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Die Philematologie befasst sich mit dem Küssen in allen seinen verschiedenen Formen. Die Romantik bleibt dabei vielleicht etwas auf der Strecke und es ist ein Thema, bei dem schnell eine gewisse Schlüpfrigkeit mitschwingt. Dennoch wird diese Forschung ganz ernsthaft betrieben. Das Küssen liefert, wissenschaftlich betrachtet, eine Vielzahl von Erkenntnissen, unter anderem in den Fachgebieten der Anthropologie, Neurologie, Zoologie und Psychologie!
Wie wirkt sich ein Kuss körperlich aus?
Ein Feuerwerk chemischer Botschaften
Die neurowissenschaftliche Forschung hat bereits verschiedentlich nachgewiesen, dass in unserem Körper eine ganze Batterie biochemischer Prozesse in Gang gesetzt wird, wenn wir Menschen küssen, die wir mögen.
Angefangen mit einer erhöhten Oxytocin-Ausschüttung, dem Hormon der Liebe: Das senkt den Blutdruck und beruhigt den Herzschlag. Gleichzeitig wird das Stresshormon Cortisol abgebaut. Es sollten sich dann ein Gefühl des Wohlbefindens und eine gewisse Unbeschwertheit einstellen! Ist es der perfekte Kuss, steigt zudem der Dopaminspiegel. Dieses Neurohormon löst unter anderem Glücksgefühle aus – und den Wunsch nach mehr.
Und es geht noch weiter: Auch Endorphine, quasi natürliche Opiate, von denen bekannt ist, dass sie bei intensiver körperlicher Anstrengung freigesetzt werden, sind mit von der Partie. Sie tragen zum Stressabbau bei. Aber Vorsicht, sie haben auch eine „dunkle Seite“! Es gibt Sportler, die in Bezug auf diese natürlichen Opiate ein Suchtverhalten entwickeln.
Ganz schön sportlich
Er ist da, der perfekte Zeitpunkt für einen romantischen Kuss? In diesem magischen Moment, wenn die Zeit stillzustehen scheint, tritt dein Mund so richtig in Aktion: Über 19 Muskeln sind am Kuss beteiligt, davon 17 im Bereich der Zunge! Für Küsse aller Art ist der Ringmuskel des Mundes besonders wichtig, denn er schließt unsere Lippen. Eine Info am Rande für alle Sportmuffel: Verliebtes Küssen verbraucht Energie (pro Minute etwa 3 bis 5 Kalorien).
Gestärkte Immunabwehr
Ein romantischer (oder sonstiger) Kuss ist nicht nur ein rein mechanischer Vorgang: Beim Austausch von Speichel sind zwangsläufig auch Keime beteiligt, etwa 40.000 an der Zahl. Aber keine Panik, überwiegend sind diese harmlos. Ganz im Gegenteil, dein Immunsystem wird dadurch sogar gestärkt. Wer unter einer Nahrungsmittelallergie leidet, sollte allerdings Acht geben und niemanden küssen, der gerade ein allergieauslösendes Nahrungsmittel verzehrt hat. Das Risiko ist nicht zu unterschätzen.
Das Küssen in der Praxis
Für Luxemburg lässt sich feststellen, dass das Küssen wohl weit verbreitet ist, aber doch ganz unterschiedlich praktiziert wird. Von Ort zu Ort wird unterschiedlich oft geküsst, wenn man sich begegnet. Die Franzosen pflegen sich zur Begrüßung zu küssen. Die Deutschen hingegen bevorzugen eine Umarmung. Die ganze Komplexität des Themas offenbart sich, wenn man auch die soziale Komponente des Küssens berücksichtigt. Das Setting, die Vertrautheit mit dem Gegenüber oder auch die Frage, wer sich in der Nähe befindet und zuschaut – das alles sind Faktoren, die Einfluss darauf haben, für welche Form des Kusses wir uns letztendlich entscheiden. Vielleicht gebietet der Anstand sogar, ganz darauf zu verzichten.
Wird das Küssen weltweit praktiziert?
Anthropologischen Studien zum Trotz, die nahelegen, dass fast 90 % der Weltbevölkerung sich küssen, kommt die neuere Forschung (2015) zu dem Schluss, dass diese Zahl eher nicht zutreffend ist: Es gibt etliche Völker, die das Küssen nicht kennen. Hieran sieht man schon, dass noch viel Arbeit vor den Experten für Philematologie liegt, bevor eine gesicherte Aussage möglich ist.
Zur Klärung der Frage, ob das Küssen weltweit verbreitet ist, lassen sich zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen heranziehen, z. B. die Beobachtung der indigenen Bevölkerung Mittelamerikas. Dort ist der Kuss vollständig unbekannt. Ein weiteres Beispiel: Die Ureinwohner des Sudans betrachten den Mund als das Tor zur Seele. Für sie ist es unvorstellbar, sich zu küssen: Zu groß ist die Angst, der Tod könne sich auf diesem Wege Zutritt verschaffen oder ihre Seele gestohlen werden.
Die Ursprünge
Fest steht jedenfalls, dass die Menschheit kein Monopol auf das Küssen hat. Unsere Cousins, die Bonobo-Affen, haben Forschern demonstriert, dass auch sie sich küssen – als Zeichen der Zuneigung, während des Fortpflanzungsakts oder auch nach einer Auseinandersetzung.
Aber wo kommt es her? Manche vermuten, dass das Küssen in uns angelegt, also angeboren ist, und dass wir beim Küssen unbewusst prüfen, ob jemand zu uns passt und als Partner belastbar ist.
Wie funktioniert das? Über die Pheromone, die wir abgeben, aber auch über den Speichel, der beim Küssen ausgetauscht wird: Dieser gibt angeblich Aufschluss über das Immunsystem und den genetischen Verwandtschaftsgrad des Gegenübers. Viele Säugetiere tauschen zu genau diesen Zwecken Speichel (oder andere Körperflüssigkeiten) aus.
Andere sind überzeugt, dass es sich um einen erworbenen Brauch handelt, der sich aus dem Verhalten unserer Vorfahren entwickelt hat: So haben die Mütter einst die Nahrung vorgekaut und diese dann von Mund zu Mund an ihre Babys weitergegeben.
Autor : Constance Lausecker