SKIN & FNR
"Ziel mir keng!", kommt nach dem "Wëssensmagazin Pisa", das am Sonntagabend auf RTL Tëlee ausgestrahlt wird. Sie können die Folgen auch auf RTL Play und auf dem YouTube-Kanal science.lu ansehen.
Autor: Jean-Paul Bertemes (FNR)
Lektorat: Michèle Weber (FNR)
Wusstet ihr, dass Tali Luxemburg bei den Olympischen Spielen im Tischtennis vertreten wird? Und dass Georges Christen der einzige Mensch ist, der je bis unendlich gezählt hat? Schon ganze drei Mal! Mega, oder?
Was ihr da gerade gehört habt, waren natürlich Fake News. Und genau sie sind das Thema unserer heutigen Folge.
Wissenschaftliche Studien zum Thema
Falschinformationen richten Schaden an: Sie können beispielsweise politische Wahlen beeinflussen, dazu führen, dass Kranke sich dubiosen Behandlungen unterwerfen oder allgemein zu einer Spaltung der Gesellschaft beitragen. (https://skepticalscience.com/docs/DebunkingHandbook2020.pdf)
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Das Science Media Center Germany hat hierzu eine „science response“ veröffentlicht. Hier zwei Auszüge von Aussagen von Experten:
Dr. Josephine Schmitt: „Der bloße Kontakt mit Desinformation führt nicht zwangsläufig dazu, dass dieser auch geglaubt wird. Für die Wirkung von Desinformation spielen vor allem soziale und individuelle Faktoren eine wichtige Rolle. So bewerten Menschen politische Aussagen üblicherweise vor dem Hintergrund ihrer individuellen Vorlieben. Zum Beispiel neigen sie dazu, Verschwörungserzählungen zu glauben, die ihrer politischen Einstellung entsprechen.“
„Studien zeigen jedoch auch, dass Desinformation aufgrund ihrer inhaltlichen Gestaltung oft emotionale Reaktionen wie Wut und Misstrauen auslösen kann. Dies kann die öffentliche Diskussion erheblich beeinträchtigen und zu einer weniger informierten Wählerschaft führen.“
„Trotz der weit verbreiteten Besorgnis, dass Desinformation tiefgreifende Verhaltensänderungen bewirken kann, zeigen einige Studien, dass der direkte Einfluss von Desinformation auf das Verhalten möglicherweise überschätzt wird. Viele Menschen bleiben trotz allem skeptisch gegenüber der Authentizität manipulierter Inhalte. Nichtsdestotrotz bleiben Unsicherheiten bestehen, insbesondere hinsichtlich der langfristigen Auswirkungen von Desinformation und der Effektivität entsprechender Gegenmaßnahmen.“
Prof. Dr. Christian Hoffmann: „Wir wissen […] mehr über die Verbreitung von Desinformation als über ihre Wirkung. […] Studien zeigen, dass die meisten Bürger äußerst wenig Desinformation sehen und sich weit überwiegend aus seriösen journalistischen Quellen informieren. Daher sind starke Wirkungen von Desinformation eher unwahrscheinlich, sofern journalistische Medien ihr nicht wiederholt sehr große Reichweite schenken. Nur eine Minderheit der Bürger konsumiert Desinformation in einem nennenswerten Umfang – und dies häufig ganz gezielt, um das eigene Weltbild zu bestärken. Hier kann Desinformation einen mobilisierenden, unter gewissen Bedingungen auch radikalisierenden Effekt entfalten.“
Übrigens zeigen Studien, dass sich Falschinformationen im Internet schneller verbreiten als korrekte Informationen. Weil sie schockierend oder berührend sind, teilen Menschen sie eher.
Aber auch automatisierte Bots in sozialen Netzwerken, also Maschinen, tragen zur Weiterverbreitung von Falschinformationen bei. Eine Studie hat gezeigt, dass in der Zeit, als Donald Trump darüber nachdachte, aus dem Pariser Klimaabkommen auszutreten, ein Viertel der Tweets zum Thema Klimawandel von Social Bots und nicht von Menschen stammte.
Für diese Folge von Ziel mir keng haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie sich Falschinformationen effizient widerlegen lassen. Dafür haben wir uns im Wesentlichen auf eine Veröffentlichung gestützt, in der eine interdisziplinäre Forschergruppe Erkenntnisse aus einer Reihe von wissenschaftlichen Studien zum Thema Falschinformationen und Fake News zusammengetragen hat: das Debunking Handbook.
Konkret schauen wir uns in dieser Folge an:
- warum wir auf Falschinformationen hereinfallen,
- welche vorbeugenden Maßnahmen ergriffen werden können, um Falschinformationen zu bekämpfen,
- ob es sich lohnt, Falschinformationen zu widerlegen,
- und wenn ja, wie das am wirksamsten geht.
Definitionen: Falschinformation, Desinformation, Fake News
Beginnen wir mit einer Definition des Begriffs „Fake News“: Das Debunking Handbook unterscheidet zwischen „Falschinformationen“, „Desinformation“ und „Fake News“.
- Falschinformationen können absichtlich oder unabsichtlich verbreitet werden.
- Von Desinformation spricht man, wenn eine Täuschungsabsicht besteht.
- Fake News wiederum sind oft reißerisch formulierte Falschinformationen, die den Inhalten auf Nachrichtenseiten ähneln.
Nun wollen wir überlegen, warum wir alle auf Falschinformationen hereinzufallen können.
Das hat unter anderem mit folgenden Effekten zu tun:
- Der Scheinwahrheitseffekt oder Vertrautheitseffekt: Wenn Informationen mehrfach wiederholt werden, neigen wir dazu, sie zu glauben.
- Der Confirmation Bias: Wir neigen dazu, Informationen zu glauben, wenn sie unsere Weltsicht bestätigen und ihren Wahrheitsgehalt zu bezweifeln, wenn sie unsere Weltsicht in Frage stellen.
- Die ständige Informationsflut: Wir werden von Informationen überschwemmt und haben nicht die Zeit, sie alle zu prüfen.
Es ist wichtig, zu verstehen, dass wir alle auf Fake News hereinfallen können. Sich das bewusst zu machen und in der Lage zu sein, sich selbst kritisch zu hinterfragen, ist ein erster Schritt, um nicht auf Falschinformationen hereinzufallen.
Welche weiteren vorbeugenden Maßnahmen können ergriffen werden, um Falschinformationen zu bekämpfen?
Studien zeigen, dass es etwas bringt, Menschen zu warnen, dass sie falsch informiert werden können, entweder über spezifische Warnmeldungen oder allgemeiner durch eine Stärkung ihrer Medienkompetenz, indem über die gängigen Argumentationsmuster von Fake News aufgeklärt und dazu aufgerufen wird:
- die Quellen zu prüfen (das heißt, nicht blind Informationen zu vertrauen, deren Ursprung man nicht kennt)
- oder die Motive der betreffenden Personen oder Seiten zu hinterfragen.
Studien zufolge bewirken all diese Maßnahmen, dass weniger Falschinformationen geteilt werden. Und wenn niemand Falschinformationen weiterverbreitet, können sie auch keinen Schaden anrichten.
Wenn nun aber eine Falschinformation im großen Stil geteilt wird, bringt es da überhaupt etwas, sie zu widerlegen?
In diesem Zusammenhang haben Forscher auf ein Problem aufmerksam gemacht, den so genannten Boomerang-Effekt.
Um eine Falschinformation zu widerlegen, muss man zunächst sagen, dass sie nicht zutreffend ist und sie damit wiederholen.
Man verhilft ihr also zu einer gewissen Sichtbarkeit. Und wie wir bereits gesehen haben, neigen Menschen dazu, Informationen, die sie bereits mehrfach gehört haben, zu glauben. Anders gesagt: Je häufiger man über eine Falschinformation spricht, desto eher glauben die Menschen, dass sie wahr ist.
Aber es gibt auch gute Neuigkeiten: Jüngste Studien zeigen, dass die positive Auswirkung der Widerlegung stärker ist als die negative Auswirkung des Boomerang-Effekts. Wenn man sich geschickt anstellt, kann man also dazu beitragen, Falschinformationen zu entlarven und ihre Verbreitung einzudämmen.
Aber man muss sich immer fragen, ob es sinnvoll ist, eine Falschinformation zu widerlegen. Wenn die betreffende Information bisher erst wenige Menschen erreicht hat, warum sollte man ihr zu mehr Sichtbarkeit verhelfen?
Es gibt allerdings auch weniger gute Nachrichten. Beispielsweise können Falschinformationen selbst dann, wenn sie widerlegt wurden, das Verhalten von Menschen dauerhaft beeinflussen.
Das Debunking Handbook gibt folgendes Beispiel: Es kursiert eine Falschmeldung, der zufolge sich ein Kunde im Restaurant XY eine Lebensmittelvergiftung zugezogen hat. Selbst wenn die Information widerlegt wurde, ist es möglich, dass einige Leute das Restaurant in Zukunft meiden.
Hier ein weiteres interessantes Beispiel: In stark polarisierten Gesellschaften wie den USA lässt es die Menschen kalt, wenn sie erfahren, dass der Politiker, den sie unterstützt haben, gelogen hat. Sie unterstützen ihn auch weiterhin. In weniger stark polarisierten Gesellschaften hat es einen größeren Einfluss, wenn Lügen von Politiker*innen bekannt werden.
Schauen wir uns nun an, wie sich Falschinformationen am besten widerlegen lassen, sofern dies sinnvoll ist.
Nehmen wir die folgende Falschinformation als Beispiel:
Die zweite Staffel von TAKE OFF nächstes Jahr wurde abgesagt!
Um diese Information korrekt zu widerlegen, ist es wichtig, mit der richtigen Information zu beginnen. Idealerweise knackig formuliert.
Nächstes Jahr erscheint eine neue Staffel der Serie Take Off – Science Challenge Show!
Anschließend sollte man darauf hinweisen, dass eine Falschmeldung kursiert.
Fälschlicherweise wurde angekündigt, dass die zweite Staffel abgesagt wurde.
So wiederholt man zwar die Falschinformation, betont aber sogleich, dass es sich um einen Irrtum handelt.
Als nächstes legt man mit Argumenten dar, warum diese Information falsch und die andere korrekt ist.
Die Zuständigen haben alle offiziell bestätigt, dass die zweite Staffel ausgestrahlt wird, und die Anmeldungen laufen bereits.
Ein ganz wichtiger Punkt: Die Argumentation muss schlüssig und korrekt sein. Es geht hier nicht um Meinungen, sondern um Fakten.
Und zum Schluss wird die richtige Aussage noch einmal wiederholt.
Es ist bestätigt: Im Januar 2025 läuft die zweite Staffel von TAKE OFF!
Ihr habt gesehen: Es erfordert einen gewissen Aufwand, Falschinformationen zu widerlegen. Und häufig ist es schwierig, der schieren Menge an Fake News Herr zu werden. Während sie kurz und knackig Schwarzweißmalerei betreiben, erfordert es mehr Nuancen und damit Aufwand, sie zu widerlegen. Aber es lohnt sich!
Kommen wir zum Fazit
Falschinformationen, Desinformation und Fake News richten in unseren Demokratien und Gesellschaften Schaden an. Um zu verhindern, dass Falschinformationen weiterverbreitet werden, ist es hilfreich, Warnmeldungen zu veröffentlichen, die Medienkompetenz zu stärken und die Menschen aufzurufen, Quellen kritisch zu prüfen.
Wenn Falschinformationen jedoch erstmal in großem Stil geteilt wurden, ist es sinnvoll, sie zu widerlegen. Dabei sollte man versuchen, so effizient wie möglich vorzugehen.
So, das waren keine Fake News, sondern der wissenschaftliche Stand zum Thema! Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Und nicht vergessen: Immer schön kritisch bleiben!
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https://doi.org/10.1126/science.aap9559