© Uwe Hentschel
„Wenn man zurzeit in Luxemburg unterwegs ist, sieht man überall rot leuchtende Fichten - ein Zeichen dafür, dass der Borkenkäfer ganze Arbeit geleistet hat und noch immer leistet“, sagt Forstwirtin Elisabeth Freymann. Sie ist Mitarbeiterin der Naturverwaltung und dort zuständig für den Bereich Wald, dem die zunehmende Trockenheit zu schaffen macht. Zu den Bäumen, die unter dieser Trockenheit besonders leiden, zählen vor allem die Fichten. Was sie wiederum anfällig für Schädlinge wie beispielsweise dem Borkenkäfer macht.
Wobei Borkenkäfer, die europaweit mit rund 150 Arten vertreten sind, nicht grundsätzlich ein Problem sind. In Natur- bzw. Bannwäldern können sie zu einer natürlichen Walddynamik beitragen: Befallene Waldflächen sterben ab und machen so den Weg frei für eine neue Waldgeneration. Problematisch wird es nur, wenn sie massenhaft auftreten und wenn sich dabei dann ausgerechnet um die Arten handelt, die den größten Schaden anrichten. Unter den gut 50 Borkenkäferarten, die es in Luxemburg gibt, zählen dazu vor allem der Buchdrucker und der Kupferstecher. Genau diese beiden Arten fressen sich derzeit scheinbar unaufhaltsam durch Rinde und Bast der Fichten.
Gemisch aus Bohrmehl und Pheromonen lockt weitere Käfer an
Die beiden in Zentral- und Nordeuropa sowie in Teilen Asiens beheimateten Arten unterscheiden sich nicht nur in ihrer Größe (der Buchdrucker misst zwischen 4,5 und 5 Millimeter, der Kupferstecher lediglich 1,8 bis 2,6 Millimeter), sondern auch in ihrer Vorliebe für bestimmte Bäume. Während sich der Buchdrucker, der als wirtschaftlich gefährlichster Borkenkäfer gilt, vor allem durch ältere Fichtenbestände ab einem Alter von 50 Jahren frisst, hat es der Kupferstecher eher auf die dünnrindigen Jungwuchsbestände und Dickungen abgesehen. „Bei hohen Populationsdichten befällt er auch stehende Altfichten in der Oberkrone“, sagt Freymann. Und mitunter habe es der Kupferstecher auch auf andere Nadelhölzer wie Lärche, Douglasie, Kiefer und Tanne abgesehen, fügt sie hinzu. Das komme aber eher selten vor.
Ein Kupferstecher bei der Arbeit
Bei beiden Arten bohren sich die Männchen durch die Rinde der Fichten und legen eine sogenannte Rammelkammer an. Bei der Bohrung vermischen sich artspezifische Lockstoffe (Pheromone) mit dem Bohrmehl, wodurch weitere Männchen und Weibchen angezogen werden. Jeweils zwei bis drei Weibchen werden von einem Männchen begattet.
Wichtige Leitbahnen zwischen Fichtenwurzeln und Nadeln werden getrennt
Beim Buchdrucker legen die Weibchen anschließend einen Muttergang parallel zur Faserrichtung des Holzes an. An den Seitenwänden dieser bis zu 30 Zentimeter langen Gänge werden 20 bis 80 Eier platziert. Die Weibchen des Kupferstechers hingegen fressen von der Rammelkammer ausgehend sternenförmige, 3 bis 6 Zentimeter lange Muttergänge zwischen Rinde und Holz und legen entlang dieser Gänge 10 bis 50 Eier ab.
Gut zwei Wochen nach der Eiablage schlüpfen die Larven, die sich dann unter der Rinde senkrecht zu den Holzfasern durchfressen. Nach drei Larvenstadien, die sich über drei bis sechs Wochen erstrecken, legen die Larven sogenannte Puppenwiegen an, in denen sie sich dann schließlich verpuppen und zu Jungkäfern heranwachsen.
Der Fraß der Larven und der Jungkäfer ist auch das, was den Fichten zu schaffen macht. Der Nachwuchs frisst sich nämlich durch den Bast zwischen Borke und Spintholz und durchtrennt dabei die Leitbahnen, die die Fichtenwurzeln mit den in den Nadeln durch Photosynthese gebildeten Assimilaten versorgen.
Eine gesunde Fichte wehrt sich mit Harzfluss
„In der Regel hat der Käfer die rot gewordenen Bäume bereits verlassen, um benachbarte Fichten zu befallen“, erklärt die Forstwirtin. Die sich rot verfärbten Fichten würden demnach als Ausgangspunkt bei der Suche frisch befallener Fichten genutzt. Zu erkennen seien die neu befallenen Bäume an dem frischen Bohrmehl und den Einbohrlöchern sowie dem grünen Nadelteppich am Fuß der Bäume, der sich vor allem bei Trockenheit bilde.
Der Buchdrucker frisst sich vor allem durch ältere Fichtenbestände
Buchdrucker und Kupferstecher sind Sekundärschädlinge. Normalerweise befallen sie also keine gesunden, sondern nur geschwächte Bäume. Zudem haben auch sie natürlich Feinde, wie etwa Specht und Ameisenbuntkäfer oder aber die Schlupfwespe. Ein massenhaftes Ausbreiten des Borkenkäfers können aber auch Specht & Co nicht verhindern – was aber unter normalen Bedingungen auch gar nicht nötig wäre. Denn eine gesunde Fichte ist durchaus in der Lage, sich zu wehren. Der Baum reagiert während des Einbohrens mit Harzfluss, sodass der Käfer gewissermaßen von einem Harztropfen ummantelt wird. Weil in Trockenperioden aber zu wenig Wasser für die Harzproduktion zur Verfügung steht, wird dieser Abwehrmechanismus außer Kraft gesetzt.
Mittel- bis langfristig hilft nur Waldumbau zu Laub- und Mischwäldern
Aufgrund des starken Befalls im vergangenen Jahr war im Frühjahr 2019 mit einer hohen Ausgangspopulation der Borkenkäfer, die unter der Rinde oder im Bodenstreu überwintern, zu rechnen. „Temperaturen von über 16 Grad im April und Mai dieses Jahres haben zu einem frühzeitigen Ausschwärmen der überwinternden Käferpopulation und zu neuem Befall geführt“, so Freymann. Aufgrund der hohen Temperaturen von Juni bis August hätten sich drei Generationen und zwei Geschwisterbruten bilden können, weswegen eine weitere Ausbreitung zu erwarten sei.
„Vor allem im Norden des Landes hat die Käferentwicklung an Fahrt aufgenommen, und es gibt immer wieder neue Käfernester“, erklärt sie. „Die Schwärmaktivität und damit das Befallrisiko werden vermutlich bis Ende September anhalten, danach sinkt aufgrund abnehmender Tageslänge und Temperatur die Aktivität der Borkenkäfer.“ Wie viele Bäume bislang befallen seien, lasse sich nicht sagen, zumal für den Privatwald keine Zahlen vorlägen, so Freymann. Seit vergangenem Jahr seien im öffentlichen Wald aber bereits 55000 Kubikmeter Käferholz eingeschlagen worden.
Da es die Käfer in erster Linie auf die geschwächten Fichten abgesehen haben, gelten reine Fichtenbestände als besonders gefährdet. „Naturnahe gemischte Wälder sind in der Regel weniger anfällig gegenüber Schädlingsbefall und extremen Wetterereignissen, die durch den Klimawandel voraussichtlich immer häufiger auftreten werden“, sagt Freymann. Mittel- bis langfristig helfe nur ein Waldumbau hin zu standortsangepassten Laub- und Mischwäldern, die mit dem Klimawandel und der damit einhergehenden Trockenheit besser zurechtkämen, fügt sie hinzu. Und der Borkenkäfer habe diesen Prozess des Waldumbaus etwas beschleunigt.
Autor: Uwe Hentschel
Fotos: Uwe Hentschel