Artifizielle Intelligenz

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Die komplexen Softwares der Zukunft werden wahrscheinlich das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Bürgern, KI und professionellen Entwicklern sein.

Autos, Smartphones, Kühlschränke usw. - immer mehr Alltagsgegenstände sind mit dem Internet verbunden und funktionieren mithilfe von Software. Somit werden immer mehr Entwickler benötigt, um diese Programme zu erstellen. Schätzungen zufolge werden bis 2030 in Europa 8 Millionen Arbeitnehmer im IKT-Sektor fehlen und auch in Luxemburg ist Entwickler ein gefragter Beruf.

Wusstest du, dass du jetzt schon mit wenigen oder sogar ohne Programmierkenntnisse bestimmte Softwares selbst erstellen kannst? Es gibt Plattformen, die als "low code" (minimales Programmieren notwendig) oder "no code" (kein Programmieren notwendig) bezeichnet werden und die deine Anforderungen automatisch in Codezeilen umsetzen können.

Abbildung 1: Beispiele für bereits existierende „No-Code“-Plattformen und deren Hauptverwendung. Quelle: baserow.io.

Mithilfe dieser Plattformen kann jeder bereits heute Websites, Datenbanken und Management-Apps erstellen und personalisieren. "Immer mehr Softwares werden in Zukunft von Bürgern mithilfe von Low-Code- oder No-Code-Plattformen erstellt werden", sagt Professor Jordi Cabot, FNR PEARL Chair.

Jordi Cabot verfügt über einen PEARL-Lehrstuhl des FNR‘s und leitet die Forschungsabteilung Software Engineering in der ITIS-Abteilung am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST). Er ist außerdem Affiliate Professor für Informatik an der Universität Luxemburg.

Seine Forschung fällt in den weiten Bereich der System- und Softwaretechnik, insbesondere die Förderung der rigorosen Verwendung von Softwaremodellen für jede Softwareaufgabe, wobei er das unvorhersehbarste Element eines jeden Projekts im Auge behält: die beteiligten Personen. Zu seinen aktuellen Forschungsthemen gehören pragmatische formale Verifizierungstechniken, die Analyse von Open-Source-Gemeinschaften, die Nutzung offener Daten/open-data und die Rolle der KI in der Softwareentwicklung (und umgekehrt).

Weitere Informationen auf der Website von Prof. Cabot: https://jordicabot.com/

Foto: LIST

Die Nutzung dieser Plattformen ist jedoch auf bestimmte Aufgaben beschränkt und man kann sie noch nicht verwenden, um beispielsweise intelligente Systeme wie die Software für ein vernetztes Auto zu erstellen. Tatsächlich enthält die Software eines modernen Autos durchschnittlich 100 Millionen Zeilen Code, was zu komplex ist, um es über Low-Code zu erhalten.

Könnte künstliche Intelligenz helfen?

Viele Entwickler - sowohl Profis als auch Amateure - verlassen sich bei der Programmierung bereits auf generative KI. "Die generative KI wird in Zukunft noch wichtiger werden, um den Code für Softwares zu generieren", prognostiziert Professor Jordi Cabot.

Komplexere Programme werden jedoch nicht nur von einer einzelnen generativen KI erstellt werden, sondern von einem ganzen Team von KI-Agenten, die miteinander interagieren. Prof. Cabot erläutert: "Wir würden mehrere spezialisierte Agenten einsetzen, um Aufgaben individuell zu lösen. Diese Arbeit würde unter der Aufsicht von fortgeschritteneren Agenten durchgeführt werden, die in der Lage sind, die Qualität der Arbeit zu bewerten. Die Aufsichtspersonen werden wiederum von Konsensagenten koordiniert, deren Ziel es ist, eine endgültige Entscheidung auf der Grundlage des Feedbacks und der Übereinstimmungen zwischen den Aufsichtsagenten zu treffen."

Abbildung 2. Die Autogen-Plattform von Microsoft arbeitet mit einem Team von KI-Agenten, die miteinander kommunizieren. Autogen-Agenten können passend zur Aufgabe angepasst werden (links) und verschiedenen Kommunikationsstrukturen folgen (rechts).

Die generative KI kann anhand von Prompts Text und Codezeilen erstellen. Sie tut dies, indem sie jedes Mal die logischste Wortfolge hinzufügt. Wenn wir z. B. den Satz "Du benimmst dich wie ein Elefant im…“ haben, ist die logischste und gebräuchlichste Folge "Porzellanladen". Um herauszufinden, welche Folge die logischste ist, wird die generative KI mit einem Datensatz trainiert und durchläuft dann eine Reihe von Tests und Verbesserungen, bis das gewünschte Ergebnis erreicht wird. 

KI ist jedoch keine magische Lösung, da sie mehrere Nachteile hat. Beispielsweise kann die generative KI an "Halluzinationen" leiden, d. h. sie kann falsche Informationen liefern. "Wenn ich ChatGPT nach meinen Errungenschaften frage, erhalte ich die Antwort, dass ich zum Beispiel den Humboldt-Preis gewonnen habe. Nur ist das leider nicht der Fall", erzählt Professor Jordi Cabot. 

Außerdem wären die Ergebnisse für eine bestimmte Aufgabe nicht immer identisch, insbesondere wenn die Aufgaben komplex sind. Zusätzlich könnte die KI, da sie mit einem Datensatz aus der realen Welt trainiert wird (der oft sogar nur auf bestimmte Regionen wie die USA beschränkt ist), soziale Vorurteile widerspiegeln, die in der Gesellschaft vorhanden sind. Prof. Cabot nennt ein Beispiel: "Wenn man fragt, ob Frauen Männern unterlegen sind, können einige generative KIs antworten, dass dies der Fall ist, oder dass im Gegenteil Männer unterlegen sind, anstatt zu antworten, dass wir alle auf dem gleichen Level sind."

Somit ist KI allein keine geeignete Methode für kritische Aufgaben, kann aber bei sich wiederholenden Aufgaben hilfreich sein.

Entwickler der Zukunft: Eine Kooperation zwischen Bürgern und KI?

Auch wenn einige Softwares von Bürgern und der KI erstellt werden können, ist Professor Jordi Cabot der Meinung, dass "die komplexen Softwares der Zukunft wahrscheinlich das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Bürgern, KI und professionellen Entwicklern sein werden." So könnte es sein, dass der Bürger mit der KI interagiert, um seine Anforderungen und Feedback zu den erhaltenen Prototypen an die Software weiterzugeben. Diese Interaktion könnte zudem von einem professionellen Entwickler überwacht werden, der mit dem Bürger und der KI in Kontakt steht, um Fehler zu vermeiden. Ein System, das eine solche Zusammenarbeit ermöglicht, gibt es derzeit noch nicht, könnte aber in naher Zukunft entstehen.

Abbildung 3: Ein mögliches Szenario für die Zusammenarbeit zwischen Bürger, KI und Entwickler. Quelle: Prof. Jordi Cabot, LIST

Das Forscherteam von Prof. Cabot entwickelt derzeit BESSER, eine "Low-Code"-Plattform zur Erstellung von Software. Eine erste Version von BESSER kann bereits von erfahrenen Nutzern installiert werden und bereits in sechs Monaten wollen sie eine Online-Version herausbringen. Momentan ist es mit BESSER auch schon möglich, Chatbots zu generieren, mit denen man sich zum Beispiel auf Luxemburgisch unterhalten kann. In Zukunft planen sie, dieser Plattform KI-Elemente hinzuzufügen, um die Zusammenarbeit zwischen Nutzer und KI zu erleichtern und um komplexere und flexiblere Software zu erstellen. "Bis 2025 werden die meisten großen Low-Code-Unternehmen ihren Plattformen intelligente Elemente hinzugefügt haben", glaubt Prof. Cabot.

Autor : Eléonore Pottier
Redaktion : Michèle Weber (FNR)

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