(C) University of Luxembourg
Herr Ryan, wir führen dieses Gespräch über Skype. Ist das eine sichere Verbindung? Oder wer kann mithören?
Für Einzelpersonen ist es sicher sehr schwer, dieses Gespräch zu belauschen. Bei Geheimdiensten ist dies natürlich etwas anderes: Für sie ist es ein Kinderspiel. Zudem zeichnen die Dienste die Metadaten unseres Gesprächs auf, wissen also zumindest, das wir miteinander gesprochen haben.
Seit den Aufdeckungen Edward Snowdens herrscht bei vielen Menschen das flaue Gefühl, jederzeit überwacht werden zu können. Für den einzelnen Bürger ist es sehr schwer einzuschätzen, wie weit die Fähigkeiten der Geheimdienste reichen.
Das stimmt. Man muss aber auch bedenken, dass die Geheimdienste eine wichtige Rolle dabei spielen, unsere Gesellschaft vor Gefahren zu beschützen. Selbstverständlich können sie nicht alle ihre Möglichkeiten aufdecken; ansonsten könnten sie kaum noch effektiv arbeiten. Die große Herausforderung ist daher, Wege zu finden, wie die Geheimdienste besser kontrolliert werden können. Hier braucht es technische, gesellschaftliche und rechtliche Schritte.
Könnten Sie hierfür Beispiele nennen?
Es wäre sinnvoll, deren Aktivitäten aufzuzeichnen – etwa welche Internet-Links sie beobachten. Das würde nicht zwangsläufig ihre sinnvollen gesellschaftlichen Leistungen einschränken. Ich denke auch an technische Lösungen aus der modernen Kryptographie: beispielsweise “Zero-Knowledge-Beweise”. Hierbei kann ein Partner eines Gesprächs den anderen davon überzeugen, ein Geheimnis zu kennen, ohne dieses selbst preiszugeben. Das Vertrauen in die Geheimdienste würde auch gestärkt, wenn diese Daten zu der Anzahl der überwachten Verbindungen veröffentlichen würden.
Wie kann sich jeder einzelne schützen?
Vollständig wird das kaum möglich sein. Dennoch gibt es bereits Firmen, die Schutzmaßnahmen kommerzielle anbieten. “Silent Circle” arbeitet an der Entwicklung verschlüsselter Datennetze und es gibt inzwischen Smartphones, die speziell dafür gemacht sind, hohe Sicherheitsstandards zu erfüllen; das sogenannte “Blackphone”. Nichtsdestotrotz: Ein entschlossener Geheimdienst wird auch diese Techniken unterwandern können.
Das ist nicht besonders ermutigend....
Was mir Sorgen bereitet ist zudem, dass die NSA es geschafft hat, Sicherheitsstandards und Internetprotokolle zu unterwandern. In diesen Protokollen existieren nun Hintertüren, die Angreifer nutzen können. Sofern Kriminelle diese Hintertüren entdecken und nutzen, könnten wichtige Informationsinfrastrukturen bedroht sein.
Sie waren Mitveranstalter einer Tagung zum Thema „Privatsphäre und Sicherheit im Zeitalter der Überwachung“. Welche Ideen haben sich dort entwickelt? Auf was wird sich Ihre Arbeit in Luxemburg in der nächsten Zeit konzentrieren?
Die Teilnehmer waren sich in einem absolut einig: Die gegenwärtige Situation ist nicht akzeptabel. Privatsphäre ist nicht nur ein individuelles Recht, sondern ein gesellschaftliches Gut. Und was die Privatsphäre untergräbt, untergräbt letztlich auch die Demokratie. Im Moment arbeite ich daran, zusammen mit meinen Kollegen ein Manifest zu entwickeln, dass unsere gemeinsame Sichtweise deutlich macht.
Angesichts all dieser Unsicherheiten: Benutzen Sie Online-Banking?
Nein. Ich sehe dafür keine Notwendigkeit und vertraue Online-Banking nicht vollständig.
Author: Tim Haarmann
© Uni Luxembourg
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Peter Ryan forscht an der Universität Luxemburg unter anderem zur Informationssicherheit, Kryptographie, kryptographischen Protokollen, sicheren elektronischen Wahlsystemen und sozio-technologischen Aspekten von Sicherheit. Ryan blickt hierbei auf über 20 Jahre Erfahrung zurück: Er hat an der Universität von London in mathematischer Physik promoviert und bis zu seiner Berufung an die Universität Luxemburg im Jahr 2009 unter anderem als Professor für Computerwissenschaften an der Universität Newcastle gearbeitet, sowie am Stanford Forschungsinstitut.