unter mehreren, eine Lösung zu finden?
Autor: Jean-Paul Bertemes (FNR)
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