
LIH; Nobel Prize Committee/Mattias Karlén
Links: Dirk Brenner, Luxembourg Institute of Health; rechts: Cartoon einer regulatorischen T-Zelle, dargestellt als Sicherheitswächter des Immunsystems
Heute wurde der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin an drei Forscher verliehen – Mary E. Brunkow und Fred Ramsdell aus den USA, sowie Shimon Sagaguchi aus Japan. Gemeinsam entdeckten sie, wie unser Immunsystem in Schach gehalten wird.
Jeden Tag schützt uns unser Immunsystem vor Tausenden verschiedener Mikroben, die versuchen, in unseren Körper einzudringen. Diese sehen alle unterschiedlich aus, und viele haben Ähnlichkeiten mit menschlichen Zellen entwickelt, um sich zu tarnen. Wie bestimmt das Immunsystem also, was es angreifen und was es verteidigen soll?
Damit das Immunsystem nicht unsere eigenen Organe angreift, muss es reguliert werden. Brunkow, Fred Ramsdell und Shimon Sakaguchi erhalten den Nobelpreis für ihre Entdeckungen zur sogenannten peripheren Immuntoleranz, die verhindert, dass das Immunsystem den Körper schädigt. Die Preisträger identifizierten die Sicherheitswächter des Immunsystems, die sogenannten regulatorischen T-Zellen, die verhindern, dass Immunzellen unseren eigenen Körper angreifen.
Dirk Brenner leitet ein Forschungsteam am Luxembourg Institute of Health, das ebenfalls an regulatorischen T-Zellen arbeitet. Er gab uns seine Einschätzung sowie weitere Erklärungen zum Nobelpreis, und erläutert wie regulatorische T-Zellen im Zentrum seiner Forschungsarbeit zu den Themen Autoimmunität und Krebs stehen.
Prof. Dirk Brenner, ist der Nobelpreis ihrer Meinung nach gerechtfertigt?
Der Nobelpreis ist absolut gerechtfertigt. Immuntoleranz ist eins der großen Themen in der Immunologie und die Preisträger haben die ersten bahnbrechenden Entdeckungen zur Rolle der regulatorischen T-Zellen oder Tregs gemacht, die eine zentrale Rolle in der Regulierung der peripheren Immuntoleranz aber, auch in der Entwicklung von Autoimmunität, Allergie und Krebs spielen.
Was genau sind denn regulatorische T-Zellen?
Regulatorische T-Zellen sind eine bestimmte Art weißer Blutkörperchen, die im Allgemeinen als Bremse für das Immunsystem fungieren. Unser Immunsystem ist für eine gesunde Körperfunktion notwendig und schützt uns vor Infektionen aller Art. Besonders wichtig sind dabei die T-Zellen. Hier gibt es verschiedene Arten von T Zellen. Die einen die aktiv an der Bekämpfung von Erregern beteiligt sind und diese, die dafür sorgen, dass das Immunsystem nicht überreagiert - man bezeichnet diese als die regulatorischen T-Zellen. Obwohl diese nur einen kleinen Teil aller T-Zellen ausmachen, sind sie entscheidend für die Kontrolle unseres Immunsystems.
Welche Rolle spielen regulatorische T-Zellen bei Autoimmunität, Allergie und Krebs?
Wenn die „Bremsfunktion“ der regulatorische T-Zellen nicht richtig funktioniert, gerät das Immunsystem außer Kontrolle und wendet sich gegen den eigenen Körper. Dies kann zu schädlichen Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose, Typ-I-Diabetes oder Arthritis führen. Dementsprechend können regulatorische T-Zellen in therapeutischen Ansätzen anvisiert werden, um Autoimmunkrankheiten zu unterdrücken.
Auch bei Allergien spielen sie eine Rolle, indem sie verhindern, dass das Immunsystem auf harmlose Stoffe wie Pollen oder Nahrungsmittel überreagiert.
Ein hochreaktives Immunsystem kann allerdings Krebszellen sehr effizient abtöten. Dies hat auch zur Entwicklung von „Checkpoint-Inhibitoren“ geführt, spezifischen Medikamenten, die eine Attacke des Immunsystems auf Krebszellen auslösen und die 2018 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurden.
In der Umgebung von Tumoren können regulatorische T-Zellen das Immunsystem daher „zu stark bremsen“. Das kann dazu führen, dass Krebszellen nicht mehr bekämpft werden und sich Tumoren besser entwickeln.
Deshalb versuchen Forscher in diesem Fall die Wirkung dieser Zellen zu schwächen, um die Therapie zu verbessern.
Welche Rolle spielen regulatorische T-Zellen in ihrer Forschung?
Wir haben unter anderem den Stoffwechsel dieser regulatorischen T-Zellen bzw. Tregs untersucht. Die Verbesserung des Treg-Stoffwechsels bietet ein vielversprechendes therapeutisches Potenzial zur Linderung der Entzündungssymptome von Autoimmunerkrankungen. Umgekehrt kann die Hemmung des Treg-Stoffwechsels die Wirksamkeit der herkömmlichen Immuntherapie bei Krebspatienten verbessern.
Wir sind diesem Ansatz nachgegangen und haben einen neuen Mechanismus entdeckt, durch den dieses Gleichgewicht zwischen einer extremen oder einer abgeschwächten Immunreaktion durch eine Veränderung des Stoffwechsels der regulatorischen T-Zellen gesteuert werden kann.
Unsere Studie könnte ein erster Schritt in Richtung einer personalisierten Behandlung von Stoffwechselerkrankungen und Autoimmunität durch eine spezielle Ernährung sein.
Die Studie von Dirk Brenner und seinem Team erschien 2020 im Fachmagazin Cell Metabolism und schmückte damals sogar das Cover des Magazins. Sie wurde seitdem von vielen anderen Forschern weltweit gelesen und sehr oft zitiert, was ein Zeichen für die Bedeutung dieser Studie ist. Hier der Link zur Studie und der Pressemitteilung.
Weiter Infos zum Nobelpreis gibt es auf der Internetseite des Nobelpreises.
Weiter Infos zu Dirk Brenner's Forschung gibt es in folgendem Video bzw. auf der Internetseite der Forschungsgruppe.
Autorin und Redaktion: Michèle Weber (FNR)
Infobox
Shimon Sakaguchi schwamm gegen den Strom, als er 1995 seine erste wichtige Entdeckung machte. Zu dieser Zeit waren viele Forscher davon überzeugt, dass sich Immuntoleranz nur dadurch entwickelte, dass potenziell schädliche Immunzellen im Thymus durch einen Prozess namens zentrale Toleranz eliminiert wurden. Sakaguchi zeigte, dass das Immunsystem komplexer ist, und entdeckte eine bisher unbekannte Klasse von Immunzellen, die den Körper vor Autoimmunerkrankungen schützen.
Mary Brunkow und Fred Ramsdell machten 2001 eine weitere Mary Brunkow und Fred Ramsdell machten 2001 die andere wichtige Entdeckung, als sie die Erklärung dafür vorstellten, warum ein bestimmter Mausstamm im Labor besonders anfällig für Autoimmunerkrankungen war. Sie hatten entdeckt, dass die Labormäuse eine Mutation in einem Gen aufweisen, das sie Foxp3 nannten. Sie zeigten auch, dass Mutationen im menschlichen Äquivalent dieses Gens eine schwere Autoimmunerkrankung namens IPEX verursachen.
Zwei Jahre später gelang es Shimon Sakaguchi, diese Entdeckungen miteinander zu verknüpfen. Er bewies, dass das Foxp3-Gen die Entwicklung der Zellen steuert, die er 1995 identifiziert hatte. Diese Zellen, die heute als regulatorische T-Zellen bekannt sind, überwachen andere Immunzellen und sorgen dafür, dass unser Immunsystem unser eigenes Gewebe toleriert.