(C) Uwe Hentschel
Nanosysteme sind aufgrund thermischer Schwankungen ständig in Bewegung. Diese Bewegungen muss man kennen, um die Systeme effektiv nutzen zu können.
Im Grunde ist es so etwas wie die Industrielle Revolution im Kleinformat. Wobei durch die Bezeichnung Kleinformat dem Unterschied der Dimensionen nur ansatzweise gerecht wird. Denn das, worum es geht, liegt im Nanobereich. Also an Orten, die man nur mit dem Elektronenmikroskop erreicht.
Massimiliano Esposito kennt sich dort aus. Der Physiker der Uni Luxemburg bewegt sich im Nanobereich. Und er ist dabei nicht der einzige. „Nanosysteme sind durch thermische Energieschwankungen ständig in Bewegung“, erklärt Esposito. „Was wir brauchen, sind gute Strategien, damit sich diese Systeme zu unserem Nutzen bewegen.“
Große statistische Variabilität im Verhalten der Nanosysteme
Die Auseinandersetzung mit thermodynamischen Prozessen ist nicht neu. Bereits im frühen 19. Jahrhundert haben sich Wissenschaftler am Beispiel der Dampfmaschine mit der Umverteilung von Energie zwischen ihren verschiedenen Erscheinungsformen beschäftigt. „Damals wollten die Leute wissen, wie viel Wald sie holzen müssen, um eine bestimmte Menge an Energie zu erhalten“, sagt der Forscher. „Heute können wir herausfinden, wie viel Energie eine Zelle aufwenden muss, um an Nahrung in ihrer Umgebung zu kommen.“
Beim Umgang mit Effekten, die sich aus thermischen Schwankungen ergeben, sind die Wissenschaftler schon damals an ihre Grenzen gestoßen. Und bei der Erforschung thermischer Energieschwankungen im Nanobereich war das lange Zeit ähnlich. „Es gibt eine große statistische Variabilität im Verhalten der Nanosysteme“, erklärt Esposito. „Was wir mit bloßem Auge sehen, ist das durchschnittliche Verhalten der mikroskopischen Bestandteile eines Systems“, sagt er. „Aber wenn wir noch tiefer blicken, dann sehen wir extreme Schwankungen.“
Esposito arbeitet deshalb gemeinsam mit seinem Team an einer Theorie der stochastischen Thermodynamik. „Biologische Systeme haben durch die Evolution Wege gefunden, um effektiv auf der molekularen Ebene zu funktionieren“, sagt er. „Ich möchte durch die stochastische Thermodynamik nicht nur verstehen, wie sie das tun, sondern gleichzeitig leistungsstarke, synthetische Nanosysteme entwerfen, die zum Beispiel für energieeffiziente und schnelle Informationstechnologien nützlich sein könnten.“
Forschung wurde mit dem renommierten „Consolidator Grant“ des Europäischen Forschungsrats ausgezeichnet
Dass ihn die Forschung dazu ausgerechnet nach Luxemburg verschlagen hat, verdankt der 38-Jährige dem ATTRACT-Programm des FNR, das dazu dient, junge, exzellente Wissenschaftler für strategisch wichtige Forschungsfelder zu gewinnen. Sie werden aus dem Ausland rekrutiert und bekommen eine Anstoßfinanzierung, um in Luxemburg ihre eigene Forschungsgruppe aufzubauen.
Der Physiker Esposito, der in Brüssel studiert und promoviert und danach in Kalifornien gearbeitet hat, erfüllt all diese Voraussetzungen und hat sich deshalb für das Förderprogramm beworben. Und das erfolgreich. Mit mehr als 1,6 Millionen Euro unterstützt ihn der FNR seit Anfang 2012 bei seiner Forschungsarbeit. Für Esposito war das ein Glücksfall. „Ich habe freie Hand, werde voll unterstützt und kann mich so komplett auf meine Arbeit konzentrieren“, sagt er.
Ende 2016 läuft das Förderprogramm aus. Gedanken darüber, wie seine Forschungsarbeit danach finanziert werden soll, muss sich der Physiker der Uni Luxemburg aber keine machen. Denn Esposito ist kürzlich mit dem renommierten „Consolidator Grant“ des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC), einer der begehrtesten Forschungsbeihilfen Europas, ausgezeichnet worden. Der Experte für Thermodynamik von Nanosystemen wird damit die kommenden fünf Jahre mit weiteren 1,7 Millionen Euro unterstützt.
„Nach den fast viereinhalb Jahren Forschungsarbeit in Luxemburg ist das eine tolle Auszeichnung“, sagt er. „Und ein Beleg dafür, dass wir gute Arbeit geleistet haben.“ Esposito ist davon überzeugt, dass diese neue Theorie von entscheidender Bedeutung für Nanotechnologien und Molekularbiologie sein wird. So, wie es die traditionelle Thermodynamik für die Herstellung von leistungsfähigen und verlässlichen Energiequellen während der Industriellen Revolution war.
Autor: Uwe Hentschel
Foto: Uwe Hentschel