(C) Lawrence Honaker/ University of Luxembourg
Die Physiker Jan Lagerwall und Tanja Schilling richten an der Universität Luxemburg eine Tagung über Substanzen mit besonderen Eigenschaften aus.
Herr Prof. Lagerwall, die Teilnehmer Ihrer Tagung „Twisted“ forschen an Materialien, die verschiedenste, faszinierende Eigenschaften haben…
In der Tat. Wir konnten Teilnehmer gewinnen, die auf kleinster Ebene Helixstrukturen – also verdrehte Strukturen, daher der Name der Tagung, vom englischen Wort für „verdreht“ – benutzen, um etwa Gläser herzustellen die farbig sind, ohne eingefärbt zu sein. Andere Materialien, über die wir reden werden sind ausgesprochen porös und deshalb sehr gut als Katalysatoren, also Reaktionsbeschleuniger, geeignet, weil sie eine große Oberfläche haben, an der chemische Reaktionen stattfinden können.
Dann wird es Sitzungen geben, in denen wir uns damit beschäftigen, wie man Stoffe aus Zellulose – dem Hauptbestandteil von pflanzlichen Zellwänden, aus dem auch Holz und Papier ist - optisch modifizieren kann. So entsteht etwa buntes Papier, das man ähnlich wie ein Hologramm bei Kreditkarten als Sicherheitstechnik nutzen kann. Wir reden auch über andere, kleinste Strukturen – sogenannte Nanostrukturen – die beispielsweise die Schalen von einigen Meerestieren superhart machen oder werde Vorträge dazu hören, wie man diese Strukturen mit Computermodellen untersuchen kann.
Welche Nanostrukturen sind dies?
Uns interessieren vor allem sogenannte Nanostäbchen, die nur einige hundert Nanometer (also der Millionste Teil eines Millimeters) lang und wenige Nanometer dick sind. Die Idee zu Tagung entstand aus einem Projekt, dass meine Kollegin Tanja Schilling und ich zusammen durchführen und dass solche Stäbchen aus Zellulose und deren »Selbstorganisation« untersucht. Unsere Materialien sind aber nicht weiß, sondern bunt, denn durch die periodische Anordnung der Stäbchen entstehen sehr kräftige Farben.
Und Zellulose wäre umweltfreundlich…
Das Material wäre sogar essbar. Hinzu kommt, dass der Bedarf an Papier nicht mehr so groß ist wie früher und der Ausgangsstoff, die Zellulose, hier eine neue Anwendung finden kann. Aus der Forschung an den Zellulose-Nanostäbchen ist dann die Idee entstanden, diese Tagung auszurichten.
An der verschiedenste Fachrichtungen beteiligt sind…
Genau. An die Universität Luxemburg kommen hierfür etwa Chemiker und Chemieingenieure, die an der Herstellung der Materialien arbeiten. Tanja Schilling und ich untersuchen als Physiker eher, was passiert, wenn die Stäbchen von alleine organisierte Strukturen bilden und welche beispielsweise optischen Eigenschaften entstehen. Anwendungsorientierte Teilnehmer der Tagung erforschen, wie sich Zellulose für neue Techniken, etwa die genannten Sicherheitstechniken, nutzen lässt. Auch ein biologischer Blickwinkel wird auf der Tagung diskutiert werden: Denn es gibt auch stäbchenförmige Viren, die ganz ähnliche Eigenschaften haben, wie unsere Zellulose-Stäbchen. Bisher gab es keine Konferenz, die alle diese Themenkomplexe zusammengebracht hat.
Bei all den spannenden angewandten Aspekten: Würden Sie nicht gerne Entwickler in einem Unternehmen sein?
Ich mag die Verbindung zwischen Industrie und Grundlagenforschung. Potentielle Anwendungen sind interessant, aber die Grundlagenforschung finde ich noch spannender. Die Industrieforschung ist häufig kurzfristiger angelegt, weil schnell neue Produkte entstehen müssen. In der akademischen Forschung können wir dagegen Phänomene untersuchen, die vielleicht in zehn oder zwanzig Jahren zur wirklich revolutionären Technologien führen.
Webseite der Konferenz: http://www.twisted.lcsoftmatter.com/
Autor: Tim Haarmann
Photo: Lawrence Honaker (Université du Luxembourg)
Infobox
Jan Lagerwall ist Professor für Physik an der Universität Luxemburg. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Erforschung von Flüssigkristallen und der Selbstorganisation kleinster Materialien. Vor seiner Arbeit in Luxemburg hat er in Schweden, Deutschland, den USA und Südkorea geforscht.