© Paul Bossenmaier & Tine Gennaio
Vom Schlangenstern „Melusinaster alissawhitegluzae“ gibt es zwei Modelle. Eines steht im Musée national d’histoire naturelle (MNHN) und das andere mittlerweile im Studio der Namensgeberin Alissa White-Gluz. Sie ist Sängerin der schwedischen Extreme-Metal-Band Arch Enemy und hat die Nachbildung des Fossils kürzlich während eines Konzerts in der Rockhal überreicht bekommen.
Den Namen ausgesucht und den Schlangenstern überreicht hat der Paläontologe Ben Thuy. Und er hat auch dafür gesorgt, dass die beiden Modelle unterschiedlich sind. Schließlich ist das Publikum des Naturmuseums ein anderes als das der Rockhal. Wobei das eine das andere natürlich nicht ausschließt. Dem Forscher des MNHN war es dennoch wichtig, dass es in beiden Fällen passt. „Es sollte ja nicht so aussehen, als hätte ich mich auf der Bühne geirrt“, sagt er grinsend. Folglich hängt der Schlangenstern für das Natur Musée an einer roten Koralle während das Exemplar für die Metal-Sängerin einen schwarzen Totenkopf umschlingt.
Die Musik von Arch Enemy hat den Forscher inspiriert
Neben „Melusinaster alissawhitegluzae“gibt es auch noch ein Fossil, das nach der Band benannt wurde, nämlich „Melusinaster arcusinimus“. Auch dabei handelt es sich um einen Schlangenstern, der genau wie das andere Fossil zur Verwandtschaft der Gorgonenhäupter gehört. Ben Thuy und seine Kollegin Sabine Stöhr vom schwedischen Naturkundemuseum haben diese winzig kleinen fossilen Überreste, die in Deutschland und Luxemburg gefunden worden waren, analysiert und dabei festgestellt, dass es sich um eine Art Übergangsform zwischen den Gorgonenhäuptern und den „normalen“ Schlangensternen handelt. Eine wissenschaftliche Sensation. Nur was hat das alles mit Alissa White-Gluz und ihrer Band Arch Enemy zu tun?
Nun, wie Ben Thuy erklärt, wurde er bei der Forschungsarbeit zu den Fossilien von der Musik der schwedischen Band begleitet und inspiriert. „Dabei wurde aus Arch Enemy recht schnell eine meiner Lieblingsbands“, sagt er. So sei eines zum anderen gekommen - und das sogar einfacher als er gedacht habe. „Ich wusste ja zunächst nicht, wie die Band auf meinen Vorstoß reagieren wird“, erinnert sich der Paläontologe. Nach einem Konzert in Saarbrücken hat er schließlich mit den Musikern gesprochen. Und die waren begeistert. Vor allem Frontfrau Alissa White-Gluz.
Beeindruckende Verbindung von Kunst und Wissenschaft
„Es ist wirklich eine Ehre“, sagt die Sängerin. „Die Tatsache, dass eine so wichtige Entdeckung stattfand, während die Paläontologen unsere Musik hörten, ist etwas ganz besonderes.“ Auf diese Art Kunst und Wissenschaft miteinander zu vereinen sei beeindruckend, so Alissa White-Gluz, die ebenfalls naturwissenschaftlich vorbelastet ist.
Ihre Mutter sei Chemikerin, erzählt die Sängerin, und sie selbst habe in der Schule für ihre naturwissenschaftlichen Leistungen mehrere Auszeichnungen erhalten. „Ich lerne immer noch gern und versuche jeden Tag, meinen Wissenshorizont zu erweitern“, sagt die Bandleaderin. Dabei interessiere sie sich vor allem für Ernährungs- und Sportwissenschaft sowie Zoologie, aber auch für Themen aus der Psychologie, Geschichte oder Philosophie.
Großes Publikum für kleine Fossilien
Dass Alissa White-Gluz sich über diesen ungewöhnlichen Brückenschlag zwischen der Paläontologie und der Metal-Szene freut, wissen nicht nur die rund 1000 Fans, die bei dem Konzert in der Rockhal anwesend waren, sondern längst auch ihre gut 800000 Follower auf Facebook. Und das wiederum freut Ben Thuy, der sich derzeit mit einer ganzen Ausstellung im Natur Musée dem Verhältnis zwischen Paläontologie und Rock-Musik widmet (siehe Infobox).
„Dass die Musiker und auch die Fans so darauf anspringen, damit haben wir nicht gerechnet“, sagt der Forscher. Er ist davon überzeugt, dass Aktionen wie diese für die Wissenschaft eine Bereicherung sind. Ein so breites Publikum mit so winzigen Fossilien zu erreichen, davon können viele seiner Kollegen nur träumen. Und dazu dann auch noch mit einer der Lieblingsbands auf der Bühne stehen – was will man da als Metal hörender Paläontologe noch mehr?
Autor: Uwe Hentschel
Foto © Paul Bossenmaier & Tine Gennaio