Thorben Hülsdünker mit neurologischen Messgeräten

Herr Hülsdünker, in Ihren Veröffentlichungen schreiben Sie, dass sich die Leistung von Badmintonspielern mit speziellen Brillen verbessern lässt, die abwechselnd Licht durchlassen oder lichtundurchlässig sind - sogenannten Stroboskopbrillen. Ist das eine neue Trainingsmethode?

Unsere Untersuchungen deuten in der Tat darauf hin. Wir haben Studien mit dem deutschen olympischen Perspektivkader im Badminton durchgeführt und die Effekte derartiger Brillen auf die Reaktionsfähigkeit im Labor und auf dem Badmintonfeld untersucht. Wir konnten sehen, dass insbesondere beim Feldtest die Spieler, die mit stroboskopischen Brillen trainiert hatten, sich klar verbesserten. Bisher ist die Stichprobe mit zehn Spielern jedoch noch klein, aber wir wollen diese nun vergrößern.

Wie kommt es zu der Verbesserung?

Wir gehen davon aus, dass vor allem eine schnellere visuelle Wahrnehmung zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit beiträgt. Während des Trainings mit den stroboskopischen Brillen wird die Menge an visuellen Informationen reduziert. Das Gehirn muss daher lernen, die noch zur Verfügung stehenden Informationen effektiver zu nutzen. Unsere Annahme ist, dass ein solches Training des Gehirns, und des visuellen Systems im Besonderen, die Leistungsfähigkeit unter normalen visuellen Bedingungen verbessert. Schon in meiner Doktorarbeit hatte sich gezeigt, dass Sportler aus visiomotorisch anspruchsvollen Sportarten, wie eben Badminton, schnellere Reaktionen haben als Nicht-Sportler und dies sogar für visuelle Reize, die nicht direkt mit der Sportart in Zusammenhang stehen.  Durch die Messung der Gehirnaktivität konnten wir die Ursache dafür vor allem im visuellen System des Gehirns lokalisieren. Es war dann klar: Das visuelle System spielt für die Reaktionen im Sport eine entscheidende Rolle und dies hat uns auf das Training mit stroboskopischen Brillen gebracht. Die Studien wollen wir nun auch auf andere schnelle Sportarten übertragen, beispielsweise Tischtennis.

Wie funktioniert so eine Brille?

Stroboskopische Brillen bzw. sogenannte Shutterbrillen besitzen Gläser aus Flüssigkristallen wie sie auch beispielsweise in Flachbildschirmen verwendet werden. Durch elektrischen Strom kann die Orientierung der Kristalle so verändert werden, dass die Brillengläser entweder Licht durchlassen oder abgedunkelt sind. Wird der Strom immer wieder an- und ausgeschaltet, wechselt die Brille zwischen durchsichtigen und undurchsichtigen Zuständen. Dadurch entsteht der stroboskopische Effekt. Mit entsprechender Software können die Geschwindigkeit und Dauer der undurchsichtigen bzw. abgedunkelten Phasen präzise gesteuert werden, um beispielsweise die Schwierigkeit einer Trainingsübung zu variieren. 

Das klingt fast mehr nach Trainingsberatung, als nach Grundlagenforschung…

Das ist verständlich, denn unsere Arbeit soll auch immer eine Anwendungsrelevanz haben. Die genannten Brillen etwa gibt es schon lange; die Frage aber ist: Sind sie wirksam? Und wenn ja, warum? Erst wenn wir die zugrundeliegenden Mechanismen herausfinden, die sich im Gehirn abspielen, kann man das Training effektive gestalten und auf den individuellen Athleten abstimmen. Auf anderen Gebieten der Trainingssteuerung ist man in der Sportwissenschaft bereits sehr weit, was das Gehirn betrifft ist allerdings aktuell noch relativ wenig bekannt. Da aber insbesondere das Gehirn nahezu jede sportliche Aktivität beeinflusst, liegt dort enormes Potential für die Verbesserung der Leistung. Unser Ziel ist es dabei aber neben der notwendigen Grundlagenforschung auch immer, den Trainingsstützpunkten wirksame Maßnahmen an die Hand geben zu können.

Sind solche Trainingseffekte nur bei jungen Spitzensportlern wirksam?

Nein, grundsätzlich gilt das auch für Breitensportler. Und was das Alter anbelangt: Zwar ist das Gehirn in der Jugend plastischer; aber inzwischen weiß man, dass sich auch das ältere Gehirn noch anpassen kann. Ein Training lohnt sich also auch dann noch.

Nicht jeder kann professionell mit speziellen Brillen trainieren. Schnelle Reaktionen könnte man doch auch mit Computerspielen trainieren…

In der Tat sehen wir auch im „E-Sport“ schnellere Reaktionen als bei Nichtsportlern. Insofern ist das nicht von der Hand zu weisen. Und es sind auch noch andere Trainingsmethoden denkbar…

Zum Beispiel?

Es besteht die Möglichkeit über elektrische Stimulationen direkt in die Signalverarbeitung im Gehirn einzugreifen.

Das klingt gefährlich und nach Frankenstein…

Gefährlich ist dies nicht, es sei denn für Personen mit neurophysiologischen Störungen wie Epilepsie oder Migräne. Es ist nur noch sehr ungenau, da sich die elektrischen Ströme über relativ weite Teile des Gehirns ausbreiten. Zudem fehlen wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit im Sport. Noch ist das Verfahren daher nicht anwendbar.

Text: Tim Haarmann

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Kurzlebenslauf

Thorben Hülsdünker hat in Köln Sportwissenschaften sowie experimentelle und klinische Neurowissenschaften studiert und 2018 an der Deutschen Sporthochschule im Bereich der Sport-/Neurowissenschaften promoviert. Schon zu Schulzeiten lagen seine Interessenschwerpunkte im Bereich Sport und Biologie. Derzeit arbeitet er als Postdoc an der LUNEX International University of Health in Luxemburg.

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