Letellier and team

Universität Luxemburg/Elisabeth Letellier

Elisabeth Letellier (MItte) und ihr Team

Warum erforschst Du insbesondere Darmkrebs?

Weil es in den westlichen Ländern eine wichtige Krebsart ist und weil seine Vorkommen bei jüngeren Menschen, d.h. zwischen 40 und 50 Jahren, zunimmt. Vor einigen Jahren dachte man noch, es handele sich um eine Erkrankung älterer Menschen. Dann wurde aber immer deutlicher, dass es sich inzwischen um ein schwerwiegendes medizinisches Problem in einer breiteren Bevölkerungsschicht handelt.

Was sind die Gründe dafür?

Neben den nicht veränderbaren Faktoren, wie genetischen Mutationen, könnten ungünstige Umweltfaktoren - Lebensstil und Ernährung - ein Grund dafür sein. Diese unterscheiden sich von Land zu Land. Die Industrieländer haben das höchste Vorkommen und die größte Sterblichkeit, wenn es um Darmkrebs geht. Wir wissen nicht genau, warum. Es wird vermutet, dass die westliche Ernährung zur Entstehung von Darmkrebs beiträgt, doch dies ist immer noch Spekulation, da alles, was wir wissen, aus epidemiologischen Studien abgeleitet ist. Diese erlauben zwar retrospektive Betrachtungen, aber keine direkte Untersuchung von Ursache und Wirkung. Wir wollen dies ändern und einen Schritt weiter gehen.

Und wie?

Wir verwenden "Mausmodelle" für Experimente. Zum Beispiel pflanzen wir Mäusen, die an Darmkrebs leiden, ein menschliches Mikrobiom ein, d.h. eine ganze Sammlung von Bakterien, die normalerweise im menschlichen Darm vorhanden sind. Dann setzen wir sie auf verschiedene Diäten, um Veränderungen während des Krankheitsverlaufs zu verfolgen. Solche Mausmodelle sind notwendig, da diese leichter zu kontrollieren sind: Die Mäuse sind genetisch identisch und haben das gleiche Mikrobiom, so dass wir die Wirkung verschiedener Ernährungsweisen direkt testen können. Natürlich müssen diese Studien anschließend in Studien mit Menschen bestätigt werden. Unsere Arbeit befasst sich mit einem entscheidenden Aspekt, der der Darmkrebsforschung derzeit fehlt: Ernährungsrichtlinien für Darmkrebspatienten. Während einer Chemotherapie zum Beispiel geben Ärzte zwar Ernährungsempfehlungen, aber es gibt keine wissenschaftlich fundierten Richtlinien.

Welche anderen Strategien verfolgst Du, um Darmkrebs zu bekämpfen? 

Wir versuchen, Wege zu finden, "kalte" Darmkrebstumore in "heiße" Tumore umzuwandeln. Hautkrebs und Lungenkrebs zum Beispiel sind "heiße" Tumore, das heißt, sie sind entzündet, was beim Dickdarmkrebs nicht der Fall ist. Wenn wir den Stoffwechsel der Krebszellen oder die Mikroumgebung des Tumors, darunter das Mikrobiom, ins Visier nehmen, könnten wir sie in "heiße" Tumore verwandeln, was bedeutet, dass die Immunzellen besser in den Tumor eindringen und ihn möglicherweise beseitigen können.

In Deinem Labor beschäftigst Du Dich auch mit einem anderen Forschungsgebiet. Wie wird dies Darmkrebspatienten zugutekommen?

Wir entwickeln Biomarker für den Bereich der Diagnostik, um Personen, die an Darmkrebs erkrankt sind, sehr früh im Verlauf der Erkrankung zu identifizieren. Darüber hinaus entwickeln wir prognostische Biomarker, die vorhersagen können, wie das Fortschreiten der Krankheit bei einem bestimmten Patienten aussehen könnte. Dies könnte dann zusätzlich Aufschluss darüber geben, welcher Patient oder welche Patientin wahrscheinlich auf eine Therapie ansprechen wird und welcher nicht. Wenn man Patienten und Patientinnen mit geringem Risiko identifiziert, kann man möglicherweise auch eine Chemotherapie für diese ausschließen, was eine sehr belastende Therapie ist. Wenn eine Chemotherapie vermieden werden kann, sollte sie vermieden werden, auch weil sie zur Entwicklung einer Therapieresistenz führen kann. Gute Biomarker zur Verfügung zu haben, hilft, dies zu vermeiden.

Text: Tim Haarmann
Photo: Elisabeth Letellier

Infobox

Kurzlebenslauf

Elisabeth Letellier ist Co-Leiterin der Gruppe für molekulare Krankheitsmechanismen an der Fakultät für Biowissenschaften und Medizin der Universität Luxemburg. Sie studierte Pharmazie an der Universität Paris V Descartes in Paris und promovierte in Molekularbiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Seit 2009 arbeitet sie an der Universität Luxemburg.

Auch in dieser Rubrik

Pollen.lu – die App Pollenallergie: Eine luxemburgische App hilft Allergikern

Momentan fliegt Pollen überall durch die Luft – ein großes Problem für Allergiker. Erfahre mehr über Pollen.lu, die luxemburgische App zum besseren Umgang mit Pollenallergie.

LIH, CHL
KI und Sportstatistik Wer wird Fußball-Europameister?

Mit Hilfe einer KI haben Forscher (u.a. aus Luxemburg) ermittelt, wer am wahrscheinlichsten Europameister wird. Wer? Welche Faktoren bestimmen die Siegeschancen? Und wie wurde die KI trainiert?

Bestäuber-Insekten „Wildbienen sind für die Biodiversität enorm wichtig“

Sechs Jahre lang hat das ‚naturmusée‘ die Wildbienen in Luxemburg studiert. Jetzt laufen die Vorbereitungen für den Wildbienenatlas auf Hochtouren. Wir haben einen kleinen Vorgeschmack bekommen.