© Fondation EME
Gemäß Paragraf 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist die kulturelle Teilhabe ein Grundrecht, das allen Menschen zugestanden wird. Theo Hartogh interessiert in diesem Zusammenhang, wie eine solche kulturelle Teilhabe für Menschen mit Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen im Bereich der Musik aussehen kann.
Hartogh ist Professor für Musikpädagogik an der Universität Vechta und als solcher auch Teilnehmer einer Konferenz am 6. Mai in der Philharmonie Luxemburg. Bei der von der Fondation EME (Ecouter pour Mieux s‘Entrendre) organisierten Veranstaltung geht es um die Frage, wie Musik die Lebensqualität von Demenzerkrankten erhalten und auch fördern kann.
Atmosphären und Stimmungen von Musik werden wahrgenommen
Dabei stünden aber nicht die Defizite der Betroffenen, sondern vielmehr deren Ressourcen im Vordergrund, wie Hartogh erklärt. „Studien und Praxiserfahrungen zeigen, dass Demenzerkrankte zwar zunehmend durch kognitive Einbußen beeinträchtigt sind, aber im Bereich der Musik durchaus Kompetenzen zeigen, die sogar ausgebaut werden können“, sagt der Musikpädagoge.
So seien Demenzerkrankte zwar häufig nicht mehr in der Lage, an einem Gespräch teilzunehmen oder sich sprachlich zu artikulieren. Gleichzeitig aber könnten sie Lieder mit allen Strophen singen, die sie in ihrer Jugend oder auch später gelernt hätten, sagt Hartogh. Auch wenn kognitive Funktionen durch die Demenz zunehmend beeinträchtigt seien, könnten Atmosphären und Stimmungen von Musik sehr gut erspürt und wahrgenommen werden.
Melodien lernen trotz Alzheimer
„An der Universität Vechta konnten wir in einer Klavierstudie zeigen, dass interessierte Demenzbetroffene mit einem leichten bis mittleren Krankheitsgrad durchaus lernen können, eine ihnen unbekannte Melodie auf dem Klavier zu spielen und dies auch später zu erinnern“, so Hartogh. „Es ist musikinteressierten Demenzerkrankten sogar möglich, noch im Alter - trotz der dementiellen Einschränkungen - das Spielen von Melodien oder Begleitformeln auf Klavier oder Veeh-Harfe zu erlernen.“
Zudem gebe es auch zahlreiche Studien, die ein Lindern des Unruhe- und Aggressionsverhaltens demenziell erkrankter Menschen durch Singen, instrumentales Musizieren oder aber Hören von Musik belegten, fügt er hinzu. „Gerade wenn es einen biografischen und persönlichen Bezug zur Musik gibt, können erkennbare und signifikante Wirkungen von Musik auf dementielle Symptome erzielt werden“, sagt der Wissenschaftler. Eine bestimmte Musik oder musikalische Aktivität, die man allgemein empfehlen könne, gebe es aber nicht.
Musik dort hinbringen, wo sie gebraucht wird
Für die Fondation EME ist die Fachkonferenz, an der neben Theo Hartogh auch die niederländische Musikpädagogin Hanne Deneire teilnimmt, ein wichtiger Baustein, um die Bedeutung ihrer Arbeit nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wissenschaftlich zu untermauern. „Wir setzen uns in diesen Konferenzen mit Themen auseinander, mit denen wir bei unserer Arbeit täglich konfrontiert werden“, erklärt Sarah Bergdoll, Projektkoordinatorin der Fondation EME.
Die 2009 gegründete Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, die Musik den Menschen näherzubringen, die aufgrund von Erkrankungen oder ihrer sozialen Umstände vom kulturellen Leben ausgeschlossen sind. Die Fondation veranstaltet unter anderem Konzerte und musikalische Projekte für Senioren, Menschen mit Behinderung, Flüchtlinge oder aber auch Gefängnisinsassen. Musik dorthin bringen, wo sie gebraucht wird – darin sieht die Fondation EME ihre Aufgabe.
LCSB auf dem Gebiet der Demenzforschung sehr aktiv
Im diesem Fall geht es um Menschen mit Demenz, einer Erkrankung, mit der man sich in Luxemburg aber nicht nur musiktherapeutisch, sondern auch systembiologisch auseinandersetzt - wie vor allem am Luxembourg Center for Systems Biomedicine (LCSB). Dort befassen sich Forscher intensiv mit der Entstehung und Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson oder Demenz. So wurde beispielsweise am LCSB ein Gen identifiziert, das einen neuen Ansatz zur Entwicklung von Alzheimer-Therapien bieten könnte.
Von Bedeutung sind Forschungsergebnisse wie dieses allein schon deshalb, weil die Zahl der Demenzerkrankungen aufgrund der immer höheren Lebenserwartung stetig steigt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden derzeit bereits weltweit rund 50 Millionen Menschen an Demenz.
Autor: Uwe Hentschel