Takver from Australia, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons
In Diskussionen zur Corona-Pandemie, zum Klimawandel oder bei anderen wissenschaftlichen Themen werden die Begriffe ‚Wissenschaft‘ und ‚Forschung‘ häufig synonym verwendet. Tatsächlich sind es aber zwei verschiedene Dinge.
Worin besteht der Unterschied zwischen Wissenschaft und Forschung?
Wissenschaft umfasst das allgemein anerkannte und akzeptierte Wissen über die Welt um uns herum, das uns hilft, sie besser zu verstehen. Forschung ist der Prozess, der auf den bisherigen Ergebnissen der Wissenschaft beruht und zu neuen Erkenntnissen der Wissenschaft führt, indem Beobachtungen hinterfragt werden und bekanntes Wissen, Experimente und Vermutungen genutzt werden.
Hin und wieder passiert es, dass bekannte wissenschaftliche Fakten widerlegt werden und durch Forschung aktualisiert werden. So wurde beispielsweise im Mittelalter angenommen, dass eine Blutentnahme die beste Möglichkeit sei, die meisten Krankheiten zu kurieren. Später erlangte man genaueres Wissen über den menschlichen Körper und fand bessere Behandlungsmöglichkeiten. Ein anderes Beispiel: Es dauerte Jahre, bis man verstand, wie wichtig Händewaschen ist, nämlich erst, als ein Arzt beobachtete, dass weniger Frauen bei einer Geburt starben, wenn der Arzt seine Hände vorher gewaschen hatte.
Forscher bringen die Wissenschaft immer weiter voran. Beobachtungen, Fragen und Zweifel und die Gegenüberstellung von Theorie und Fakten sind die Grundlage von Forschung und die treibende Kraft der Wissenschaft.[1]
Gibt es eine Grenze für Zweifel?
Tatsächlich haben sich in der Geschichte der Wissenschaft Theorien mehrfach verändert, und manchmal war es schwierig, gegen das vorherrschende Dogma anzukämpfen. Heute verfügen wir über bessere Werkzeuge zur Beobachtung und eine größere Rechenleistung von Computern, mit denen wir handfeste und unbestreitbare Belege für oder gegen einzelne Theorien liefern können. So können wir mithilfe von Mikroskopen Mikroorganismen sehen, die Krankheiten hervorrufen. Die Nutzung von Mikroskopen war also ein wichtiger Schritt bei der Festigung der Keimtheorie über Krankheiten, die inzwischen allgemein anerkannt ist.
Nichtsdestotrotz gibt es bis heute wissenschaftliche Prinzipien, die niemand bisher beweisen konnte und die trotzdem als gültig erachtet werden, weil ebenso niemand bisher in der Lage war, sie zu widerlegen. Es geht sogar noch weiter: Die Erfindungen, die auf Grundlage dieser Prinzipien gebaut wurden, funktionieren perfekt. In der Tat beruhen die meisten Automotoren auf dem ersten und zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, den Perpetuum mobile bisher erfolglos zu widerlegen versucht.
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Die Thermodynamik beschreibt, wie sich Wärme und Energie verhalten. Der erste Hauptsatz sagt, dass Energie nicht geschaffen oder vernichtet werden kann, sondern nur von einer Form in eine andere umgewandelt werden kann oder von einem Körper zu einem anderen weitergegeben werden kann. Im Automotor wird Wärme in Bewegung umgewandelt. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik sagt aus, dass eine Reaktion niemals 100 % effizient ablaufen kann, sondern dass eine bestimmte Energiemenge immer als Wärme verloren geht.
Viele Jahre lang versuchten Erfinder, eine Maschine zu konstruieren, die unendlich lang läuft, ein sogenanntes Perpetuum mobile. Allerdings konnte keine Maschine bisher die Verlangsamung durch Reibungsverluste überwinden. Alle Maschinen verlieren nach und nach Energie, was unendliche Bewegungen leider unmöglich macht – jedenfalls so lange, bis das Gegenteil bewiesen wird.
Es besteht ein großer Unterschied zwischen berühmten Wissenschaftlern wie beispielsweise Galileo, die sich gegen überkommene Dogmen und Auffassungen gewehrt haben, und den Zweifeln einiger Menschen heutzutage, die etablierte Grundsätze in Zweifel ziehen, die bereits erfolgreich technisch angewandt werden, auch wenn ihre Gültigkeit noch nicht bewiesen werden konnte.
Worin besteht der Unterschied zwischen einer Meinung und einer Tatsache?
Man könnte sagen, der Unterschied zwischen Meinungen und Tatsachen besteht darin, dass Meinungen nicht bewiesen werden können. Jedoch gibt es auch Dinge, die wir für wahr halten, weil wir sie spüren und dadurch denken, das Gefühl sei der Beweis für die Gültigkeit. Unsere Sinne spiegeln allerdings nicht immer die Tatsachen. Ein Beispiel: Wenn wir ein Stück Metall berühren und ein Stück Plastik, die sich beide eine Zeitlang im selben Raum befanden, dann sagen wir oft – weil es unser Sinneseindruck ist – dass das Metallstück kälter als das Plastikstück ist. Wenn man dann jedoch die Temperatur der Materialien misst, kommt heraus, dass sie dieselbe Temperatur haben!
Wissenschaft ist also wichtig, um Sinneseindrücke und Fakten allgemein einzuordnen und Rückschlüsse zu ziehen. Außerdem ist es wichtig zu wissen, wie einzelne wissenschaftliche Fakten entdeckt wurden [2][3], damit sie wissenschaftliche Tatsachen bleiben und nicht zu Meinungen werden.[1]
Bis wohin können wir der Wissenschaft vertrauen?
Unsere Sinne täuschen uns also manchmal, und nur die Wissenschaft kann uns dann helfen, die Wahrheit zu verstehen und abzubilden. Manchmal wurde allerdings auch die Wissenschaft dazu verwendet, uns zu täuschen und die Realität zu verzerren, beispielsweise, um die Zigarettenindustrie aus der Verantwortung zu ziehen oder um ein schweres, fettreiches Frühstück zu bewerben.[4]
So leugnen manche Menschen den Anstieg der Temperaturen auf der Erde und berufen sich dabei auf die weltweiten Temperaturaufzeichnungen der letzten 10 Jahre, in denen die Kurve flach verläuft. Betrachtet man jedoch die gesamten Daten über Hunderte von Jahren hinweg, zeigt sich klar der Anstieg der Temperaturen in den letzten paar Jahrzehnten. Andere zweifeln am Verschwinden der Eisbären, weil sie die Bären einer ganz bestimmten Population zählen, die tatsächlich wächst – vermutlich aufgrund der geänderten Richtlinien für die Eisbärenjagd. Überall sonst und bei der Betrachtung der gesamten Eisbärenpopulation sinkt die Zahl der Tiere allerdings.
Es ist eine gute Methode, die Aufmerksamkeit von tatsächlichen Fakten abzulenken, wenn man das Publikum mit Zahlen und Grafiken überschüttet und eine scheinbar wissenschaftliche Methode auf unvollständige oder falsche Daten anwendet. Kurven können leicht manipuliert werden, um Sie glauben zu lassen, was der Verfasser Sie glauben machen möchte. Genauso wie die Perspektive einer Fotoaufnahme (Makro- oder Mikro-Perspektive) den gesamten Eindruck ändert, kann der Maßstab der Achsen und die angedeutete Beziehung zwischen Variablen zu ganz unterschiedlichen Interpretationen derselben Tatsache führen.
Zum Schluss…
Zusammenfassend kann man sagen, dass in diesen Zeiten der überall verfügbaren Flut an Informationen für jedermann Wissenschaft und Forschung es schwer haben. Jeder von uns steht in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass wir verstehen, was wir mit anderen teilen, und zu schauen, wie die Information zustande gekommen ist. Wir sollten unsere Informationsquellen hinterfragen, überprüfen und verschiedene Quellen vergleichen: So vermeiden wir es, Propaganda unter dem Deckmäntelchen von wissenschaftlichen Methoden zum Opfer zu fallen, aber auch das Gegenteil, nämlich alles anzuzweifeln und Wissenschaft für Forschung zu halten oder andersherum.
Autor: Marie-Alix Dalle (University of Luxembourg)
Editor: Michèle Weber (FNR)
Foto: Takver via Wikimedia Commons
Infobox
- Etienne Klein, «Le goût du vrai », https://www.youtube.com/watch?v=2byu0bYPj0c&ab_channel=CEARecherche
- Une histoire de tout ou Presque, Bill Bryson
- Sapiens, Yuval Harari
- La fabrique de l’ignorance, ARTE"
- https://en.wikipedia.org/wiki/Bloodletting
- https://www.theguardian.com/world/2020/mar/18/keep-it-clean-the-surprising-130-year-history-of-handwashing
- https://skepticalscience.com/global-cooling.htm
- https://www.lemonde.fr/les-decodeurs/article/2019/06/18/non-le-nombre-d-ours-polaires-n-est-pas-en-augmentation_5478083_4355770.html