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Wie konnte es zur globalen Finanzkrise kommen? Warum hatte sie niemand vorausgesehen? Und wie sinnvoll sind die Schutzmechanismen. David Howarth erklärt.
Prof. Howarth, warum haben Ökonomie-Experten die Finanzkrise nicht vorhersagen können?
Nur wenige hatten das große Bild im Blick und haben vor allem die verzinslichen Wertpapiere verstanden aus denen sich Zahlungsansprüche gegenüber sogenannten Zweckgesellschaften ergaben – eben jenes Konstrukt, durch das sich die Finanzkrise in der westlichen Welt verbreitet hat. Vor und während der Finanzkrise haben selbst die meisten Bänker und Ratingagenturen die komplexen Finanzprodukte schlecht verstanden.
Was ist daran so kompliziert?
Sie sind enorm miteinander verflochten. Ein Kredit oder Wertpapier wird beispielsweise versichert und dann mit anderen versicherten Wertpapieren neu „verpackt“. Für Ratingagenturen waren solche Finanzprodukte schwer zu bewerten – insbesondere, da als wertvoll eingeschätzte Wertpapiere mit weniger wertvollen kombiniert wurden. Als Folge sind eine Reihe von Banken, die diese produziert haben (vor allem in den USA) oder gekauft haben (vor allem in Europa) zusammengebrochen – oder wären dies ohne staatliche Hilfe.
Die Bankenkrise hat auch zu einer Staatsschuldenkrise geführt. Warum?
Zunehmende grenzüberschreitende Bankgeschäfte in Europa während der letzten zwei Jahrzehnte haben auch die „Ansteckungsgefahr“ erhöht. Daher war die Finanzkrise ein wesentlicher Faktor für die Staatsschuldenkrise.
Gibt es heutzutage „Gegenmittel“?
Ja. Um dem Teufelskreis entgegenzutreten haben sich die Euro-Staaten im Juni 2012 auf eine „Bankenunion“ verständigt. Diese besteht aus einer übernationalen Bankenaufsicht für die größten Banken, einen Abwicklungsmechanismus für insolvente Banken und einen finanziellen Unterstützungsmechanismus. Eines der wesentlichen Ziele ist es, in Europa eine den USA vergleichbare Situation zu erreichen: dass Banken scheitern können, ohne dass dies für das Gesamtsystem bedrohlich wird.
Sind die europäischen Banken mit so einer Überwachung einverstanden?
Die Banken hatten verschiedene Ansichten, wie die Bankenunion beschaffen sein sollte. Das Bankensystem Deutschlands etwa ist sehr stark dezentralisiert und schützt seine Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Gleichzeitig befindet sich in Deutschland eine der weltweit größten Banken, die Deutsche Bank, die Geschäftssitze in allen EU-Mitgliedsstaaten hat. Die Deutsche Bank hat die Errichtung der Bankenunion unterstützt und hat Interesse daran, dass alle deutschen Banken im Euro-Raum nach dem gleichen Regelwerk behandelt werden. Im Endeffekt wird es eine differenzierte Überwachung der europäischen Banken geben, bei der nur die größten von der Europäischen Zentralbank überwacht werden – obgleich prinzipiell ein einziges Regelwerk existiert.
Welche Rolle spielt die Europäische Zentralbank?
Die vertragliche Aufgabe der EZB ist es, die Inflation niedrig zu halten. Vor der Finanzkrise hat sich die EZB vornehmlich auch auf diese Aufgaben beschränkt. Seit 2009 hat die EZB jedoch Staatsschulden auf den Märkten gekauft um die peripheren Eurostaaten zu entlasten. Diese EZB-Politik ging über ihr Mandat hinaus und hat Geldpolitik in Fiskalpolitik umgewandelt – in direktem Widerspruch zu den Zielen mehrerer Mitgliedsstaaten, vor allem Deutschlands. Dies unterminiert Strukturbemühungen – etwa in Italien – die dazu beitragen könnten, die Staaten in der Euro-Peripherie zu stabilisieren und sie auf solide Füße für ein Wachstum in der Zukunft zu stellen.
Autor: Tim Haarmann
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Infobox
David Howarth ist Professor für politische Ökonomie an der Universität Luxemburg und früherer Jean Monnet – Leiter und Vorsitzender des Jean Monnet Exzellenzzentrums an der Universität Edinburgh. Seine Forschungsschwerpunkte sind: die politische Ökonomie der europäischen Einigung, vergleichende politische Ökonomie der Finanzsysteme, Finanzregulierung und die Politik und politische Ökonomie der internationalen Kapital-Liberalisierung. In Kürze erscheint sein zusammen mit Lucia Quaglia verfasstes Buch The Political Economy of European Banking Union. Prof. Lucia Quaglia der Universität York verbrachte 12 Monate an der Universität Luxemburg dank eines INTER MOBILITY Stipendiums des Fonds National de la Recherche (FNR). Das Stipendium fördert den Austausch zwischen etablierten Wissenschaftlern im In- und Ausland.