Handy in Schule

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Beim Nutzen von Smartphones leiden Aufmerksamkeit und Lernleistung – ob bei Kindern, Jugendlichen oder Studenten.

Autorin: Britta Schlüter
Redaktion: Jean-Paul Bertemes, Michèle Weber (FNR)


Ab Ostern 2025 gilt in allen Grundschulen Luxemburgs ein komplettes Smartphone-Verbot. In Sekundarschulen muss während des Unterrichts räumliche Distanz zwischen Schüler und Smartphone gewährleistet sein. Zudem sind die Schulen aufgefordert, eigene Regelungen aufzusetzen. Ein Blick in die Forschung zeigt: Während es viele Studien gibt, die einen negativen Impakt von zu hohem Smartphonegebrauch auf Jugendliche und Kinder zeigen, ist die Wirkung von Smartphone-Verboten in Schulen noch unsicher und die Regelungen in Schulen von Land zu Land anders. Wie sollen Politik und Gesellschaft damit umgehen? Wir haben wissenschaftliche Übersichtsstudien durchforstet, mit zwei internationalen Forschern gesprochen und eine luxemburgische Forscherin (Dr. Isabell Eva Baumann, Wissenschaftlerin für digitale Bildung und Forschung am Luxembourg Centre for Educational Testing (LUCET) der Universität Luxemburg) um ihre Meinung gebeten (siehe Textende).

Kontext

Bis Ostern 2025 haben Luxemburgs Sekundarschulen Zeit, die Smartphone-Nutzung je nach Alter der Schüler, Tageszeit oder Schulgebäuden weiter einzuschränken oder eigene Konzepte zu entwickeln. Ziel sei es, „die richtige Balance zwischen der digitaler Welt und dem realen Leben“ zu erreichen, begründete Bildungsminister Claude Meisch die Ankündigung am 12. September. Zudem sei die Zeit am Handy oft „verlorene Zeit“. Zeit die dann „für andere Aktivitäten und die gesunde Entwicklung von Kindern“ fehle.

Parallel hat das Bildungsministerium eine Kampagne mit sehr konkreten, nach Alter gestaffelten Ratschlägen gestartet, um Eltern für den verantwortungsvollen Umgang des Nachwuchses mit digitalen Geräten zu sensibilisieren. Das Ministerium stützt sich dabei unter anderem auf die Arbeiten des französischen Psychiaters und Psychologen Dr. Serge Tisseron, der sich in zahlreichen Forschungsarbeiten dem Umgang mit der Bildschirmkultur widmet, und besonders auf sein Buch „3-6-9-12+ Apprivoiser les écrans et grandir“ (éditions Érès, 2024). Schon im Sommer hatte die Petition einer dreifachen Mutter, die sich um Konzentration, mentale Gesundheit und Schulresultate von Kindern sorgt und ein Handyverbot forderte, die öffentliche Debatte in Luxemburg angefeuert. Die Petition soll nun am 4. November im Parlament diskutiert werden.

Was bringen Handyverbote im Klassenzimmer? Rund um den Globus diskutieren Bildungspolitiker, Lehrer, Eltern und Schüler die Vor- und Nachteile von Smartphone-Verboten in Schulen. Die Regelungen sind von Land zu Land verschieden: In Frankreich gilt bereits seit 2010 ein generelles Handyverbot in Grundschulen, Vorschulen sowie weiterführenden Schulen, mit Ausnahme von Lycées. Italien und zuletzt die Niederlande verbieten Handys während des Unterrichts. Österreich und Dänemark überlassen den Schulen die Handypolitik, in Kanada wurden generelle Verbote zum Teil wieder aufgegeben, in Deutschland werden Maßnahmen noch immer diskutiert.

Grund genug, einen Blick auf den Forschungsstand zu werfen.

Zur Methode und Einordnung

Wir sind hauptsächlich zwei Fragen nachgegangen:

  • Was ist der Stand der Wissenschaft generell zum Einfluss intensiver Smartphone-Nutzung auf Kinder und Jugendliche? Oder in anderen Worten: Sind negative Effekte exzessiver Handynutzung wissenschaftlich bewiesen?
  • Was ist der Stand der Wissenschaft zum Impakt von Handyverboten an Schulen? Oder in anderen Worten: Haben Smartphone-Verbote an Schulen tatsächlich eine Wirkung?  

Während die Evidenzlage bei der ersten Frage groß ist (viele Studien und auch Metastudien zeigen in dieselbe Richtung und viele Forschenden sind sich einig), ist die Datenlage bei der zweiten Frage noch relativ gering. Die Frage was die Politik und Gesellschaft dann mit dieser Evidenzlage macht, ist eine Frage außerhalb der Wissenschaft. Forschende können natürlich hierzu eine Meinung haben, die wir auch befragt haben. Aber entscheiden muss die Politik/Gesellschaft.

Zudem behandeln wir die Frage, wie junge Menschen den Umgang mit einer Technologie lernen können, die in der digitalisierten Gesellschaft von zentraler Bedeutung ist, ohne Schaden zu nehmen? Nicht im Fokus dieses Artikels stehen die Möglichkeiten, wie Smartphones oder sonstige digitale Tools gewinnbringend im Lernprozess während des Unterrichts eingesetzt werden können.

Studien zum Impakt von hohem Smartphone-Gebrauch auf Kinder und Jugendliche

Über eines scheint sich die Wissenschaft weitgehend einig zu sein: Man kann Smartphones nicht pauschal verteufeln, sondern muss deren Wirkungen differenzierter betrachten. Smartphonezeit sei nicht automatisch schlecht für junge Menschen, heißt es auch in einem Briefing des Science Media Center Germany. So könnten Smartphones helfen, Kontakte zu halten und Gleichgesinnte zu finden. Wissenschaftlich recht gut belegt seien dagegen die Risiken exzessiver Social-Media-Nutzung für die mentale Gesundheit: wenn Mädchen sich und ihr Körperbild verglichen und sich stark unter Druck setzten, wenn Kinder durch Cybermobbing Ausschluss erlebten, wenn wegen der Ablenkung die Selbstkontrolle leide und Hausaufgaben verschoben würden. Ebenfalls belegt sind Zusammenhänge mit Ängsten und Depressionen, Schlafdefizite als Folge des Dauersurfens und die Gefahr, regelrecht smartphonesüchtig zu werden. Denn Apps und Algorithmen sind darauf programmiert, zum Weiterklicken zu verführen und Zeit zu stehlen, die dann etwa für das Gespräch mit Gleichaltrigen auf dem Schulhof fehlt.

Vielbeachteten Studien wie zum Beispiel der des amerikanischen Forschers Adrian F. Ward et al. zufolge können auch Aufmerksamkeit und Lernleistung leiden. Schon die reine Präsenz des eigenen Smartphones kann demnach geistige Kapazitäten reduzieren. „Je näher das eigene Smartphone, desto geringer die Aufmerksamkeits-Fähigkeit und desto geringer die Lernleistung. An diesem Effekt besteht in der Wissenschaft kein Zweifel mehr“, bestätigt der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Klaus Zierer von der Universität Augsburg, der seit Jahren zum Thema forscht. Zahlreiche weitere Studien hätten „eine große Menge an Evidenz“ für den schädlichen Einfluss von Smartphones auf Konzentration, Lernen und auch soziales Wohlbefinden geliefert.

Infobox

Ausgewählte Übersichtsstudien zur allgemeinen Wirkung von Smartphones

 

Journal: Media Psychology

Schlussfolgerung: Das bloße Vorhandensein eines Smartphones beeinflusst die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses negativ, dieser „Brain-Drain-Effekt“ ist aber geringer als theoretisch angenommen. Für andere kognitive Funktionen gab es keine klaren Effekte.

 

Journal: Computers in Human Behavior Reports

Schlussfolgerung: Smartphone-Sucht wirkt sich negativ auf das Lernen und die akademischen Leistungen der Schüler aus. Je mehr ein Telefon während des Lernens benutzt wird, desto größer sind die negativen Auswirkungen auf das Lernen.

 

IZA Discussion Paper No. 12723

Schlussfolgerung: Empirische Ergebnisse zeigen einen negativen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Smartphone-Nutzung von Studierenden und ihrem akademischen Erfolg. Die Stärke dieses Zusammenhangs ist jedoch je nach Methode unterschiedlich und es können keine Kausalzusammenhänge belegt werden.

 

Journal: Frontiers in Psychology, 8, 605

Schlussfolgerung: Smartphones und verwandte mobile Technologien haben das Potenzial, ein breites Spektrum an kognitiven Bereichen zu beeinflussen, doch die empirische Forschung dazu ist noch recht begrenzt.

 

Journal: Journal of Affective Disorders

Schlussfolgerung: In den untersuchten Studien zeigten sich Zusammenhänge zwischen problematischer Smartphone-Nutzung und Depressionen, in geringerem Maß auch Zusammenhänge mit Angstzuständen und Stress.

 

Prof. Dr. Klaus Zierer von der Universität Augsburg
© Foto: K. Zierer

„Je näher das eigene Smartphone, desto geringer die Aufmerksamkeits-Fähigkeit und desto geringer die Lernleistung. Daran besteht kein Zweifel mehr.“

Klaus Zierer

Smartphone-Verbote: Stand der Wissenschaft noch unsicher

Smartphone-Verbote in Schulen müssten sich demzufolge positiv auswirken – oder? Einem australischen Scoping Review zufolge ist die Beweislage dafür noch schwach und nicht schlüssig. Darauf verweisen auch Forscher  von „Digital Futures for Children”, einem Forschungszentrum der London School of Economics and Political Science und der „5Rights Foundation“. Trotz erheblicher Medienaufmerksamkeit hätten bisher „bemerkenswert wenige Studien“ die Auswirkungen schulischer Smartphone-Richtlinien auf die akademischen Leistungen der Schüler oder andere Ergebnisse untersucht, heißt es in dem kürzlich veröffentlichten  Report „Smartphone policies in schools: What does the evidence say?” der Sozialpsychologin Prof. Sonia Livingstone, einer führenden Expertin für die Themen Kinder, Medien und Internet in Großbritannien, und ihrer Co-Autorinneen Miriam Rahali und Beeban Kidron.

Die britischen Forscherinnen legen zur Smartphonepolitik von Sekundarschulen eine umfassende Zusammenfassung von Übersichtsstudien („review of reviews“) vor und untersuchen in Fallstudien den Umgang Großbritanniens, Singapurs und Kolumbiens mit der Frage. Demzufolge wirkt sich eine eingeschränkte Smartphone-Nutzung messbar positiv auf die schulischen Leistungen der Schüler aus. Insbesondere benachteiligte Kinder oder Kinder mit suboptimalen Leistungen profitierten davon. Denn die Beschränkung persönlicher Geräte in der Schule verschaffe den Kindern eine Pause von der intensiven Beschäftigung mit Apps und Spielen, die ständig ihre Aufmerksamkeit beanspruchen, und schaffe damit Raum für das Lernen.

Allerdings unterschieden sich die schulischen Smartphone-Richtlinien erheblich. Nur wenige Schulen verhängten totale Verbote. Lehrer und Schülern bevorzugten differenzierte, flexiblere Regeln, die bestimmte nützliche Verwendungen des Handys zulassen – zum Beispiel vom Lehrer unterstützt zu Lernzwecken im Unterricht, oder für einzelne Schüler, die aufgrund körperlicher Einschränkungen auf die Unterstützung eines Smartphones angewiesen sind und so etwa an die Einnahme von Medikamenten erinnert werden. Auch ist es wichtig, sich über die wichtigsten Ziele zu einigen: Geht es vor allem darum, Smartphones als Lerntools zu nutzen? Oder den Kindern den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien beizubringen? Oder Schüler weniger abzulenken? Oder das soziale Klima der Schule während der Pausen zu verbessern?

Der Augsburger Forscher Klaus Zierer und sein Mitarbeiter Tobias Böttger haben in einer „Rapid Review on the Impact of Smartphone Bans in Schools on Social Well-Being and Academic Performance“ kürzlich fünf Einzelstudien aus Norwegen, Spanien, Tschechien, England und Schweden analysiert. Auch die Augsburger stellen positive Effekte von Verboten fest - vor allem auf das soziale Wohlbefinden der Schüler. „Ohne Handy gibt es weniger Gelegenheit zum Cyberbullying. Die Schüler kommunizieren direkter miteinander, lernen sich besser kennen. Das fördert Freude und Gemeinschaftsgefühl. Diesen positiven Effekt sollte man gerade bei der Schülergeneration der Coronapandemie, die bis zu sechs Stunden täglich in sozialen Medien verbringt, nicht außer Acht lassen“, betont Klaus Zierer. Das Smartphone in der Tasche oder auf dem Pult dagegen befeuere zwischenmenschliche Konflikte und verschlechtere damit das soziale Klima in Schulen. Der Effekt von Handyverboten auf die Lernleistung sei ebenfalls messbar, aber geringer. Denn Schüler nutzten auch ohne explizite Verbote nur selten Smartphones im Unterricht und entscheidend sei die Qualität des Unterrichts.

Schulen mit der Handypolitik nicht allein lassen

Experten betonen, dass die Datenlage noch dünn, die Methoden und Ergebnisse der untersuchten Studien uneinheitlich und weitere Untersuchungen notwendig seien, um die Beobachtungen zu bestätigen und Langzeiteffekte festzustellen.

Soviel zur Wissenschaft. Wie Schulen mit dieser nicht eindeutigen Forschungslage umgehen sollen, ist Sache von Politik und Gesellschaft.

Die Meinungen der Forscher fallen hierzu unterschiedlich aus: „Bildungspolitik kann nicht warten, bis Effekte im Detail untersucht wurden, sondern muss basierend auf bestehendem Wissen Verantwortung übernehmen“, unterstreicht Klaus Zierer, der politische Initiativen für dringend notwendig erachtet und das Luxemburger Handyverbot in Grundschulen begrüßt. Die Politik dürfe Schulen mit Smartphoneregeln jedoch nicht allein lassen, sondern müsse klare Regeln vorgeben und deren Wirkung wissenschaftlich evaluieren lassen.

Auch sie halte es für wahrscheinlich, dass Handyeinschränkungen in Schulen hilfreich seien, bestätigt Prof. Sonia Livingstone von der London School of Economics. „Doch wir würden gerne wissen, ob eine Politik wirksam ist, bevor sie befürwortet wird.“ Die schädliche Wirkung von Smartphones auf Konzentration und Lernen bedeute nicht automatisch, dass Verbote in Schulen wirkten. Die Geschichte von Technologie-Einschränkungen zeige, dass diese nicht immer effizient seien. Schüler umgingen Handyverbote, brächten zum Beispiel ein Zweithandy mit. „Bei Technologiefragen wird ohne wissenschaftliche Beweise vorgeprescht, und das ist ein Problem“, meint Sonia Livingstone.

Chance für wissenschaftliche Begleitung nutzen

Was raten die Wissenschaftler Luxemburgs Sekundarschulen, die nun bis Frühling 2025 eigene Smartphoneregeln entwickeln sollen? Britische wie deutsche Forscher sehen hier eine willkommene Chance, eine wissenschaftlich begleitete Pilotphase mit Regeln für fünf bis sechs Schulen zu starten. Deren Wirkung könne nach einigen Monaten überprüft werden, aus dem Vorher-Nachher-Vergleich könnten dann allgemeingültige Maßnahmen abgeleitet werden. Das reduziere auch den Aufwand für die einzelnen Schulleitungen erheblich. So eine wissenschaftliche Begleitung oder Testphase ist laut Bildungsministerium zwar nicht geplant. Die Sekundarschulen seien aber gehalten, Prozess und Resultat ihrer Smartphone-Regelungen zu dokumentieren und zu veröffentlichen. An Evaluierung interessierte Forscher seien herzlich gebeten, das Ministerium zu kontaktieren.

Mit einem simplen Verbot ist es den Wissenschaftlern zufolge ohnehin nicht getan. „Um Handyregelungen aufzustellen, sollten Lehrkräfte und Schüler konsultiert werden. Die Schüler brauchen Optionen, zum Beispiel Handy-Erlaubnis in der Mittagspause“, betont Sonia Livingstone. Schulische Smartphonepolitik sei effektiver, wenn die Ansichten von Schülern und Lehrern, Eltern und Schulleiter gehört wurden.

„Um Handyregeln aufzustellen, sollten Lehrkräfte und Schüler konsultiert und gehört werden. Die Schüler brauchen Optionen, zum Beispiel Handy-Erlaubnis in der Mittagspause“

Sonia Livingstone

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Ausgewählte Übersichtsstudien zur Wirkung von Handyverboten an Schulen

 

Digital Futures for Children centre, LSE and 5Rights Foundation

Schlussfolgerung: Mehrere Studien zeigen, dass es sich positiv auf die schulischen Leistungen der Schüler auswirkt, wenn die Smartphone-Nutzung eingeschränkt wird, insbesondere bei benachteiligten Kindern oder Kindern mit suboptimalen Leistungen. Die Ergebnisse sind jedoch uneinheitlich, die Methoden heterogen und einige Studien zeigen keinen Nutzen oder sogar kontraproduktive Effekte.

 

  • Tobias Böttger, Klaus Zierer (2024): To Ban or Not to Ban? A Rapid Review on the Impact of Smartphone Bans in Schools on Social Well-Being and Academic Performance

Journal: Education sciences

Schlussfolgerung: Smartphone-Verbote haben eine messbare Wirkung, vor allem  auf das soziale Wohlbefinden von Schülern. Smartphone-Verbote können soziale Probleme, wie z. B. Mobbing, verringern.

 

Journal:  Journal of Psychologists and Counsellors in Schools, 34(3), 242-265

Schlussfolgerung: Die Übersichtsstudie zeigte wenig bis keine schlüssigen Beweise dafür, dass Handyverbote in Schulen zu besseren schulischen Leistungen, psychischer Gesundheit und Wohlbefinden sowie weniger Cybermobbing führen.

 

Kinder und Jugendliche müssten lernen, wie sie mit dieser Technologie verantwortungsbewusst umgehen, heißt es auch in der Augsburger Untersuchung. „Wir müssen Schüler die Zeit geben, kognitiv zu reifen, bis sie mit den Geräten umgehen können“, erklärt Klaus Zierer. Die Entwicklung des Gehirnbereichs, der für die Impulssteuerung verantwortlich ist, dauere bis ins Erwachsenenalter. Schulen sollten Verbote deshalb pädagogisch begleiten: Regeln erklären, an das Alter der Schüler anpassen. Ab etwa 14 Jahren sollten Schüler ihr Handy in einem festen Rahmen nutzen dürfen, etwa für eine halbe Stunde am Nachmittag. Klassenexperimente könnten helfen, den Sinn eines Verbots nachzuvollziehen – etwa wenn Schüler in einer Unterrichtsstunde jeden Moment, in dem sie auf ihr Smartphone schauen und abgelenkt sind, notierten und am Ende zusammenzählten.

Viele Experten sind überzeugt, dass parallel zu Einschränkungen die Medien- und digitale Kompetenz der Jugendlichen auf dem Lehrplan stehen muss – einschließlich Fragen wie Sicherheit im Internet oder Datenschutz. Die Forscher vom „Digital Futures for Children”-Zentrum raten Schulen, das Problem genau zu identifizieren und die Schulgemeinschaft zu konsultieren, Ausnahmen für Kinder mit gesundheitlichen oder anderen besonderen Bedürfnissen in ihr Regelwerk einzubauen, Verbote jährlich zu überprüfen und auch Grenzen von Verboten anzuerkennen. Sie schließen mit einem deutlichen Appell an die Gesetzgeber, die Smartphone-Industrie selbst in die Schranken zu verweisen: „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, mehr zu tun, um die Entwicklung und den Einsatz von Diensten zu verhindern, die absichtlich auf Ablenkung ausgerichtet sind. Anstatt die Aktivitäten von Kindern einzuschränken, sollten wir von der Regierung und den Aufsichtsbehörden strengere Maßnahmen fordern, damit Kinder sicher von der digitalen Welt profitieren können.“

Anmerkung der Redaktion: Wir haben zusätzlich noch Dr. Isabell Eva Baumann vom LUCET der Universität Luxemburg um eine Stellungnahme zum Handyverbot an Schulen gebeten. Sie ist Wissenschaftlerin für digitale Bildung und Forschung am Luxembourg Centre for Educational Testing (LUCET) der Universität Luxemburg. Lese hier ihre Stellungnahme: 

Meinung: „Neben dem Verbot brauchen wir eine Begleitkultur“

Dr. Isabell Eva Baumann ist Wissenschaftlerin für digitale Bildung und Forschung am Luxembourg Centre for Educational Testing (LUCET) der Universität Luxemburg. Lese hier ihre Stellungnahme zum Smartphone-Verbot an Luxemburgs Schulen:

Dr. Isabell Eva Baumann

© University of Luxembourg

Die gezielte Integration digitaler Medien in den Unterricht kann pädagogische Prozesse bereichern und Lernmöglichkeiten schaffen, die ohne diese Technologien nicht möglich wären. Digitale Medien sind ein fester Bestandteil unseres Alltags – auch für Kinder – und es ist essenziell, dass sie lernen, verantwortungsvoll damit umzugehen. Dennoch halte ich es für richtig, dass Smartphones nicht uneingeschränkt in den Schulalltag integriert werden. Die Entscheidung von Minister Meisch, ein Handyverbot in den (Grund-)Schulen einzuführen, erscheint mir angesichts der aktuellen Studienlage vernünftig.

Wissenschaftlichen Studien belegen, dass Soziale Medien das Belohnungssystem im Gehirn aktivieren können, indem sie eine Ausschüttung von Dopamin, dem „Glückshormon“, auslösen. Diese neurobiologische Reaktion wurde in mehreren Studien dokumentiert. Jedes Mal, wenn wir eine Benachrichtigung auf Plattformen wie WhatsApp oder Instagram erhalten, wird diese neurobiologische Reaktion verstärkt. Dies erhöht das Suchtpotenzial, da unser Gehirn ständig auf die nächste Bestätigung – sei es in Form von Likes oder neuen Nachrichten – wartet.

Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass ein Smartphone-Verbot in der Schule allein die Gefahren digitaler Medien aus der Welt schafft. Ein großes Problem ist der Einfluss von Smartphones auf das Wohlbefinden der Kinder, beispielsweise durch Cybermobbing in Klassenchats oder durch Cybergrooming. Letzteres beschreibt den Versuch von Erwachsenen, online das Vertrauen von Kindern zu gewinnen, um sexuelle Handlungen zu erzwingen – häufig auf Plattformen wie Instagram oder TikTok. Solche Gefahren verlagern sich lediglich in den außerschulischen Bereich. Zudem gibt es auf sozialen Netzwerken gefährliche Trends und Inhalte, wie etwa das sogenannte „Happy Slapping“, bei dem Menschen sich gegenseitig schlagen und die Videos teilen, oder die Verbreitung von Suizidvideos, Selbstverletzungen und Essstörungen.

Deshalb ist es entscheidend, dass wir den Kindern den sicheren Umgang mit diesen Medien beibringen und sie über die Risiken aufklären. Die Vermittlung von Medienkompetenz sollte ein fester Bestandteil des Unterrichts sein. Ein komplettes Smartphone-Verbot ignoriert das Problem und könnte das Verbotene sogar noch reizvoller machen. Minister Meisch hat klare Regeln eingeführt, was ich unterstütze. Doch neben dem Verbot brauchen wir ein Konzept für die Sekundarschulen, eine Begleitkultur, die Kinder stärkt und sie auf die digitale Welt vorbereitet.

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