Jean-Baptiste Burnet

Wenn Blaualgen sich vermehren, bilden sie grün-bläuliche Teppiche. 2021 im Stausee

Das Gesundheitsministerium teilte heute in einer Pressemitteilung mit, dass Cyanobakterien in der Mosel entdeckt wurden. Aber auch andere luxemburgische Gewässer sind betroffen: Für den Strand Rommwiss des Stausees und den See von Weiswampach gilt eine sogenannte "phase de préalerte". Was heißt das jetzt? Wie funktionieren die Kontrollen der Badegewässer in Luxemburg,und wird sich das Problem in Zukunft verschlimmern oder verbessern? Darüber haben wir mit dem Umweltexperten Jean-Baptiste Burnet vom Luxembourg Institute of Science and Technology gesprochen. Außerdem haben wir recherchiert wie gefährlich Blaualgen sind, und was man tun sollte, wenn man mit Blaualgen Kontakt hatte. 

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Zur Person: Jean-Baptiste Burnet

Jean-Baptiste Burnet ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am LIST und Spezialist für Umwelt- und Biotechnologien. Er ist unter anderem zuständig für die Überwachung von Blaualgen in Luxembourg und für die Ausarbeitung von neuen Technologien, die zu einer verbesserten Überwachung des gesamten Wasserzyklus beitragen sollen.

LinkedIn: Jean-Baptiste Burnet

Twitter: @JB_Burnet

Was bedeutet eine phase de préalerte und ab wann wird ein Badegewässer zugemacht?

Bei einer phase de préalerte ist das Baden offiziell zwar noch erlaubt, jedoch sollte man trotzdem vorsichtig sein, so Jean-Baptiste: 

Unsere Beobachtungen und Laboranalysen zeigen, dass die umweltbedingungen der letzten Wochen das Wachstum von Blaualgen in den Badegewässern in Luxemburg und in Europa gefördert haben. Einige offizielle Badegebiete in Luxemburg wurden bereits in die "phase de préalerte" versetzt. Es kann sein, dass wir demnächst in die "phase d'alerte" übergehen. Es ist also Vorsicht geboten, wenn man baden gehen möchte.

Jean-Baptiste Burnet

Eine "phase de préalerte" wird dann verkündet, wenn einzelne Punkte oder kleine Ansammlungen von Cyanobakterien zu sehen sind, welche aber einen gewissen Schwellenwert an produzierten Giften nicht überschreiten.

In Luxemburg ist die Wasserwirtschaftsverwaltung (AGE) zuständig für die Kontrolle und Sperrung der Badegewässer. Das LIST übernimmt die Überwachung der Blaulagen und stellt der Wasserwirtschaftsverwaltung die Daten zur Verfügung. Laut dem sogenannten „Plan d’alerte cyanobactéries“ muss ein Badegewässer gesperrt werden, sobald eine Vermehrung von Blaualgen beobachtet wird. Ab wann man von einer Vermehrung spricht, ist in Luxemburg folgendermaßen kategorisiert: 

  • Kategorie 1: nur vereinzelte Punkte einer Ansammlung von Blaualgen sind sichtbar, noch keine Blaualgenblüte vorhanden,
  • Kategorie 2: etwas dichter auftretende Punkte einer Ansammlung von Blaualgen am Ufer sichtbar,
  • Kategorie 3: ein klarer Blaualgenteppich über einer größeren Fläche ist zu erkennen.

„Bei einer Situation der Kategorie 1 oder 2 werden Proben entnommen und analysiert, ob die Toxine, die von den Blaualgen produziert werden, einen gewissen Schwellenwert überschreiten. Wird kein Schwellenwert überschritten, wird die sogenannte „Phase de préalerte“ ausgerufen. Die Abstände der Proben werden dann verkürzt. Überschreiten die Toxine den festgelegten Schwellenwert, wird das Badegewässer sofort für Badegäste gesperrt. Bei Vorliegen einer Situation der Kategorie 3 wird das Baden unverzüglich, ohne weitere Untersuchungen auf Toxine verboten. Diese Vorsichtsmaßnahme beruht auf der Tatsache, dass es bei einer solchen Teppich-Bildung sehr unwahrscheinlich ist, dass sich keine Blaualgentoxine dort befinden", erklärt Burnet. 

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Plan d’alerte cyanobactéries

 Zusammen haben der LIST und die AGE den nationalen „Plan d’alerte cyanobactéries“ erstellt, der sich an den Vorgaben der europäischen Badegewässerrichtlinie und dem „Règlement grand-ducal modifié du 19 mai 2009“ der Schutzmaßnahmen und Programme zur Überwachung der Badegewässer orientiert.

Was sind Blaualgen?

Blaualgen sind keine Algen, sondern Bakterien, sogenannte Cyanobakterien. Man findet sie zu jedem Zeitpunkt und in fast jedem Gewässer, aber auch in Böden, Wüsten oder Vulkanasche. Unter normalen Umständen stellen sie kein Problem dar. Wenn sich die Cyanobakterien jedoch stark vermehren, dann bilden sie grünliche Teppiche oder Schlieren im Wasser und können hohe Mengen an Giften produzieren, welche für Menschen und Tiere gefährlich sind. 

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Wenn Blaualgen keine blauen Algen sind: woher kommt dann der Name?

Ihren Volksnamen haben die Cyanobakterien, da sie früher fälschlicherweise zu den Algen gezählt wurden. In den 1960er Jahren entdeckte man, dass die angeblichen Algen sehr sensibel auf Penizillin, also Antibiotika reagieren. Genauere Untersuchungen machten klar, dass es sich um Bakterien handelte. Das „Blau“ in Blaualgen kommt daher, dass einige Arten den blauen Farbstoff Phycocyanin enthalten und dadurch eine bläuliche Farbe haben. Diese Bezeichnung wurde für alle Cyanobakterien übernommen, auch für diejenigen, die diesen blauen Farbstoff nicht enthalten.

Cyanobakterien waren unter den ersten Lebewesen, die die Erde besiedelt haben. Heute gibt es viele verschiedene Arten von Cyanobakterien:  Im Stausee ist es auch nicht jedes Jahr die gleiche Art, die für die Sperrung der Strände verantwortlich ist. Welche Art sich besonders gut vermehrt, hängt von den Umweltfaktoren im jeweiligen Jahr ab.

Blaualgen in Badegewässern mögen bei Badegästen sehr unbeliebt sein. Dabei haben wir vieles auf unserem Planeten den Cyanobakterien zu verdanken, u.a. Sauerstoff und Fotosynthese. Mehr dazu in der Infobox.

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Cyanobakterien und die Erdgeschichte

Wie lange Cyanobakterien schon auf der Erde leben, ist umstritten. Schätzungen reichen von 3.5 bis 1.8 Milliarden Jahre. Zu diesem Zeitpunkt gab es weder mehrzellige Pflanzen noch höhere Lebewesen und in der Atmosphäre gab es so gut wie keinen Sauerstoff. Durch ihre Fotosynthese stoßen Cyanobakterien Sauerstoff aus. Man geht davon aus, dass es vor allem die Cyanobakterien waren, die unsere Atmosphäre mit Sauerstoff angereichert haben. Ohne Sauerstoff hätten sich nicht all die Lebewesen entwickelt, die wir heute kennen, uns Menschen inklusive. Dieses Ereignis gilt als so markant, dass es als große Sauerstoffkatastrophe (Great Oxygen Event) bezeichnet wird.

Neben dem Sauerstoff haben wir den Cyanobakterien wahrscheinlich noch einen anderen sehr wichtigen Schritt in der Evolution zu verdanken: die Entstehung der Pflanzen, die Fotosynthese betreiben. Die Teile der Pflanzenzelle, die für die Fotosynthese zuständig sind, die sogenannten Chloroplasten, sind vermutlich aus den Cyanobakterien heraus entstanden.  

Cyanobakterium Nostoc sp. unter dem Mikroskop

AdobeStock by elif

In den Siebzigern tauchten erstmals Blaualgen im Stausee auf. Mittlerweile passiert das fast jedes Jahr. 

Wie gefährlich sind Blaualgen denn nun?

Die meisten Cyanobakterien-Arten setzen Gifte frei, die für Mensch und Tier gefährlich sind. Die gesundheitlichen Schäden hängen von Quantität und Dauer des Kontakts ab.

Laut dem deutschen Giftinformationszentrum GIZ und der Vergiftungs-Informations-Zentrale Freiburg kann es zu folgenden Symptomen kommen:

  • Bei Verschlucken von verseuchtem Wasser kann es insbesondere zu Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall) aber auch Fieber und Kopfschmerzen kommen. Die gastrointestinalen Symptome beginnen in der Regel nach 3-5 Stunden und dauern 1-2 Tage. In einzelnen, schlimmeren Fällen wurden Schädigungen der Leber und der Nieren beobachtet.
  • Gelangen Cyanobakterien in die Lunge, können sie auch zu Atemwegsproblemen führen. In seltenen Fällen wurde eine atypische Lungenentzündung beschrieben.
  • Bei Hautkontakt mit Cyanobakterien können leichte bis schwere Hautreizungen aber auch Bindehautentzündungen und Ohrenschmerzen auftreten.

Beschwerden können auch erst nach wiederholtem Kontakt auftreten. Wenn nach einem Kontakt keine Symptome aufgetreten sind, sollte man daher trotzdem nicht nochmal in belastetem Wasser schwimmen.

Seit 2008 wurden beim GIZ (zuständig für die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) insgesamt 25 Patienten beraten, bei denen diese Symptome im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber Cyanobakterien stehen könnten. Schwere Vergiftungen seien sehr selten. Unserer Recherche nach sind keine tödlichen Vergiftungen durch Baden oder Freizeitnutzung in belasteten Gewässern bekannt.

Laut GIZ sind aufgrund der auftretenden Symptome Menschen mit vorbestehenden Leber- oder Nierenfunktionsstörungen oder Atemwegserkrankungen (z.B. Asthma) einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Auch Kleinkinder, Ältere und auch Menschen mit einem geschwächten Immunsystem gehören zur Risikogruppe.

Haus- und Nutztiere sind dem größten Risiko ausgesetzt: hier kommt es regelmäßig zu tödlichen Vergiftungen durch Trinken von belastetem Wasser. Zu den häufigsten Symptomen bei Tieren gehören Erbrechen, Torkeln, Atemprobleme und Muskelkrämpfe.

„Man unterscheidet zwischen vier verschiedenen Arten von Giften, die Cyanobakterien produzieren: Hepatotoxine, Dermatotoxine, Cytotoxine und Neurotoxine“, erklärt Jean-Baptiste Burnet, Spezialist für Umwelt- und Biotechnologien. „In Blaualgenteppichen können gleichzeitig mehrere dieser Gifte auftauchen, da nicht immer nur eine Blaualgen-Art vertreten sein muss. Außerdem gibt es auch Arten, die verschiedene Gifte gleichzeitig produzieren.“

Die vier verschiedenen Klassen der Cyanotoxine und die Symptome, die sie bei Menschen hervorrufen

  • Hepatotoxine schaden hauptsächlich der Leber. Zu ihnen gehören die sogenannten Microcystine, die am weitesten verbreitet sind. Durch diese Gifte sterben Leberzellen ab, was zu Leberschäden führen kann. Hepatotoxine können aber unter anderem auch zu Durchfall, Erbrechen und Lungenentzündungen führen.
  • Dermatotoxine können zu Hautirritationen, Bindehautentzündungen, Allergien und Asthma führen.
  • Neurotoxine greifen das Nervensystem an. Auch hier kann es zu schwerwiegenden Folgen kommen, beispielsweise Schwindel, Kopfschmerzen, Taubheitsgefühle, Muskelzucken und sogar Atemlähmung.
  • Cytotoxine haben gleichzeitig einen Effekt auf Leber und Nervensystem. Demnach können die gleichen Schäden wie bei den Hepato- und Neurotoxinen auftreten.

Oft bleiben diese Toxine in der Zelle und werden erst beim Absterben ins Wasser freigesetzt. Dies passiert in einer Blaualgenblüte , also einem Massenvorkommen von Blaualgen permanent. Andere wiederum geben die Gifte kontinuierlich in Wasser frei.

Achtung: Die Schwere der Symptome und der gesundheitlichen Schäden ist abhängig von Person, Dauer und Quantität des Kontaktes mit den Bakterien. Nicht jeder Kontakt führt zwangsläufig zu den aufgelisteten Symptomen. Schwere Vergiftungen sind bei gesunden Menschen selten.

Ich habe Wasser mit Blaualgen verschluckt oder hatte Hautkontakt: Was muss ich jetzt beachten?

Wenn man in befallenem Wasser gebadet hat oder damit in Kontakt gekommen ist, sollte man sich gut mit Seife abduschen und die (Bade-)Bekleidung ausziehen und auswaschen. Besonders Hunde sollten gründlich mit Wasser abgewaschen werden, da sie sonst durch Lecken ihres Fells die Gifte aufnehmen können.

In der Regel werden bei Freizeitaktivitäten im Wasser nur kleine Mengen verschluckt. Laut GIZ sollte man in diesem Fall zunächst abwarten und auf das Auftreten möglicher Symptome achten. Treten leichte Symptome auf, können diese zu Hause behandelt werden (so wie bei Magen-Darm-Beschwerden anderer Ursache). Sollte es zu Atembeschwerden oder ausgeprägten Magen-Darm-Beschwerden kommen, z.B. anhaltendes Erbrechen oder mehrfacher Durchfall, könnte der Elektrolythaushalt des Körpers gestört werden. Deshalb soll man in solch einem Fall einen Arzt aufsuchen, der ggf. auch die Leber-und Nierenwerte kontrollieren kann. Die Beschwerden können nur symptomatisch behandelt werden (z.B. Elektrolytersatz, ausreichende Flüssigkeitszufuhr) da es kein offiziell getestetes und zugelassenes Gegengift (Antidot) für Cyanotoxine gibt.

Bei Haustieren ist ein schnelles Handeln entscheidend. In der Tierarztpraxis kann je nach Zustand des Tieres eine Magenentleerung vorgenommen werden. Alternativ können auch Mittel gegen die Symptome, wie etwa Muskelrelaxantien, verabreicht werden.

 

Stellen Blaualgen ein Problem für das Trinkwasser dar? 

Der Obersauer Stausee ist die größte Trinkwasserquelle in Luxemburg. Um das Trinkwasser muss man sich laut Jean-Baptiste Burnet keine Sorgen machen. Blaualgen, die sich im Trinkwasserbecken befinden, werden durch eine sehr performante Aufbereitungsanlage neutralisiert. Dass die Aufbereitungsanlagen Blaualgen neutralisieren müssen, kommt jedoch nur selten vor: Cyanobakterien halten sich hauptsächlich in oberen Wasserschichten auf. Das Trinkwasser wird aber in der Regel aus tieferen Wasserschichten entnommen (die Tiefe, aus der das Trinkwasser entnommen wird, ist einstellbar), wo sich in der Regel keine oder viel weniger Cyanobakterien befinden.

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Kann man Fische aus dem Obersauer Stausee noch essen, wenn Blaualgen auftauchen?

Offizielle Regulierungen zum Verzehr von Fischen aus belasteten Gewässern gibt es in Luxemburg nicht. „Da der Obersauer Stausee so groß ist und die Blaualgen ungleichmäßig auftreten, weiß man nie genau, ob die Fische sich in der Nähe der Blaualgen aufgehalten haben und wie lange. Hinzu kommt, dass die Studien und Untersuchungen von Fischen in kontaminierten Gewässern nicht schlüssig sind. Einige haben festgestellt, dass Gifte sich in verschiedenen Organen wie der Leber u.a. der Fische ansammeln können. Jedoch isst man die normalerweise beim Fisch nicht mit“, erklärt Jean-Baptiste.

Um ein Risiko zu vermeiden, gilt auch hier: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Den Fisch sollte man also besser nicht essen. Den Kontakt mit dem Wasser sollte man auch meiden und sich die Hände waschen, nachdem man Fische angefasst hat.

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Wie werde ich darüber informiert, wenn Blaualgen in Badeseen sind?

In Luxemburg ist die Wasserwirtschaftsverwaltung für die Kontrolle der Qualität der offiziell ausgewiesenen Badegewässer und für die Kommunikation der Warnungen zuständig. Beides wird auf ihrer Website www.waasser.lu publiziert. Warnungen werden zudem per Pressemitteilung an die öffentlichen Medien weitergegeben. An den Badestränden werden zeitnah Warn- und Informationsschilder angebracht, die Badebesucher über die Situation in Kenntnis setzen.

 

 

Wodurch entstehen Blaualgen?

Blaualgen findet man zu jeder Zeit in Gewässern. Unter normalen Bedingungen ist die Konzentration jedoch so niedrig, dass sie nicht gefährlich sind. „Wenn ein Badesee wie der Stausee gesperrt wird, dann weil die Konzentration einen gefährlichen Schwellenwert erreicht hat. Eine derartige Vermehrung der Blaualgen, die sogenannte „Blaualgenblüte“ tritt meist Mitte August bis September auf. Das liegt daran, dass der Sommer verschiedene Faktoren begünstigt, die es den Blaualgen erlauben, gegenüber anderen Algen und Bakterien im Wasser zu dominieren“, so Burnet.

Zu diesen Faktoren gehören:

  • Die Verfügbarkeit an Nährstoffen: Durch Anreicherung von Nährstoffen im Wasser (besonders Phosphor und Stickstoff) kommt es verstärkt zu Blaualgenblüten. Man spricht hier von Eutrophierung. Dies kann unter anderem durch landwirtschaftliche Tätigkeiten in der Nähe des Wassers passieren. Wenn im Sommer Wasser verdunstet, erhöht sich zudem die Nährstoffkonzentration.
  • Hohe Wassertemperaturen sorgen für besonders gute Bedingungen für Blaualgen. Dies ist besonders Ende der Sommermonate und Anfang Herbst der Fall.
  • Auch die erhöhte Lichteinstrahlung im Sommer spielt eine Rolle. Da Blaualgen Fotosynthese betreiben, brauchen sie ausreichend Sonnenlicht.
  • In stehenden Gewässern kommt es schneller zu Blaualgenvermehrungen als in fließenden. Durch den niedrigeren Wasserpegel im Sommer stagniert das Wasser im Stausee mehr als im Rest des Jahres. 

Wird das Blaualgen Problem in Zukunft schlimmer, oder weniger schlimm? 

Ob sich das Blaualgen-Problem in Zukunft noch verstärken wird, sei schwer vorherzusagen, so Jean-Baptiste Burnet.  „Auf der einen Seite wird der Klimawandel die Wachstumsbedingungen der Cyanobakterien begünstigen. Auf der anderen Seite haben wir aber auch die Erweiterung der Schutzzone um den Stausee herum, die die Wasserqualität langfristig etwas verbessern sollte.“

Der Klimawandel wird wahrscheinlich einen negativen Impakt auf den Stausee haben: die steigenden Temperaturen und die häufigeren extremen Regenfälle, welche viele Nährstoffe (vor allem von Dünger und Pestiziden) vom Land ins Wasser spülen, werden die Wachstumsbedingungen der Blaualgen begünstigen. Eine Schutzmaßnahme, die zumindest der hohen Nährstoffkonzentration entgegenwirkt, ist die Schutzzone, die um den Stausee herum definiert wurde. In dieser sind viele Aktivitäten verboten, wie zum Beispiel der Einsatz von Pestiziden oder Düngemittel.

„Die positiven Effekte der Schutzzone werden sich erst in ein paar Jahren zeigen, da sich in den vergangenen Jahren viele Nährstoffe in den Sedimenten des Stausees angesammelt haben und auch nicht von heute auf morgen verschwinden werden.“ Hauptfaktoren, die in den Siebzigern für das Auftauchen der Blaualgen verantwortlich waren, waren damals die Intensivierung der Landwirtschaft und die Ausweitung der Industrie, durch die es zur Eutrophierung im Stausee kam.

„Kurzfristig wird sich das Problem der Blaualgen deshalb wohl mit den steigenden Temperaturen verschlimmern.  „Wir sehen heute schon, dass Blaualgen immer früher im Jahr auftauchen, da das Wasser mittlerweile oft schon im Frühsommer eine ausreichend hohe Temperatur erreicht. Wie es sich mittel- und langfristig entwickeln wird, wenn die Schutzzone ihre Effekte zeigt, ist schwer vorherzusagen.“

 

Wie lange bleiben Blaualgen?

Hier heißt es: Geduld haben. Auf natürliche Weise verschwinden Blaualgen erst wieder, wenn das Wasser etwas abkühlt oder wenn alle Nährstoffe aufgebraucht sind. Die Dauer der Algenblüten hängt also ganz von den Umweltfaktoren ab. Aber auch nachdem die Blaualgen abgestorben sind werden die Strände nicht wieder sofort aufgemacht, sondern erst, wenn auch alle Toxine verschwunden sind.

„Kurzfristig und aktiv kann man nicht wirklich etwas gegen Blaualgen tun. Zwar gibt es einige Möglichkeiten, Blaualgen im Wasser zu neutralisieren, jedoch halten sich die Möglichkeiten im Stausee sehr in Grenzen, da es sich um ein Trinkwasserreservoir handelt und keine Chemikalien eingesetzt werden können. Diese hätten auch einen Impakt auf die Flora und Fauna des Stausees.”

 

Wie erkennt man Blaualgen? Und wieso sind Strände gesperrt, obwohl ich keine Blaualgen sehen kann?

„Blaualgen bilden zuerst kleine grünliche Flocken. Sehr viele von diesen Aggregaten bilden dann eine gut erkennbare grüne Fläche, wie ein Teppich.  Wenn man in den Sommer- und frühen Herbstmonaten grüne Schliere oder Flocken im Wasser entdeckt, dann sind es höchstwahrscheinlich Blaualgen.“ Hinzu kommt der typisch muffige Geruch: Wenn Blaualgen absterben, was innerhalb einer Blaualgenblüte andauernd stattfindet, dann kommt es zu einem unangenehmen Geruch.

Man sollte sich aber keinesfalls nur auf seine eigenen Beobachtungen verlassen:

„Nach Absterben von Blaualgen können immer noch Toxine im Wasser zurückbleiben. Deshalb ist es wichtig, nicht baden zu gehen, bevor die offiziellen Warnungen aufgehoben wurden. Auch, wenn man selbst keine Blaualgen erkennen kann“, so Burnet.

Trotzdem kann es nicht schaden, einen Blick ins Wasser zu werfen, auch wenn keine offiziellen Warnungen kommuniziert worden sind. „Cyanobakterien müssen sich nicht unbedingt immer an der Oberfläche aufhalten. Nachts wandern sie beispielsweise in tiefere Schichten und kommen tagsüber an die Oberfläche wegen dem Sonnenlicht. Es kann also sein, dass wir morgens in den Proben noch gar keine Blaualgen sehen, sie aber im Laufe des Tages dann plötzlich auftauchen.“

Wer also auf Nummer sicher gehen will, sollte sich vor dem Baden sowohl auf der Website des Wasserwirtschaftsamts informieren als auch selbst einen Blick ins Wasser werfen, bevor man sich hineinbegibt oder Hunde daraus trinken lässt.

 

 

Fotos vom Stausee im Jahr 2021 Credit: Jean Baptiste Burnet

Ich habe Blaualgen entdeckt: was soll ich tun?

„In der Regel ist das Baden an allen ausgewiesenen Badegewässerstellen erlaubt", so Jean-Baptiste. „Blaualgenblüten können jedoch sehr schnell auftauchen, in welchem Fall ein Badeverbot aufgestellt wird. Wenn keine offiziellen Warnungen vorliegen und man Blaualgen zu erkennen glaubt, kann man dies mittels eines Fotos per E-mail an die Wasserwirtschaftsverwaltung (baignade@eau.etat.lu) senden, um sie darüber zu informieren. Wie bei einem citizen science Projekt können Besucher und Fischer so mithelfen, eine Blaualgenblüte schnellstmöglich zu erkennen und zu lokalisieren. Zwar sind die Kontrollen, die wir machen schon sehr effizient, jedoch gibt die Bürgerbeteiligung noch eine zusätzliche Form an Sicherheit und trägt dazu bei, den Bürger aktiv in dieser Überwachung einzubeziehen.“

Beispiele der drei Kategorien 

Wie werden Badegewässer in Luxemburg kontrolliert?

Ab Mitte April bis Anfang November werden Badegewässer regelmäßig auf verschiedene Parameter kontrolliert. Neben dem Vorkommen von Blaualgen werden zum Beispiel auch die Parameter für fäkale Verunreinigungen (Escherichia coli und Intestinale Enterokokken) von der Wasserwirtschaftsverwaltung im Wasser untersucht.

Die Kontrollen zur Überwachung der Blaualgensituation werden in enger Zusammenarbeit mit dem LIST durchgeführt. Seit diesem Jahr arbeitet man auch verstärkt mit der Polizei zusammen, die den Obersauer Stausee regelmäßig mit ihrem Helikopter überfliegt. Folgende Instrumente werden für eine ganzheitliche Kontrolle der Blaualgen an den gesetzlich festgelegten Badezonen des Obersauer Stausees angewandt:

  • Analysen im Labor: Ab dem 1. August wird die Probenentnahme von zwei auf viermal monatlich erhöht. „Dieser Beprobungsplan ist aber flexibel“ erklärt Burnet. „Sieht man schon im Juli, dass sich vermehrt Blaualgen bilden, dann fängt man natürlich schon früher an, die Situation einmal pro Woche zu kontrollieren. Im Rahmen der Kontrollen werden vor Ort Proben entnommen, die wir dann im Labor untersuchen.“
  • Überwachung von oben: Von Juli bis mindestens zum Ende der Badesaison wird der Obersauer Stausee vor jedem Wochenende mit einem Polizei-Helikopter von oben kontrolliert. „Blaualgenteppiche sieht man sehr gut aus der Luft. Über diese Kooperation sind wir sehr froh. Sie ermöglicht es uns, eine viel größere Fläche in kürzerer Zeit zu evaluieren.“
  • Automatisierte Technologien: Es gibt eine Reihe an Instrumenten, die teilweise schon eingesetzt werden, um die Überwachung zu automatisieren und so ein Auge 7/7 Tage auf dem Obersauer Stausee zu haben. Beispielsweise werden Fotoapparate eingesetzt, die mit einstellbaren Abständen Fotoaufnahmen machen können. Bojen, die im Wasser hängen, können im Minutentakt Daten über die Wasserqualität an den LIST senden. 

Außerdem sind auch schon Wasser- und Luftdronen im Rahmen eines Forschungsprojektes zum Einsatz gekommen. Diese halfen, die Dynamik der Blaualgenvermehrung besser zu verstehen. Sie gehören jedoch noch nicht zu den Routine Überwachungsinstrumenten.

Auch die als Badegewässer ausgewiesenen Weiher von Remerschen und Weiswampach werden kontrolliert, jedoch nicht mit der vollen Ausstattung wie dies für den Obersauer Stausee der Fall ist. In Zukunft können hier aber durchaus auch solche Geräte installiert werden. Zudem wird auch die Mosel auf das Aufkommen von Blaualgen untersucht, da in der Vergangenheit auch dort solche Aufkommen, sowohl in Luxemburg als auch in Frankreich und Deutschland, festgestellt wurden.

 

Autorin: Lucie Zeches (FNR)

Editoren: Jean-Paul Bertemes (FNR), Michèle Weber (FNR)

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Quellen

Administration de la gestion de l’eau (2018) Attention aux „algues bleues“! - Flyer sur la thématique des cyanobactéries. Verfügbar unter: https://eau.gouvernement.lu/fr/services-aux-citoyens/publications/2021/brochures/Achtung-Blaualgen.html

Technische Universität Berlin (27 Mai 2022). Dangerous Misconception in the Fight Against Blue-Green Algae [Press release]. https://www.tu.berlin/en/about/profile/press-releases-news/blue-green-algae/

Bauer, F., Fastner, J., Bartha-Dima, B., Breuer, W., Falkenau, A., Mayer, C., & Raeder, U. (2020). Mass occurrence of anatoxin-a-and dihydroanatoxin-a-producing Tychonema sp. in mesotrophic reservoir Mandichosee (River Lech, Germany) as a cause of neurotoxicosis in dogs. Toxins, 12(11), 726.

Whitton, B. A., & Potts, M. (Eds.). (2007). The ecology of cyanobacteria: their diversity in time and space. Springer Science & Business Media.

Berkely University of California Introduction to the Cyanobacteria Verfügbar unter: https://ucmp.berkeley.edu/bacteria/cyanointro.html

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Centers for Disease Control and Prevention Cyanobacteria Blooms FAQs. verfügbar unter: https://www.cdc.gov/habs/pdf/cyanobacteria_faq.pdf

Règlement grand-ducal du 16 avril 2021 délimitant les zones de protection autour du lac de la Haute-Sûre et déterminant les installations, travaux et activités interdites, réglementées ou soumises à autorisation dans ces zones et modifiant le règlement grand-ducal du 11 septembre 2017 instituant un ensemble de régimes d’aides pour la sauvegarde de la diversité biologique en milieu rural. https://legilux.public.lu/eli/etat/leg/rgd/2021/04/16/a316/jo

Facts about Cyanobacterial Blooms for Poison Center Professionals | Harmful Algal Blooms | CDC

Isabella Sanseverino, Diana Conduto António, Robert Loos and Teresa Lettieri; Cyanotoxins: methods and approaches for their analysis and detection; EUR 28624; doi:10.2760/36186

Bláha L, Babica P, Maršálek B. Toxins produced in cyanobacterial water blooms - toxicity and risks. Interdiscip Toxicol. 2009 Jun;2(2):36-41. doi: 10.2478/v10102-009-0006-2. PMID: 21217843; PMCID: PMC2984099.

North Dakota State University (2021) Cyanobacteria Poisoning (Blue-green Algae) verfügbar unter : Cyanobacteria Poisoning (Blue-green Algae) — Publications (ndsu.edu)

Eaux de baignade - Administration de la gestion de l'eau // Le gouvernement luxembourgeois

https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/LASD/Aufgaben/Gesundheitsschutz/Download/data/Badegewaesser/VergiftungenDurchCyanobakterien.pdf?__blob=publicationFile&v=2

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/dokumente/empfehlung_zum_schutz_von_badenden_vor_cyanobakterien-toxinen_2015_3.pdf

https://www.vet.cornell.edu/departments-centers-and-institutes/riney-canine-health-center/health-info/blue-green-algae-poisoning-cyanobacteria-toxicosis

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