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Schwierige Ereignisse in der frühen Kindheit wie die Trennung (oder Scheidung) der Eltern und die Ereignisse vor einer Adoption können sich negativ auf die künftige körperliche und psychische Gesundheit der betroffenen Kinder auswirken. Obwohl die Scheidung der eigenen Eltern heute eine der häufigsten Ursachen für Stress in der Kindheit ist und eine Adoption zu den am stärksten lebensverändernden Ereignissen zählt, kennt man die genauen Mechanismen, mit denen diese Ereignisse die Zukunft der Kinder beeinflussen, bis heute nicht vollständig. Violetta Schaan und ihre Kolleg*innen von der Universität Luxemburg haben herausgefunden, dass eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Ablehnung und eine veränderte Reaktionsfähigkeit auf Stress die wichtigsten Faktoren sein könnten. Diese Erkenntnisse werden dazu beitragen, adäquate Präventionsprogramme und Leitfäden für die psychotherapeutische Behandlung betroffener Kinder zu entwickeln. Solche Programme könnten in einer Zeit, in der die steigenden „Covidivorce“-Raten mehr Familien und Kinder in eine verwundbare Lage bringen, noch wichtiger werden.
Violetta Schaan hat ihre Studien mit einem kombinierten verhaltenswissenschaftlichen, klinischen und biopsychologischen Ansatz durchgeführt, der in diesem Forschungsbereich nur selten angewandt wird. Die gesamte Arbeit ist in ihrer Dissertation „Early life adversity and its long-term effects on stress responses and mental health“ (https://orbilu.uni.lu/handle/10993/40085) beschrieben, die in die engere Wahl für den FNR-Award 2020 in der Kategorie „Hervorragende Doktorarbeit“ gekommen ist.
Welche neuen Erkenntnisse gibt es über die Auswirkungen von frühkindlichen Widrigkeiten auf die psychische Gesundheit?
Im Vergleich zu nicht betroffenen Personen weisen junge Erwachsene mit geschiedenen Eltern höhere Raten an psychischen Erkrankungen auf, während Adoptierte ein höheres Risiko haben, sowohl psychische Krankheiten als auch Persönlichkeitsstörungen zu entwickeln. Die beiden Hauptfaktoren, die zu diesen negativen Ergebnissen für die psychische Gesundheit beitragen könnten, sind eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Ablehnung und chronischer Stress. Erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Ablehnung kann zur Vermeidung von sozialen Kontakten führen, was möglicherweise Einsamkeit und ein vermindertes Wohlbefinden nach sich zieht. Schwerer Stress in der Kindheit kann andererseits die Art und Weise verändern, wie die Betroffenen in Zukunft auf Stress reagieren. Ein Einflussfaktor könnte eine veränderte Körperwahrnehmung unter Stress sein, die mit verschiedenen körperbezogenen psychischen Störungen, wie z. B. Essstörungen, in Verbindung gebracht wird.
Welche Maßnahmen könnten betroffenen Kindern helfen, ihre psychische Gesundheit zu schützen?
Präventions- und Therapiemaßnahmen sollten sich auf die Verringerung der Empfindlichkeit gegenüber Ablehnung und auf die Entwicklung funktionierender Strategien zur Stressbewältigung konzentrieren. Kindern zu helfen, zu verstehen, dass die Scheidung der Eltern nichts damit zu tun hat, wie sehr sie von ihren Eltern geliebt werden, könnte eine Zunahme der Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung verhindern. Ein Leitfaden für Eltern könnte diesen helfen, ihre Kinder bei der Bewältigung der schwierigen Realität der Scheidung zu unterstützen. Besonders geschulte Schulpsycholog*innen, die möglicherweise Zugang zu weiteren Informationen über die soziale Integration und die schulischen Leistungen des Kindes haben, könnten nicht nur Einzel- oder Familiensitzungen anbieten, sondern auch Gruppensitzungen mit Schüler*innen, die Ähnliches erleben. All diese Ansätze könnten dazu beitragen, die langfristige psychische Gesundheit von Kindern zu verbessern, die von einer Trennung ihrer Eltern betroffen sind.
Werden sich die steigenden „Covidivorce“-Raten auf Kinder in Luxemburg auswirken?
Expert*innen prognostizieren einen Anstieg der Scheidungsraten in den kommenden Jahren, vor allem bei Paaren, die bereits vor der Covid-19-Pandemie Probleme hatten. Die Einführung von Begriffen wie „Covidivorce“ spiegelt die Schwierigkeiten wider, die viele Paare und Familien während der Pandemie erleben. In Deutschland ist die prognostizierte Scheidungsrate fünfmal höher als in den Vorjahren. Damit steigt auch das Risiko für Kinder, familiäre Konflikte und deren schädliche Folgen zu erleben. Um diese Kinder besser unterstützen zu können, ist es nach Ansicht von Violetta Schaan „wichtig, dass das Bewusstsein für meine Ergebnisse in der Bevölkerung zunimmt, damit Familien, die mit einer Trennung oder innerfamiliären Problemen konfrontiert sind, mögliche Folgen für ihre Kinder verstehen und aktiv Hilfe suchen, wenn sie diese Probleme nicht alleine lösen können“.
Das luxemburgische Mediationszentrum ist mit der Bitte an Violetta herangetreten, ihr Fachwissen weiterzugeben. Seine Bereitschaft, neue Erkenntnisse aus der Forschung in seine Arbeit einfließen zu lassen, wird die Unterstützung für Kinder und Familien, die von einer Trennung betroffen sind, verbessern.
Autorin: Anna Keller
Editorin: Michèle Weber (FNR)