© Uwe Hentschel
Dieser Artikel ist ein Follow-up-Artikel des Beitrags: Richtige Kombination aus Ernährung und Bakterien hemmt das Krebswachstum
Für Kacy Greenhalgh ist es ein Zustand, der eigentlich nicht sein müsste. „Die betroffenen Krebspatienten werden selten über optimale Ernährung während der Krebsbehandlung informiert und müssen sich über Google schlau machen, wo sie mit gegensätzlichen Informationen überfördert werden“, sagt die Forscherin. Es gebe jedoch durchaus Studien darüber, welche Nahrungsmittel der Krebsbekämpfung vorteilhaft sein können, so Greenhalgh. Sie selbst hat zu dem, was auf diesem Gebiet bislang an Forschungsarbeit geleistet wurde, einen wichtigen Beitrag beigesteuert.
Die Post-Doktorandin des Luxemburg Center for Systems Biomedicine (LCSB) hat mit Kollegen sowie Forschern der Life Sciences Research Unit (LSRU) der Universität Luxemburg das Zusammenspiel von Ballaststoffen (Präbiotika) und gesunden Darmbakterien (Probiotika) untersucht und herausgefunden, dass eine bestimmte Kombination (Synbiotika) das Wachstum von Krebszellen in dem in vitro Modell HuMiX verlangsamen kann.
Ballaststoffreiche Ernährung allein reicht nicht aus
Wer auf Zigaretten, Alkohol, Nahrungsmittel mit hohem Fett- und Zuckergehalt oder aber industriell verarbeitetes Fleisch verzichtet und stattdessen vermehrt Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse zu sich nimmt, senkt gemäß dem Europäischem Kodex zur Krebsbekämpfung, das eigene Krebsrisiko. Dass die Ernährungsgewohnheiten einen großen Einfluss auf das Krebsrisiko haben, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist hingegen, wie auch das Wachstum der Krebszellen während der Chemotherapie durch die Ernährung und die individuelle Darmflora beeinflusst wird.
Allgemein werde empfohlen, sich bei einer Krebserkrankung möglichst ballaststoffreich und ausgewogen zu ernähren, sagt die luxemburgische Wissenschaftlerin. Und es gebe seit den letzten fünf Jahren auch viel Forschungswissen über den Einfluss der Darmflora und die Wirkung von Probiotika auf das Krebswachstum. Entscheidend für den Erfolg der Chemotherapien und Krebsbekämpfung sei letztlich aber die richtige Kombination der beiden Behandlungsansätze, so Greenhalgh.
Gene beeinflussen, die für Resistenzen gegen Chemotherapien verantwortlich sind
Die Forscher haben die Effekte von Ernährungsgewohnheiten und spezifischen Probiotika auf Dickdarmkrebszellen untersucht und dabei mit HuMiX gearbeitet. Das ebenfalls am LCSB entwickelte und patentierte HuMiX steht für „Human Microbial Cross-talk“ und ist nicht weniger als das in vitro Modell eines menschlichen Darms. Mit der Organ-Chip-Technologie in der Größe eines Bierdeckels lassen sich die komplexen Wechselwirkungen zwischen menschlichen Zellen und Bakterien analysieren. Und das unter ähnlichen Bedingungen wie im menschlichen Darm.
Dr. Greenhalgh und ihre Kollegen haben ergänzend dazu ein computerbasiertes Stoffwechsel-Modell integriert, das auf gesammelten Daten über spezifische chemische Reaktionen der Bakterien, die Zusammensetzung bestimmter Diäten und die Verarbeitung durch menschliche Zellen basiert. So konnten die Forscher die Effekte der Kombination verschiedener Behandlungsansätze simulieren: 1. eine Diät reich an Ballaststoffen, 2. eine Diät reich an Ballaststoffen und Probiotika, 3. eine Diät reich an einfachem Zucker und 4. eine Diät reich an einfachem Zucker und Probiotika.
„Es gibt Gene, die dazu führen, dass der Mensch Resistenzen gegen Chemotherapien entwickelt“, erklärt Greenhalgh. Das Team habe durch die Simulationen untersucht, welche Ernährungskomponenten von den Bakterien und den Krebszellen metabolisiert werden und welche nicht. Durch die richtige Kombination sei es am Computer und anschließend im HuMiX modell gelungen, die mit Dickdarmkrebs und Medikamentenresistenzen in Verbindung stehenden Gene herunterzuregulieren, um so die Erneuerung der Krebszellen zu hemmen. „Wir haben untersucht, welche Gene für Resistenzen gegen Chemotherapien verantwortlich sind und festgestellt, dass diese Wirkung nur durch die Kombination von Ballaststoffen und Probiotika aufgehoben werden kann“, so Greenhalgh.
Richtige Kombination stellt Diversität der Darmflora wieder her
Weil sich durch die Krebstherapie die Diversität der Darmflora deutlich verringere und Krankheitserreger wie Stepptokokken und E. coli sich daraufhin im Darm häuften, sei es extrem wichtig für den Erfolg einer Chemotherapie und Krebsbekämpfung, die richtigen Nährstoffe zu sich zu nehmen. Das nämlich trage dazu bei, die Diversität der Darmflora wiederherzustellen.
„Da sich die Bakterien zudem schneller vermehren als Krebszellen, kann die richtige Kombination aus Ernährung (reich an Ballaststoffen) und Probiotika dazu führen, dass die Darmflora positiv moduliert wird und so die Krebszellen verhungern“, erklärt die Wissenschaftlerin. Die Studie habe gezeigt, dass es eben nicht reiche, nur auf Probiotika zu setzen. In Folgeexperimenten sollen die Ergebnisse jetzt auch im Tiermodell bestätigt werden.
Erkenntnisse können auch auf andere Krebsarten übertragen werden
Das Forscherteam hat sich in seiner Studie konkret mit dem Zusammenspiel von Bakterien der Darmflora und Ernährung bei Dickdarmkrebs befasst. Doch wie Greenhalgh erklärt, lassen sich die dabei gewonnenen Erkenntnisse auch auf alle anderen Organe übertragen. „Es ist egal, um welche Sorte von Krebs es sich handelt: Die Nahrungsbestandteile sind die Bausteine aller Krebszellen, und deshalb hat die Ernährung auf jeden Fall einen Einfluss “, betont die Forscherin. Und das gelte auch für andere Krankheiten wie Autoimmunerkrankungen oder aber Alzheimer, wo evidenzbasierte klinische Ernährung zu erstaunlichen Erfolgen führen könne.
Eine universelle Krebs-Diät, die für alle Betroffenen passe, gebe es allerdings auch in Zukunft nicht. „Jeder Patient hat eine individuelle Darmflora und jeder Tumor ist anders“, sagt Greenhalgh. „Deshalb benötigt jeder Krebspatient auch eine angepasste individuelle Ernährung, die idealerweise in die Diagnostik und Therapie des Krebs einbezogen werden kann.“
Synbiotischer Cocktail, der an die individuelle Darmflora des Krebspatienten angepasst wird
„Mit Hilfe von HuMiX lassen sich personalisierte Behandlungsansätze entwickeln“, sagt die Biologin. „Es ist zwar aufwendig, aber prinzipiell ist es machbar.“ Bislang habe die Ernährungskunde jedoch noch keinen großen Stellenwert in der Klinik und Krebspatienten würden deshalb oft auch nicht detailliert über die Bedeutung der Ernährung während der Behandlung informiert.
Es gebe viele Studien darüber, dass Kurzzeit- oder Intervall-Fasten sowie spezifische gesundheitsförderliche pflanzliche Nahrungsmittel wie beispielsweise sogenannte „Superfoods“ wirksame Effekte bei der Behandlung von Krebs hätten. In Zukunft könnte es dann auch möglich sein, Patienten eine Art synbiotischen Cocktail zu verabreichen, der an die individuelle Darmflora des Krebspatienten angepasst sei und die Therapie unterstütze.
Weitere Referenzen finden Sie unter:
Wissenschaftliche Studie über die Bedeutung der Ernährung während der Krebstherapie
Zitvogel et al (2015)
Mayne et al (2016)
Moen et al (2016)
Zitvogel et al (2017)
Soldati et al (2018)
Nencioni et al (2018)
Wissenschaftliche Studie über die Vielfalt der Darmflora und Einfluss der Krebstherapie
Van Vliet et al (2009)
Fijlstra et al (2015)
Montassier et al (2015)
Wissenschaftliche Studie über die Ernährung und Alzheimer-Krankheit
Martínez-Lapiscina et al (2012)
Wu et al (2017)
Berti et al (2018)
Mori et al (2018)
Bogie et al (2019)
Wissenschaftliche Studie über die Ernährung und Autoimmunerkrankungen
Virtanen et al (2003)
Hvatum et al (2006)
Gershteyn et al (2019)
Autor: Uwe Hentschel