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Anfang Dezember wurden die Ergebnisse der jüngsten Pisa-Studie präsentiert. Luxemburg schnitt dabei erneut eher mäßig ab, was der Bildungswissenschaftler und Leiter des Luxembourg Centre for Educational Testing (LUCET), Antoine Fischbach, auch nicht anders erwartet hat. Was den Professor der Uni Luxemburg allerdings wundert, ist der Umgang mit den Ergebnissen. Das Thema wurde diesmal ohne große Grundsatzdiskussionen recht schnell abgehakt.
Alle paar Jahre kommt der Pisa-Hammer und danach folgt dann die große Diskussion. Wie sieht es diesmal aus?
Wenn ich die Zeitungsbeiträge zur aktuellen Pisa-Studie mit denen der letzten von vor drei Jahren vergleiche, dann sind es diesmal vielleicht gerade einmal halb so viele Beiträge wie beim letzten Mal. Die Zeitungen haben zwar alle darüber berichtet, insgesamt aber war die Diskussion in den vergangenen Wochen recht ruhig.
Man hat sich diesmal in erster Linie auf die Punktebewertung, Punktedifferenzen, und nicht auf das Ranking konzentriert, was meiner Auffassung auch viel sinnvoller ist. Das Ranking beziehungsweise der Vergleich der aktuellen Platzierung mit der der vorherigen Studie ist nämlich vollkommen irrelevant, weil die Vergleichsgruppe, also die Anzahl und Auswahl der anderen Teilnehmerstaaten, schließlich auch immer ändert.
Letztlich hängt die Berichterstattung ja auch davon ab, wie die Politik damit umgeht. War das diesmal auch anders?
Durchaus. Mit hat es sehr gefallen, dass man auch in der Politik inzwischen mit lauter Stimme darauf hinweist, dass es bei uns Disparitäten gibt. Dass wir also eher schlecht als recht mit Verschiedenartigkeit umgehen und daran arbeiten müssen. Das ist eigentlich schon seit fast 20 Jahren bekannt. Doch dass es so deutlich in der Gesellschaft kommuniziert wird, ist für mich neu. Ich erinnere mich noch an die ersten zehn bis 15 Jahre nach der ersten Pisa-Studie, in denen konstant über die Art der Messung gestritten wurde und man deshalb die Ergebnisse der Studie so nicht wahrhaben wollte.
Ich begrüße das sehr, dass man davon weg ist und die Politik die Feststellungen der Forschung inzwischen mitträgt. Wir sind jetzt nach fast zwei Jahrzehnten endlich an einem Punkt angekommen, wo sich Forschung, Politik und die Gesellschaft bei den großen Kernaussagen einig sind. Das wurde zwar auch schon in der Vergangenheit kommuniziert, aber nicht in dieser Deutlichkeit wie jetzt.
Die Diskussion läuft also endlich in die aus Sicht der Forschung gewünschte Richtung?
Ja, wobei es noch immer etwas gibt, was ich in dieser Diskussion vermisse. Bei der Pisa-Studie, aber auch bei Bildungsstudien generell, wird immer gerne mit dem Finger auf das Schulsystem und die immer größer werdenden Ungleichheiten in diesem System gezeigt. In diesem Zusammenhang wird dann oft auch die zunehmende Neoliberalisierung im Bereich der Schule beklagt. Ich finde, dass der Dialog dabei zu sehr auf die Schule reduziert wird.
Aber es geht doch in erster Linie um Probleme im Schulsystem?
Durchaus. Aber letztlich ist die Schule ja nur ein Spiegel der Gesellschaft. Wenn man also feststellt, dass die Schule immer ungerechter wird, dann muss man dabei auch berücksichtigen, dass auch in der Gesellschaft die Kluft zwischen denjenigen, die viel haben, und denjenigen, die wenig bis gar nichts haben, immer größer wird. Wir haben hier also kein Schulphänomen, sondern ein gesellschaftliches Phänomen. Man kann über ein neoliberales Schulsystem schimpfen, darf dabei aber nicht vergessen, dass wir nun mal in einer neoliberalen Gesellschaft leben.
Trotz allem ist aber mit der Erkenntnis und der Einigkeit in den entscheidenden Fragen allein ja nicht getan…
Wir sind jetzt fertig mit den Ausreden. Die Herausforderungen sind erkannt und die ersten Handlungsfelder auch bereits seit einigen Jahren definiert. Es ist ja auch nicht so, dass wir in Luxemburg die Augen vor den Tatsachen verschließen. Wir haben parallel zu Pisa auch das nationale Bildungsmonitoring, das wir jedes Jahr in allen ersten, dritten, fünften, siebten und neunten Klassen flächendeckend durchführen. Und die Ergebnisse decken sich übrigens auch wie zu erwarten mit denen der Pisa-Studie.
Entscheidend ist für uns ja auch nicht das Abschneiden bei einer internationalen Bildungsolympiade, sondern unsere eigene Entwicklung und Verbesserung. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Und dass wir uns als Land nun endlich einig zu sein scheinen, dass insbesondere was faire Bildungschancen angeht, Handlungsbedarf besteht, lässt mich hoffen.
Interview: Uwe Hentschel
Editor: Jean-Paul Bertemes (FNR)