© Uwe Hentschel
Kommunikationslücken zwischen verschiedenen Interessengruppen sind ein Problem. Unter anderem auch dann, wenn es um die Entwicklung von IT-Systemen geht. Wie beispielsweise im Bereich der E-Government-Anwendungen, also der elektronischen Abwicklung von Regierungs- und Verwaltungsprozessen. Mehrdad Sabetzadeh hat zusammen mit seinem Team dazu beigetragen, eine der Kommunikationslücken auf diesem Gebiet zu schließen.
Funktionierende Software braucht gemeinsame Sprache für IT-Experten und Steuerrechtsexperten
Konkret ging es dabei um das luxemburgische Finanzamt und dessen Regelungen im Steuerrecht. „Die Regeln und Anordnungen im Steuerrecht sind sehr kompliziert“, sagt Sabetzadeh. Entsprechend hoch seien deshalb auch die Anforderungen an eine dafür notwendige Software. „Wenn die Steuerrechtexperten auf der einen Seite und die IT-Experten auf der anderen Seite nicht die gleiche Sprache sprechen, dann besteht die Gefahr, dass bestimmte Anforderungen an das System unklar und mehrdeutig bleiben“, erklärt er.
Eine Kommunikationslücke wie diese schließt man, indem man die Softwareentwickler mit der richtigen Sprache ausstattet. Genau das haben Sabetzadeh und seine Kollegen getan. Die Wissenschaftler des Software Verification and Validation Lab am Interdisciplinary Centre for Security, Reliability and Trust (SnT) der Uni Luxemburg haben zunächst die Schwachstellen der Software Anforderungen analysiert und dann eine Modellierungsprache entwickelt. Diese ist so präzise, dass die IT-Experten damit arbeiten können, gleichzeitig aber auch so verständlich, dass die Steuerrechtsexperten erkennen können, ob die Software auch den rechtlichen Vorgaben gerecht wird.
Systemfehler zu Beginn beeinflussen die weitere Entwicklung
„Wir sind spezialisiert auf qualitative Probleme und prüfen, ob eine Software die Erwartungen erfüllt“, sagt Sabetzadeh. „Wenn nämlich schon zu Beginn die Anforderungen an ein System nicht eindeutig definiert sind, dann kann das einen Welleneffekt auf die weitere Entwicklung haben“, betont der Forscher. Und dann werde es immer schwieriger, das Problem in den Griff zu bekommen.
Die Finanzbehörde ist nur einer von vielen Partnern, mit denen die von Lionel Brand geleitete Forschungsgruppe kooperiert. So arbeiten die Wissenschaftler der SnT-Abteilung beispielsweise auch mit dem luxemburgischen Satelliten-Unternehmen SES zusammen und geben Empfehlungen, an welchen Stellen bestimmte Systeme verbessert werden können. Eine Zusammenarbeit gibt es darüber hinaus auch mit einem kanadischen Unternehmen, das sich ebenfalls auf die Überprüfung komplexer Systeme spezialisiert hat, oder aber auch mit der Wirtschaftskanzlei Linklaters.
Entwicklung sinnvoller Tools für Rechtsexperten
Das weltweit tätige Unternehmen mit Hauptsitz in London hat unter anderem auch ein Büro in Luxemburg, nur wenige Meter vom SnT entfernt. „Wir entwickeln sinnvolle Tools für die Rechtsexperten, damit diese schneller arbeiten können“, erklärt der Computerwissenschaftler.
Die räumliche Nähe zu Linklaters weiß er sehr zu schätzen. „Das erleichtert die Interaktion ungemein, was generell ein Vorteil von Luxemburg ist“, so Sabetzadeh, der aus dem Iran stammt, seinen Master und die Promotion in Toronto absolviert hat, danach in Großbritannien und Norwegen tätig war und nun seit 2012 im Großherzogtum lebt und forscht. „Ein weiterer Vorteil hier ist die Nähe zu den Entscheidungsträgern“, sagt er. „Wenn sie von einem Forschungsprojekt überzeugt sind, geht es mit der Umsetzung recht schnell.“
Für Langzeitforschung wichtig, dass es in der Praxis funktioniert
Kommt es zur Umsetzung, besteht die Aufgabe des SnT-Teams im Großen und Ganzen darin, systematische Probleme zu definieren und zu lösen. Und wenn man das in Kooperation mit Partnern aus der Wirtschaft mache, dann profitierten davon beide Seiten, erklärt der Forscher.
„Für uns ist es wichtig, dass die Forschung, die wir betreiben, auch wirklich relevant ist, in der Praxis also auch zum Einsatz kommt“, sagt Sabetzadeh. „Was aber nicht heißt, dass wir keine Langzeitforschung betreiben“, fügt er hinzu. Im Gegenteil: „Solange wir nicht wissen, ob unsere Forschungsarbeit zum jetzigen Zeitpunkt praxistauglich ist, können wir auch nicht sagen, ob das in fünf oder zehn Jahren der Fall sein wird.“
Autor: Uwe Hentschel
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