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Es gibt unterschiedliche Formen von Narzissmus. Mehr dazu im Artikel.

Anm. der Redaktion: Dieser Artikel ist eine leicht angepasste Version eines Artikels, der auf Luxemburgisch in unserer Rubrik Mr Science veröffentlicht wurde.

Für eine klinische Diagnose des Narzissmus müssen viele Kriterien erfüllt werden (siehe Infobox). Im Allgemeinen versteht man unter Narzissten Menschen, die ein überzogenes Selbstbewusstsein zur Schau stellen: Sie halten sich für großartig, einzigartig, und nur ähnlich grandiose Menschen sind den Umgang mit ihnen überhaupt wert. Das kann schlimme Folgen für die Betroffenen haben: Sie haben Schwierigkeiten, stabile Beziehungen aufzubauen. Narzissten werten ihre Mitmenschen oft ab, unterstellen ihnen Neid und Eifersucht. Wenn sie mal kritisiert werden, reagieren sie ungehalten oder werden sogar wütend.

Wie wird man zum Narzissten?

Da haben Forscher unterschiedliche Erklärungen. Viel hängt wohl davon ab, wie Menschen von ihren Eltern oder Bezugspersonen in der Kindheit behandelt worden sind. Kleine Kinder sind stark auf die Liebe und Zuneigung der Eltern angewiesen. Bekommen sie diese nicht oder nicht in ausreichendem Maß, kann es sein, dass sie sich ganz auf Lob konzentrieren - zum Beispiel für etwas, das sie besonders gut machen. So versuchen sie, ihr unsicheres Selbstbild zu stabilisieren. Wenn sich das im Laufe der Persönlichkeitsentwicklung nicht ändert, kann ein Mensch narzisstische Züge entwickeln.

Das kann aber auch passieren, wenn Kinder zu viel und zu viel falsches Lob bekommen - also übertrieben viel Aufmerksamkeit. Auch dann kann es zu einem überbordenden, narzisstischen Ego kommen. Und genetische Veranlagungen spielen wohl auch eine Rolle bei der Entstehung von Narzissmus.

Es gibt unterschiedliche Formen von Narzissmus

Manche Betroffenen haben tatsächlich ein schwaches Selbstbewusstsein. Sie fühlen sich wertlos, sind im Grunde unsicher und kompensieren das, zum Beispiel indem sie andere Menschen abwerten und schlecht machen. Andere hingegen halten sich tatsächlich für die Größten und streichen das auch für alle sichtbar deutlich heraus. Das ist dann eher der Angebertyp. Der dritte Narzissmus-Typ wirkt bösartig, weil auch er die Anerkennung sucht - sich aber für vermeintlich fehlende Anerkennung rächt.

Können Menschen mit solch einer Persönlichkeit überhaupt stabile Beziehungen eingehen?

Narzissten haben in der Regel wenig Empathie für andere. Das ist ein Grund, warum es schwierig für sie ist, in einer stabilen Beziehung zu leben. Aber es ist nicht unmöglich. Gerade am Anfang einer Beziehung wirken Narzissten oft sehr charismatisch und besonders. Das lässt sie sehr attraktiv erscheinen. Das dauerhafte Zusammenleben mit einem Partner kann ihnen beispielsweise gelingen, wenn dieser selbst auch narzisstische Züge hat und narzisstisches Verhalten aushält, wenn es ihm entgegengebracht wird.

Dann gibt es Menschen, die selbst so unsicher sind, dass sie sich dem vermeintlichen oder tatsächlich starken Willen eines Narzissten unterordnen, sich von ihm durch das Leben leiten lassen und dafür auf anderes verzichten, zum Beispiel echte Nähe, Zuwendung und Aufmerksamkeit. Auch das kann funktionieren.

Welche Therapien gibt es für Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung?

Die Therapieansätze sind im Grunde die gleichen wie auch bei anderen Persönlichkeitsstörungen, etwa Depression oder Schizophrenie. Dazu gehören zum Beispiel die Psychotherapie oder medikamentöse Behandlungen. In erster Linie geht es darum, nach der Diagnose die persönlichen Belastungen des Patienten zu mindern und dann mit ihm eine Reflexion seiner Verhaltensweisen herbeizuführen. Ziel ist es, das schädliche, narzisstische Verhalten langfristig zu ändern. Die Diagnosemethoden und Therapieansätze sind aber stetig im Fluss - deshalb bleibt es weiterhin spannend in der Forschung.

Was zeichnet Narzissmus aus?

Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM, auf Deutsch: „Diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen“) ist ein US-amerikanisches Klassifikationssystem für psychische Störungen. In der fünften Ausgabe (DSM-5) wird als Kennzeichen für Narzissmus festgehalten, dass die Betroffenen ein grandioses Gefühl von Wichtigkeit haben sowie eigene Leistungen und Talente übertreiben. Sie haben Fantasien von Erfolg, Macht, Schönheit und perfekter Liebe. Auch glauben sie, etwas ganz Besonderes zu sein und nur mit ebenfalls ganz besonderen Menschen auf Augenhöhe agieren zu können. Narzissten verlangen nach dem DSM-5 stark nach Bewunderung und haben den Anspruch, besonders behandelt zu werden. Sie können nur wenig Empathie entwickeln und tendieren dazu, Beziehungen nutzenorientiert zu betrachten - nach dem Motto: So lange du mir nützt, bin ich dein Freund. Dabei nehmen sie wenig Rücksicht auf die Gefühle und Bedürfnisse ihrer Mitmenschen. Oft unterstellen sie anderen Neid und zeigen sich überheblich.

 

Raus aus der Schublade - Diagnosehandbuch der WHO definiert psychische Erkrankungen neu

Menschen mit psychischen Erkrankungen werden oft in Schubladen gesteckt: Depression Borderline, Schizophrenie oder Narzissmus. In vielen Fällen ist eine klare Zuordnung jedoch für Ärzte schwierig: Beispielsweise müssen für die Diagnose “Narzissmus” fünf von neun anerkannten Kriterien erfüllt werden. Das führt dann dazu, dass Menschen mit ganz unterschiedlichen Symptomen und Charakteren - die auch unterschiedlich therapiert werden müssen - dieselbe Diagnose bekommen. Andererseits können sich bei einer Person verschiedene Diagnosen überlappen. Damit soll jetzt nach dem Willen der Weltgesundheitsorganisation WHO Schluss sein. In ihrem 2022 herausgekommenen neuen Diagnosehandbuch ICD-11(International Classification of Diseases, 11th Revision) wird zwischen den bisherigen Krankheiten nicht mehr unterschieden. Es gibt nur noch die Diagnose “Persönlichkeitsstörung” - und dazu Kriterien, die angeben, wie viel Hilfe ein Betroffener braucht.

 

Wie kann man sich vor Narzissten schützen?

Narzissten können sehr charismatisch und attraktiv sein. Wie kannst Du mit einem Narzissten umgehen, wenn Du in einer nicht funktionierenden Beziehung mit ihm steckst? Der langfristig anstrengendste Weg besteht darin, die Beziehung auszuhalten, so wie sie ist. Das dürfte für den nicht-narzisstischen Partner allerdings emotional schwierig sein, wenn er mit der Beziehung unzufrieden ist. Vielleicht bekommt er ja bei Freunden die emotionale Nähe und Zuwendung, die ihm in der Beziehung fehlt.

Man kann gegenüber dem narzisstischen Partner die Probleme ansprechen und schauen, ob man durchdringt, oder sich gegebenenfalls professionelle Hilfe holen. Zum Beispiel bei einer Paarberatung. Wenn das aber alles nichts bringt, bleibt nur die Trennung, bevor man völlig unglücklich wird.

Um dich allgemein vor narzisstischen Freunden, Bekannten oder Arbeitskollegen zu schützen, kannst Du folgende Strategien ausprobieren:

  • Setze dem Narzissten klare Grenzen und halten diese ein, um dein emotionales Wohlbefinden zu schützen.
  • Wenn möglich, minimiere deine Interaktionen mit dem Narzissten, um möglichen Schaden zu verringern.
  • Narzissten leben von Konflikten und Aufmerksamkeit. Vermeide es, dich auf Machtkämpfe einzulassen oder zu versuchen, sie zu ändern.
  • Teile deine Erfahrungen mit vertrauenswürdigen Freunden, der Familie oder einem Therapeuten, der dir emotionale Unterstützung und eine Perspektive bieten kann.
  • Investiere in dein eigenes Wohlbefinden und persönliches Wachstum, um dich gegen die Auswirkungen des Umgangs mit einer narzisstischen Person zu wappnen.
  • Bilde dich weiter: Das Verständnis von Narzissmus kann dir helfen, Interaktionen besser zu steuern und dich vor Manipulation zu schützen.
  • Übe dich in Selbstbehauptung: Lerne, deine Bedürfnisse zu kommunizieren und deine Grenzen ruhig und selbstbewusst durchzusetzen.
  • Realistische Erwartungen aufrechterhalten: Erkenne, dass sich ein Narzisst wahrscheinlich nicht ändern wird, daher ist es wichtig, deine Erwartungen zu steuern.

Denke daran, dass der Umgang mit einem Narzissten emotional herausfordernd sein kann. Daher ist es wichtig, dass Du dein eigenes Wohlbefinden in den Vordergrund stellst und bei Bedarf professionelle Hilfe in Anspruch nimmst.

Autor: Hannes Schlender (scienceRELATIONS)
Redaktion: Michèle Weber (FNR)

Infobox

Quellen

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