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Anm. der Redaktion: Dieser Artikel ist eine leicht angepasste Version eines Artikels, der auf Luxemburgisch in unserer Rubrik Mr Science veröffentlicht wurde.
Dass frische Miesmuscheln vorwiegend in den Monaten mit R auf den Tisch kommen – also September bis April – hat vor allem drei Gründe. Der erste ist ihr eiweißreiches Fleisch. Das verdirbt schnell, sodass die Tiere traditionell lebend von der Ernte bis zum Kochtopf transportiert werden. Das war früher ohne ausreichende Kühlung in den heißen Sommermonaten kaum möglich.
Das sollte heute ja kein Problem mehr sein.
Richtig. Auch wenn es heute das ganze Jahr über vorgekochte und tiefgefrorene Miesmuscheln gibt, wird das Gros nach wie vor lebend vom Fang bis in den Kochtopf transportiert. Und da kommt der zweite Grund ins Spiel. Im Sommer haben Miesmuscheln einfach weniger Muskelfleisch, weil sie Energie für die Fortpflanzung brauchen. Jede weibliche Muschel gibt dann bis zu zwölf Millionen Eier ins Wasser, die von der Spermawolke der Männchen befruchtet werden. Das ist ein Kraftakt und zehrt an den Reserven der kleinen Tiere.
Und was ist Grund Nummer drei?
Der liegt im Futter. Denn in der heißen Jahreszeit kann die Algenblüte giftige Stoffe produzieren, die die Schalentiere aus dem Wasser filtern und im Fleisch anreichern. Eine Muschelvergiftung wäre die Konsequenz und die ist nicht besonders spaßig für den Muschelgourmet. Deshalb ist es auch gesetzlich vorgeschrieben, Muschelproben vor dem Verkauf auf solche Gifte zu testen.
Danke! Dann werde ich meine nächste Portion frische Miesmuscheln jetzt umso mehr genießen!
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Im Englischen heißen sie schlicht und einfach mussels - Muscheln. Die Deutschen nennen sie Miesmuscheln, was auf den ersten Blick auf einen fragwürdigen Charakter deuten könnte. Doch weit gefehlt Mies stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet Moos. Denn einerseits überdecken die Schalentiere den Meeresboden an manchen Stellen wie das Moos den Wald. Und andererseits sind ihre Bysussfäden idealer Lebensraum für Algen, die ihnen ein Moosgrün verleihen.
Diese Bysussfäden - auch Muschelseide genannt – sind ein Gemisch proteinreicher Sekrete. Einzelne Fädchen sind nur 10 bis 45 Mikrometer dick und damit dünner als ein menschliches Haar. Damit kleben sich die Muscheln fest an ihren Lebensraum, sodass ihnen auch die stärkste Strömung nichts anhaben kann. Diese Fähigkeit macht sie auch für findige Forscher interessant. Die wollen daraus eine Art bionischen Superkleber entwickeln, der auch unter Wasser hält. Außerdem, so die Idee, könnte auch die Medizin davon profitieren. Nämlich dann, wenn anorganische Materialien wie künstliche Zahnkronen oder Implantate im Körper an organische Strukturen geklebt werden soll.
Was wir an den Muscheln so sehr schätzen, sind ihre Schließmuskeln. Ziehen sich der kleine vordere und der große hintere Schließmuskel zusammen, halten sie die Schale der Muschel fest geschlossen. Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass geöffnete Muscheln vor dem Kochen aussortiert werden müssen. Denn tote Muscheln können keine Muskeln anspannen und demnach auch nicht ihre Schalen geschlossen halten. Und da sich das Eiweiß in den Muskeln toter Tiere zersetzt, fängt man sich damit schnell eine Vergiftung ein. Nach dem Kochen öffnen sich die Muscheln. Dann ist alles o.k.
Auch wenn es heute das ganze Jahr über vorgekochte und tiefgefrorene Miesmuscheln gibt, wird das Gros nach wie vor lebend vom Fang bis in den Kochtopf transportiert. Das ginge einerseits natürlich im Wasser. Das ist aber wenig praktisch. Etabliert hat sich heute der Transport in hermetisch abgedichteten Plastebeuteln. Die Luft darin ist so feucht, dass die Muscheln nicht austrocknen und enthält so viel Sauerstoff, dass sie gut eine Woche davon leben können.
Autor: scienceRELATIONS/Kai Dürfeld
Redaktion: Michèle Weber (FNR)
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- https://www.planet-wissen.de/natur/tiere_im_wasser/muscheln/pwiemiesmuscheln100.html
- https://www.deutschesee.de/fisch-meeresfruechte/schon-gewusst/fischlexikon/miesmuschel/
- https://www.worldsoffood.de/specials/was-isst-deutschland/item/2820-warum-heissen-miesmuscheln-miesmuscheln.html
- https://www.deutschesee.de/fisch-meeresfruechte/schon-gewusst/fischlexikon/miesmuschel/
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- Jaworski: Properties of byssal threads, the chemical nature of their colors and the veil of Manoppello. In: Proceedings of the international workshop on the Scientific approach to the Acheiropoietos images. 2010.
- Klebende Muschelproteine haften weitgehend unabhängig von der Anzahl ihre bindenden Bestandteile. Möglichkeit neuartiger Klebstoffe. Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 4. November 2008.
- Kongchang Wei, Berna Senturk, Martin T. Matter, Xi Wu, Inge K. Herrmann, Markus Rottmar, Claudio Toncelli: Mussel-Inspired Injectable Hydrogel Adhesive Formed under Mild Conditions Features Near-Native Tissue Properties. American Chemical Society (ACS) Applied Materials & Interfaces 11(51): 47707-47719, 2019 doi:10.1021/acsami.9b16465
- https://www.ifam.fraunhofer.de/content/dam/ifam/de/documents/Klebtechnik_Oberflaechen/Klebstoffe_Polymerchemie/proteinbasierte_materialien_fraunhofer_ifam.pdf
- https://www.planet-wissen.de/natur/tiere_im_wasser/muscheln/pwiemiesmuscheln100.html
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